Archiv für den Monat: Januar 2013

Lars von Trier: Melancholia

Zu Lars von Trier selbst habe ich mich in diesem Blog einmal geäußert (Empörung und Melancholie). Es ging um seine unsägliche „Ich bin ein Nazi!“-Äußerung anlässlich einer Pressekonferenz während der 64. Filmfestspiele von Cannes 2011, als er seinen Film Melancholia vorstellte. Alles, was von meiner Seite zu dieser Aussage zu sagen war, habe ich dort niedergeschrieben.

Der dänische Regisseur Lars von Trier gilt als einer umstrittensten europäischen Filmemacher der Gegenwart. Der Film Melancholia ist eine düstere Geschichte um Depressionen und die Apokalypse. Die Hauptrollen spielen Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland.

    Lars von Trier: Melancholia

Der Film „entspricht im Aufbau einer Oper, d.h er besteht aus einer Ouvertüre, zwei Akten und einem Finale. Die Ouvertüre besteht aus verschiedenen Standbildern ohne Ton und Handlung, die sich minimal bewegen. Diese Einleitung dauert acht Minuten und ist eine Weiterentwicklung der Kapitelbilder in ‚Breaking the Waves’. Filmmusik ist Richard Wagners ‚Tristan und Isolde’. Dann beginnt das erste Kapitel/der erste Akt mit dem Namen Justine, die von Kirsten Dunst gespielt wird. Erzählt wird die Fahrt zur Hochzeitsfeier, die Hochzeitsfeier, die immer wieder aus dem Ruder läuft sowie die Abreise des Bräutigams samt seiner Eltern. Das zweite Kapitel heißt Claire nach der zweiten Schwester, die von Charlotte Gainsbourg gespielt wird und erzählt vom Leben der Schwestern nach der desaströsen Heirat. Justine ist schwer depressiv und muss auf dem luxuriösen Landsitz ihres Schwagers von ihrer Schwester gepflegt werden. Hintergrundthema ist, wie die vier Familienmitglieder, Claire, Ehemann, Sohn und Justine zum Herannahen des Planeten Melancholia stehen. Der Schwager und der Neffe sind anfangs sicher, dass der Planet an der Erde vorbeifliegt und erwarten ein ungefährliches Abenteuer. Justine und Claire tauschen gefühlsmäßig die Rollen. Ist während der Hochtzeitsfeier nur Justine beunruhigt, so bekommt im Verlauf des Films Claire immer mehr Angst und Justine fügt sich ins Unvermeidliche. Das Finale beginnt mit dem Selbstmord von Claires Ehemann, als er versteht, dass die Erde zerstört werden wird. Und endet mit einem Feuerball, der das magische Tipi, das Justine gebaut hat, um ihren Neffen zu beruhigen, mit Justine, Claire und ihrem Sohn verschluckt.“ (Quelle: de.wikipedia.org)


Lars von Trier: Melancholia

Zwischen den Jahren, wie man die Zeit zwischen den Weihnachtsfesttagen und Neujahr zu nennen pflegt, habe ich mir endlich diesen Film (und auch seinen Vorgänger – dazu später mehr) angeschaut. Lars von Trier leidet seit längerer Zeit unter Depressionen und hat das in seinen letzten Filmen verarbeitet. So wird Justine, die von Kirsten Dunst hervorragend gespielt wird, zu Triers Alter Ego, die sich nichts sehnlicher wünscht als das Ende der Welt. Es ist Weltekel, der den Regisseur umtreibt und uns Filme serviert, die den Zuschauer durch seine nicht gerade menschenfreundliche Botschaft erschüttern und ratlos zurücklassen soll. Da von Trier anders als in seinen Filmen zuvor auf Gewaltszenen und explizite sexuelle Darstellungen verzichtet, erreicht der Film eine Eingängigkeit, die um so mehr den Zuschauer bedrückt.

Wer sich durch einen Film lediglich gut unterhalten lassen möchte, ist natürlich bei Lars von Trier an der falschen Adresse. Von Trier wagt den Blick in den Abgrund der menschlichen Seele, wenn auch in manch schönem Bild. Die heile Oberfläche interessiert ihn nicht, und noch weniger die Gewinner. Wenn von Trier die Welt untergehen lässt, dann nicht wie bei Roland Emmerich in einem minutenlangen Getöse. Dafür bleibt bei von Trier dann aber auch wirklich nichts mehr übrig, keine Hoffnung, kein Leben …

Seinen schrägen Humor hat er gezügelt und findet sich nur in Andeutungen wieder, etwa wenn auf einem Golfplatz ein 19. Loch auftaucht.

Siehe hierzu auch den Beitrag auf spiegel.de: Trier-Meisterwerk „Melancholia“: Apokalypse. Wow!

Single Malt

Während meines Urlaubs im Jahre 2005 mit meinen Lieben in Schottland besuchten wir natürlich auch eine Whisky-Brennerei – in Keith das Stammhaus von Chivas Regal, die Strathisla Distillery (siehe auch bei de.wikipedia.org). Diese Destillerie gehört zur Region Speyside (allein in Dufftown, der Whiskyhauptstadt der Speyside, das in der Nähe von Keith liegt, gibt es wohl auch heute noch sieben Brennereien, daher der Spruch: „Rome was built on seven hills, Dufftown stands on seven stills.“ – „Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut, Dufftown steht auf sieben Brennblasen“).

Im meinem Beitrag Schottland 2005: Whisky habe ich kurz beschrieben, wie Whisky hergestellt wird. Scotch Whisky darf sich ein Destillat nennen, das in einer schottischen Destillerie hergestellt wurde, mindestens 40 Volumenprozent Alkoholanteil hat und mindestens drei Jahre in Eichenholzfässern unter Zollverschluss in Schottland gereift ist. Es gibt drei Arten von schottischen Whisky: Grain Whisky, der aus Weizen, ungemälzter Gerste und anderen Getreiden (u.a. auch Mais) gebrannt wird. Meist wird dieser Whisky verschnitten, also zu Blended Whisky verarbeitet. Ein Blended Whisky ist eine Mischung (Verschnitt) aus mehreren verschiedenen Whiskys. Ein Blend kann Whiskys aus über 50 verschiedenen Malt und Grain Brennereien enthalten. Dabei ist der Anteil von Malts gegenüber den Grains aus Kostengründen meist sehr gering, diese bringen aber den Charakter und die Aromen in den Whisky, die den Blend prägen. Die Krönung ist natürlich der Whisky aus gemälzte Gerste, der Malt Whisky.

Der Malt Scotch Whisky untergliedert sich in den Vatted Malt Whisky (heute eher als Blended Malt Whisky bezeichnet), dessen Destillate aus mehreren Brennereien stammen, und den Straight Malt Whisky, dessen Destillate aus nur einer Brennerei stammen. Im Gegensatz zum Blended Scotch Whisky hat jeder Malt Whisky einen eigenen und arttypischen Geschmack, der sich nach der Herkunft, dem Jahresklima und der Reifung richtet. Whiskykenner schätzen diesen, da er bei gleichem Markenproduktnamen je nach Jahrgang und Reifeklima des Getreides immer eine andere Geschmacksvariante bietet.

Der Straight Malt Whisky unterteilt sich in

Single Malt (ausschließlich aus den Produkten einer Destillerie)
Single Single Malt (aus einem Brenndurchlauf)
Pure Single Malt (ein Destillat, mehrere Fässer)
Single Cask Malt (aus einem Fass, also eine stark limitierte Abfüllung) – die Flaschen sind oft einzeln nummeriert.

Ja, es ist schon eine eigene Wissenschaft, das Wissen um schottischen Whisky (von der Herstellung ganz zu schweigen). Aber warum schreibe ich das hier? Ich bin doch um einiges davon entfernt, ein Säufer zu sein. Zum einen habe ich ein durchaus positives Verhältnis zu Getreide und damit zu Getreideprodukten. Brot besteht nun einmal aus Getreide, meist aus Weizen – und bei uns oft auch aus Roggen und sogar Gerste. Deutschland ist ein Paradies für Brotliebhaber (wie mich). Nirgendwo gibt es wohl so viele Brotsorten wie bei uns. So ist es auch kein Wunder, wenn Deutschland und speziell Bayern ein Bierland ist. Bier wird nicht umsonst spöttisch gern Gerstensaft genannt, denn bekanntlich bestehen die meisten Biersorten aus Wasser, Hopfen und – Gerstenmalz. Okay, auf der Isle of Skye habe ich einmal ein Haferbier getrunken, das übrigens sehr lecker und von goldener Farbe war (Hebridean Gold). Wie an anderen Stellen in diesem Blog verkündet, mag ich besonders Bockbiere (natürlich in Maßen, nicht in Massen). Und deren Geschmack wird besonders durch Gerstenmalz geprägt.

Zum anderen aber schreibe ich hier über schottischen Whisky und speziell Single Malt, weil ich von meinen Söhnen zu Weihnachten eine kleine Holzkiste mit neun verschiedenen Whiskyprobierfläschchen bekommen habe. Die sind natürlich bisher noch unberührt, denn ich werde Schluck für Schluck von dem edlen Zeugs (oder wie der Schotte sagt: a wee dram of whisky) nur zu besonderen Anlässen genießen. Und genau dafür sollten solche Spirituosen sein, nämlich um genossen zu werden, nicht um sich zu betrinken (auch wenn mein Bruder spaßeshalber behauptete: „Halb besoffen ist ’rausgeschmissenes Geld!“).

Bevor ich aber auf die neun kleinen Fläschlein und deren Inhalt zu sprechen komme, doch noch einige Worte zum Whisky:

„Das Wort Whisky, erstmals 1736 erwähnt, leitet sich vom Schottisch-Gälischen uisge beatha ab oder vom Irischen uisce beatha (gesprochen: ischke baha oder ischke ba) und bedeutet Lebenswasser (uisge / uisce = Wasser, beatha = Leben). „Wasser des Lebens“ heißt uisge / uisce na beatha. Die anglisierte Form usquebaugh hat sich aus der gälischen Ausspracheform uskeba entwickelt, wie man es oft auch in Schottland, Irland und Wales bei Ortsnamen vorfindet, wird aber heute uskvebaw (‚u‘ wie in cut, ‚aw‘ wie in law) oder yuskibaw gesprochen. Andere Schreibweisen sind usqu(a)ebach und usquaebae. Der Begriff war bereits im 16./17. Jahrhundert geläufig. Die Engländer anglisierten das gälische Wort uisge beatha zu dem heute gebräuchlichen Wort „Whisky“. Man verstand darunter aber nicht nur Whisky im heutigen Sinne, sondern auch andere Brände mit Würzzusätzen.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Zum schottischen Whisky (und natürlich nicht nur zu dem) gibt es im Internet viele Websites mit weiteren Informationen – sogar ein Whiskywiki; unter scotchwhisky.net/malt/ bzw. whisky.com/brands/ alles über heute produzierten schottischen Single Malt. Und de.wikipeadia.org informiert über Whiskey-Brennereien in Schottland.

Hier nun aber zu dem besonderen Geschenk, das mir meine Söhne zu Weihnachten gemacht haben:

Single Malt – schottischer Whisky

Wie gesagt, verkostet habe ich die Whiskyproben noch nicht. Aber allein der ‚Anblick’ hat ja schon etwas. Hier zu den einzelnen Whisky-Sorten die wichtigsten Informationen – und über die Links erfährt man dann noch einwenig mehr:

Nr Gebiet Destillerie Reifezeit/Vol.-% Besonderheiten
1 Arran Isle of Arran 3 Jahre/40 % junger, unkomplizierter Einsteiger-Whisky
2 Lowland [vatted Malt] 1 11 J./40 % mild, rund, angenehmer Körper, gut als Aperitif
3 Islay Bowmore 13 J./43 % torfig-rauchige Aromen mit sanfter Süße
4 Speyside Aultmore 15 J./43 % feine Frucht, dezente Bitternote, mineralisch
5 Highland Ben Nevis 15 J./43 % fruchtig-süß, etwas pfeffrig, milder Abgang
6 Highland Fettercairn 15 J./40 % malzig-süß, zart nussig, langer Abgang
7 Islay Bunnahabhain 20 J./41 % deutlich rauchig, fruchtig mit malziger Süße, leicht pfeffrig
8 Speyside Benrinnes 11 J./62,6 % ölig, samtig, weich mit schöner Honig-Süße (Cask Strength) 2
9 Highland Teaninich 29 J./43 % komplexe Aromen, ein wunderbarer Whisky für besondere Momente
    1 Blended Malt Whisky (auch Vatted Whisky oder Pure Malt): Der Whisky stammt aus den Fässern unterschiedlicher Destillerien und wurde vollständig aus gemälzter Gerste hergestellt.
    2 Cask strength (Fassstärke): Einem Whisky wurde vor der Abfüllung kein Wasser mehr zugesetzt. Der Alkoholgehalt dieser Whiskys ist unterschiedlich, da er je nach Lagerungsdauer, Umweltbedingungen, der Qualität des Fasses und nicht zuletzt auch nach Alkoholgehalt des Ursprungsdestillats variiert.

Übrigens: Auch ‚die Engel’ bekommen ihren Anteil bei der Whisky-Herstellung: ‚angels share’: Der angels share (Anteil der Engel) ist der Verlust von Alkohol aus den Holzfässern während der Reifung. Durch die Lagerung der Holzfässer verringert sich der Alkoholgehalt um einige Prozent.

Friedrich Glauser: Der Tee der drei alten Damen

Neben den fünf Wachtmeister Studer-Romanen (Verkachelte Fälle: Wachtmeister Studers Fälle) schrieb Friedrich Glauser noch einen weiteren Kriminalroman, der im Genf der dreißiger Jahre den Schauplatz internationaler Intrigen, schwarzer Magie und rätselhafter Todesfälle bildet. Glausers erster Kriminalroman wurde erst nach seinem Tod 1938 veröffentlicht: Der Tee der drei alten Damen

    Friedrich Glauser: Der Tee der drei alten Damen (Diogenes)

Als Glauser Geld brauchte, schrieb er diesen, seinen ersten Krimi – und gleichzeitig eine Parodie auf dieses Genre. Er lässt neben einer ganzen Anzahl fiktiver Personen auch vier Genfer Persönlichkeiten leicht verfremdet auftreten, die im doppelgesichtigen Genf zu Beginn dieses Jahrhunderts ihre mehr oder minder gewichtige Rolle spielten. Letztlich aber geht es im temporeichen und verwirrlich-bunten Cocktail aus Phantasie und Realität um die Frage nach dem Geheimnis, dem Mysterium schlechthin und nach den mannigfaltigen Mitteln zu seiner Erkenntnis. Dass dabei auch noch die hohe Politik hineinspielt, etwa mit dem Völkerbund, mit Ölfunden in einem indischen Randstaat und mit dem britischen und dem sowjetischen Geheimdienst, macht die Lektüre des Buches zum Vergnügen für all diejenigen, die Glausers feinsinnige Charakterzeichnung und Atmosphärengestaltung lieben.

Genf zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Mit deutlichen Anzeichen einer Vergiftung sterben kurz hintereinander zwei Männer. Verdächtigt wird ein prominenter Professor, der zu beiden Toten engen Kontakt hatte. Ciryll Simpson O’Key, ein Agent der britischen Krone, mischt sich in die Ermittlungen der Polizei ein und findet einen Maharadscha eines indischen Randstaates, der in Genf weilt, um seine Ölquellen zu verkaufen. Daran wiederum haben auch die Russen Interesse. Und schließlich gibt es Gerüchte über drei alte Damen, die regelmäßig Männer zum Tee einladen …

Drei Jahre arbeitete Friedrich Glauser an „Der Tee der drei alten Damen“ und schuf damit nicht nur ein frühes Zeugnis des deutschsprachigen Kriminalromans, sondern zugleich auch eine Krimi-Parodie.

Siehe auch den Artikel auf hr-online.de zu dem Hörspiel, das der Schweizer Rundfunk 1964 ausgestrahlt hatte: Der Tee der drei alten Damen

Die Kriminalromane von Friedrich Glauser sich in unterschiedlichsten Ausgaben erhältlich: Friedrich Glausers Kriminalromane

Glauser selbst bezeichnete den „Tee der drei alten Damen“ als „Schundroman mit Hintergründen“, doch trivial ist dieses Gemisch aus Fakten und Fiktionen, diese Mischung aus Phantasie und Realität, aus Drogenrausch und Parapsychologie keinesfalls. Glausers eigene Drogensucht zieht sich durch dieses Buch wie ein Leitfaden, an dem Rausch und nüchterne Beobachtung gleichermaßen hängen, wie die sonst so tadellose Schweizer Gesellschaft. Der Roman enthält dabei viel Witz und ist, wie bereits erwähnt, eine Parodie auf Kriminal- und auch Spionageromane.

Am 1. Januar 2009 verfiel die Regelschutzfrist der Werke Glausers. Daraufhin veröffentlichte das Projekt Gutenberg-DE seiner Kriminalfälle online – hier die Links zu dem Roman:

1941 Der Tee der drei alten Damen

Zu Friedrich Glauser selbst, dessen Leben allein romanwürdig ist: Geboren am 4.2.1896 in Wien, gestorben am 8.12.1938 in Nervi bei Genua, begraben auf dem Friedhof Manegg in Zürich. Er wurde aus der Schule gewiesen, weil er die Lyrik eines Lehrers abschätzig rezensiert hatte. Wegen »liederlichen und ausschweifenden Lebenswandels« ließ sein Vater ihn entmündigen. Glauser hatte in Zürich nicht Chemie studiert, sondern war dem Dadaismus und dem Morphium verfallen. Er geriet in ein wahnwitziges Karussell von Irrenanstalten, Zuchthäusern und Kliniken, von dem er mit Hilfe der Pflegerin Berthe Bendel absprang. Ein erster Versuch, aus dem Teufelskreis auszubrechen, war von seinem Vater unterstützt worden: Ihm war es nur recht gewesen, seinen Sohn in die Fremdenlegion verschwinden zu sehen. Glausers Erstling ›Gourrama‹ handelt von dieser Zeit. Am 6. Dezember 1938, einen Tag vor der geplanten Hochzeit mit Berthe, fiel er – wahrscheinlich durch eine Überdosis Schlafmittel – in eine tiefe Bewußtlosigkeit, aus der er nicht mehr erwachte.

Wise Guys: Zwei Welten

Meine Frau hat mir zu Weihnachten die Musik-CD Zwei Welten von der Gruppe Wise Guys geschenkt. Ein Blick auf das Cover sagte mir, warum: Es geht um das Lied ‚Deutsche Bahn’:


Wise Guys: Deutsche Bahn

Ja, die Deutsche Bahn und für mich der Metronom – als Pendler, der werktags morgens wie abends mit dem Zug fährt, kann man einiges erzählen. Da ist ein Lied wie dieses gewissermaßen Trost zur rechten Zeit (ich habe mir die Scheibe via MP3-Player schon öfter im Zug angehört). So fühle ich mich nicht alleingelassen. Auch andere haben ihre unheilvollen Erlebnisse mit deutschen Bahnunternehmen gemacht (und nicht nur deutschen, wie ein Schweizer uns aufzeigt – siehe meinen Beitrag Besser, ruhiger, entspannter, einfach schöner pendeln). Übrigens es gibt noch ein Lied von den ‚Wise Guys’ mit Thema Bahnfahren: Die Bahn kommt

    Deutsche Bahn: Platz ist für alle da ...

Die Wise Guys (engl. für „Besserwisser“, „Schlaumeier“) sind eine deutsche Musikgruppe, die Anfang der 1990er aus einer Kölner Schulband hervorging. Die Gruppe singt meist a cappella und bezeichnet ihren Musikstil als „Vokal-Pop“. Zunächst wollte ich es nicht glauben, aber auch das, was sich wie Bass und Schlagzeug auf der Scheibe anhört, ist ‚gesungen’. Bobby McFerrin mit Don’t Worry, Be Happy lässt grüßen.

Es ist vielleicht nicht so ganz meine Musik, aber witzig finde ich das schon, was die Jungs da fabriziert haben. Übrigens: Die CD gibt es auch in einer mit Instrumenten überstützten Fassung. Witzig sind allein schon die Wortspiele. In ‚Deutsche Bahn’ kommt dann auch die Doppelbedeutung des Wortes ‚abgefahren’ besonders schön zur Geltung:

    Meine Damen, meine Herrn, danke, dass Sie mit uns reisen
    Zu abgefahrenen Preisen
    Auf abgefahrenen Gleisen.
    Für Ihre Leidensfähigkeit danken wir spontan:
    Sssenk ju for trewweling wiss Deutsche Bahn!

Siehe auch meinen Beitrag: „senk ju vor träwelling“

Und in dem Lied ‚Irgendwer Wird Immer Meckern’ findet sich folgendes bemerkenswerte Wortspiel, das neben normalen Reimen auch noch Alliterationen nutzt:

    Man kann kleckern oder klotzen:
    Irgendwer wird immer motzen.
    Man kann klotzen oder kleckern:
    Irgendwer wird immer meckern.

Eislichter bei Dauerfrost

Seit über zwei Wochen hatten wir hier im Norden Deutschlands Dauerfrost. Seit heute nun regnet es wieder und die Temperatur ist wieder etwas über dem Gefrierpunkt gestiegen. Damit ist sicherlich der Winter noch lange nicht zu Ende, nur unterbrochen. Von ihrer finnischen Freundin hat meine Frau eine Tradition übernommen, die in skandinavischen Ländern gepflegt wird: das Herstellen von Eislichtern (siehe auch meine früheren Beiträge: Eislichter und Dauerfrost & Eislichter).

Eislichter

Die Nächte im Winter sind in nördlichen Gefilden besonders lang. Da ist jeder Licht willkommen. Und Eislichter sind besonders schön, verbinden sie natürliche Gegebenheiten mit Kreativität und einem dafür geringen Maß an Aufwand:


Eislichter – Tostedt 24.01.2013 (Musik: CyberCat – Heaven (Candlelight) Instrumental)

Es gibt natürlich verschiedene Techniken zur Herstellung von Eislichter; die folgende ist die einfachste, wenn auch mit gewissen Risiken behaftet:

Man benötigt dafür neben den Kerzen Eimer (vom Feudel- bis zum Farbeimer, auch die kleinen Eimerchen, die unsere lieben Kinder zum Sandbuddeln benutzen, eigen sich), Wasser und jede Menge Frost. Die Eimer füllt man mit dem Wasser und stellt sie hinaus. Nach ca. 48 Stunden Dauerfrost ist das Wasser bis auf den ‘Kern’ gefroren. Es kommt aber auf den Frost an und auf die Beschaffenheit der Eimer. Eimer mit dicker Wand benötigen längere Zeit; ist es knackig kalt, dann geht es schneller. Eigentlich logisch. Wichtig ist, dass das Wasser im Inneren nicht gefriert, dann sonst verbleibt kein Innenraum, in den die Kerze gestellt wird. Ist aber noch zu viel Wasser ‘nicht’ gefroren, dann sind die Außenwände zu dünn und zerbrechen leicht.

Ist die richtige ‘Betriebstemperatur’ erreicht, dann stülpt man den Eimer um. Lässt sich der Eisblock im Inneren nicht ohne Weiteres lösen, so hilft man eventuell mit heißem Wasser von außen nach. Was der Boden des Eisblocks im Eimer war, bildet jetzt den oberen Teil. Dieser ist nämlich dünner und wird mit Hilfe eines spitzen Gegenstandes, Stichel, auch spitze Messer tun es, vorsichtig aufgehackt, damit man/frau an das Innere gelangt. Das sich darin befindliche Restwasser wird ausgeschüttet und kann für ein weiteres Eislicht benutzt werden. Jetzt stellt man nur noch ein entzündetes Lichtlein hinein. Voila: Fertig ist das Eislicht!

Verkachelte Fälle: Wachtmeister Studers Fälle

Während meines Sommerurlaubs im letzten Jahr hatte ich auf der Leseliege verharrend begonnen, Friedrich Glausers Wachtmeister Studer-Romane (Studer ermittelt – Sämtliche Kriminalromane in einem Band, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2009) zu lesen. Begonnen hatte ich da mit dem ersten Roman Wachtmeister Studer

Friedrich Glauser: Studer ermittelt (Zweitausendeins)

Am Anfang des modernen Kriminalromans steht Friedrich Glauser. Seine fünf Romane um den Wachtmeister Studer sind zeitlose Meisterwerke der literarischen Spurensuche. Dem landständig schlicht auftretendem Ermittler von der Berner Kantonspolizei werden nur die besonders kratzigen Fälle anvertraut. Er löst sie mit Hartnäckigkeit, genauer Beobachtungsgabe und feiner Menschenkenntnis.

In seinem ersten Fall untersucht Wachtmeister Studer den rätselhaften Todesfall des Kaufmanns Wendelin Witschi. Wurde er vom vorbestraften Gärtnergehilfen Schlumpf ermordet? Als Studer den Tatort intensiv sichtet, entdeckt er eine ganz andere Spur … In Matto regiert wird der Direktor einer Heil- und Pflegeanstalt mit gebrochenem Genick aufgefunden. Unfall oder Mord? Es bleibt nicht der einzige Todesfall … Die Fieberkurve: Erst eine Reise nach Marokko bringt die Lösung dieses spektakulären Falles. Krock & Co: Der junge Detektiv Stieger wird mit einer angespitzten Fahrradspeiche erstochen. Wenig später wird sein Chef vergiftet. Was hatten sie herausgefunden? Der reiche James Jakob Farny, der wegen seine Augen Der Chinese genannt wird, liegt tot auf dem frischen Grab seiner Nichte. Doch der Revolver neben ihm ist nicht die Tatwaffe … mit dabei auch Glausers Erzähldebüt, der Kriminalroman Der Tee der drei alten Damen.
(aus dem Klappentext)

Während der wenigen Resturlaubstage jetzt im Winter habe ich die Zeit genutzt, um auch die restlichen Romane aus der über 1100 Seiten starken Zweitausendeins-Ausgabe zu lesen. Beim Halten des Buches kann man schnell Krämpfe bekommen (und hat am Ende einen ‚Tennisarm’). Aber die Krimis haben mir besonders durch das Lokalkolorit gefallen, die Schweiz in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und der Wachtmeister Studer ist einfach ein Ermittler der ganz eigenen Art: durch und durch menschlich ohne jegliche Allüren.

Nach Ansicht der Wachtmeister Studer sind all die Fälle, mit denen er vertraut wird, äußerst ‚verkachelt’, also ‚verkachelte Fälle’. Um sie zu lösen, hat er seine ganz eigenen Methoden, die er dann auch wie folgt beschreibt:

    Es handelte sich darum, den Fall anders anzupacken. Erstens: man mußte sich im Hintergrund halten. Zweitens: es war notwendig, alle Mitspieler kennenzulernen, sich einzuschleichen, nach und nach, in ihr Vertrauen, mit ihnen zu leben, eine Zeitlang, um dann die kleinen Beobachtungen, die alltäglichen, zusammenzusetzen, wie man ein Steinbett legt als Fundament einer Straße. Stein an Stein, geduldig … Endlich ist der Weg fertig und er führt zum Schuldigen …
    (Krock & Co, S. 789)

Die Kriminalromane von Friedrich Glauser sich in unterschiedlichsten Ausgaben erhältlich: Friedrich Glausers Kriminalromane

Mich interessieren natürlich immer auch die Lokalitäten, also die Orte, wo die Fälle spielen. So wird auch mindestens zweimal die Wohnadresse von Jakob Studer in Bern genannt, allerdings nur der Straßenname. Aber im Roman „Krock & Co“ erfahren wir dann auch noch die Hausnummer dazu: Thunstraße 98, Bern, in einer Dreizimmerwohnung. Aber „dort, wo das Haus Nummer 98 stehen müßte, zweigt eine Seitenstraße ab und läuft an einem Fabrikgelände vorbei, das so aussieht, als sei es einmal ein Straßenbahn-Bahnhof oder -Depot gewesen.“ (Quelle: zeit.de)


Wachtmeister Studers Dreizimmerwohnung in der Thunstraße 98, Bern
Größere Kartenansicht

Interessant sind sicherlich auch die Mordsspaziergänge – Kriminalliterarische Wanderungen im Kanton Bern (u.a. als Buch Mordsspaziergänge – mit 1 Audio-CD), in der u.a. zwei Studer-Krimis abgehandelt werden.

Am 1. Januar 2009 verfiel die Regelschutzfrist der Werke Glausers. Daraufhin veröffentlichte das Projekt Gutenberg-DE seiner Kriminalfälle online – hier die Links zu den fünf Wachtmeister Studer-Romanen:

1934/35 Wachtmeister Studer
1936 Matto regiert
1938 Die Fieberkurve
1938 Der Chinese
1940 Krock & Co.

Außerdem tritt Wachtmeister Studer noch in den folgenden zwei Erzählungen von Friedrich Glauser auf:

Der alte Zauberer
Der Schlossherr aus England

Die Haut, in der ich wohne

Die Haut, in der ich wohne (Originaltitel: La piel que habito) ist ein Melodram mit Elementen des Thrillers von Regisseur Pedro Almodóvar aus dem Jahr 2011. Almodóvar schrieb auch das Drehbuch, das wenigstens zum Teil auf dem Roman „Mygale“ von Thierry Jonquet basiert.

    Pedro Almodóvar: Die Haut, in der ich wohne

Dr. Robert Legard (Antonio Banderas) kommt zu einer wissenschaftlichen Erkenntnis: Durch eine Kombination des menschlichen Genmaterials mit dem von Schweinen produziert er eine perfekte Nachbildung der Haut. Bei seinen Kollegen stößt das erfolgreiche und im Prinzip verbotene Experiment jedoch auf Missbilligung. In einem abgeschiedenen Haus lebt der Chirurg mit seiner geheimnisvollen Haushälterin, dort unterhält er auch eine Privatklinik, in der er obsessiv weiter forscht – er will eine Frau erschaffen, die seiner verflossenen Liebe gleicht. Nur Patienten scheint es hier nicht zu geben, abgesehen von einer mysteriösen Frau namens Vera (Elena Anaya) in einem hautfarbenen Ganzkörperanzug, die der Doktor Tag und Nacht durch mehrere Monitore beobachtet. Langsam verliert sich Lagarde in seiner Faszination für die rätselhafte Dame. Doch er ahnt nicht, dass die Kollegen ihm seine Erkenntnisse neiden und es auf seine Klinik abgesehen haben. Dann lernt Vera, wer sie wirklich ist – und bricht aus Legardes Gefängnis aus…

aus: filmstarts.de


Pedro Almodóvar: Die Haut in der ich wohne

Mit Die Haut, in der ich wohne arbeitete Pedro Almodóvar zum ersten Mal seit „Fessle mich!“ von 1990 wieder mit Antonio Banderas zusammen, der die Hautrolle des so erfinderischen wie verrückten Chirurgen spielt. An seiner Seite finden wir Elena Anaya, die ich bereits in den Filmen Lucia und der Sex (2001), Hierro – Insel der Angst (2009) und Eine Nacht in Rom (Room in Rome) (2010) vorgestellt hatte.

Es ist schon eine Zeit her, dass ich einen Film von Pedro Almodóvar gesehen habe: Volver – Zurückkehren aus dem Jahre 2006. Zerrissene Umarmungen aus 2009 habe ich immer noch ungesehen im Schrank liegen – die Zeit dieses Films kommt aber bald. So habe ich mir Almodóvars letztes Werk angeschaut. Wie in seinen Filmen zuvor mischt der große spanische Regisseur auch hier Melodram mit Thriller und etwas Film Noir und weiht uns in dunkle Geheimnisse ein, die von genetischer Manipulation oder gar einer Geschlechtsumwandlung handeln. Es geht um Schuld, Scham und Sühne. Almodóvar stellt immer auch gern Bezüge zu Klassikern der Filmgeschichte her. In diesem Fall bekundet er seine Faszination zu Verwandlungsgeschichten wie bei Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau aus der Stummfilmära. Ähnlichkeiten sind auch im französisch-italienischer Schwarzweißfilm Augen ohne Gesicht von Georges Franju aus dem Jahr 1960 erkennbar. Für mich erscheint der Film wie eine moderne Version von Frankenstein, nur dass sich das Monster hier als eine bildhübsche Frau entpuppt.

Almodóvars Film ist ‚phantastisch’ im Sinne von grotesk, illusionär, aber auch besessen. Ich mag spanische Filme, auch wenn (oder gerade weil) sie ziemlich von der Wirklichkeit abgehoben sind. Die menschliche Leidenschaft bahnt sich oft seltsame Wege. Filme dieser Art stellen ein Abbild, eine Imagination dieser Leidenschaften dar.

50 Jahre deutsch-französische Freundschaft

Am 22. Januar 1963 wurde im Pariser Élysée-Palast der als Élysée-Vertrag bezeichnete deutsch-französische Freundschaftsvertrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Dieses Abkommen über die deutsch-französische Zusammenarbeit hat die beiden Nachbarn in Europa nach langer „Erbfeindschaft“ und verlustreichen Kriegen seitdem immer mehr zusammengeführt.

Unterzeichnung des Élysée-Vertrag durch Konrad Adenauer und Charles de Gaulle

Es sollte noch fast zehn weitere Jahre dauern, bis durch Willy Brandts weltweit beachteten Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 die Entspannungspolitik mit dem Osten eingeleitet wurde, die in die Ostverträge mit Polen und der Sowjetunion mündete. Hinzu kam der Grundlagenvertrag mit der DDR.

Ausgerechnet Sibirien

Ausgerechnet Sibirien ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahre 2012 in der Regie von Ralf Huettner (Vincent will Meer) und in der Hauptrolle mit Joachim Król.

Ausgerechnet Sibirien – der Film

Matthias Bleuel (Joachim Król) ist ein pedantischer Logistiker aus Leverkusen. Seit der Scheidung von seiner Frau Ilka (Katja Riemann) lebt er tumb und taub vor sich hin. Der Direktor (Michael Degen) des Modeversandhandels Fengler verpasst ihm gerade die richtige Kur: Er schickt ihn in eine Verkaufsstelle in Südsibirien. Nach einer turbulenten Reise hat Bleuel jedoch keine Chance, seine Arbeit zu machen. Dolmetscher Artjoms (Vladimir Burkalov) erste Lektion ist, dass in Russland viele Sachen anders laufen. Bei einem Konzert verliebt sich Bleuel dann auch noch Hals über Kopf in die schorische Sängerin Sajana (Yulia Men). Mit wiedererweckten Empfindungen reisen er und Artjom ihr hinterher…

aus: filmstarts.de


Ausgerechnet Sibirien

Ausgerechnet Sibirien ist eine so genannte Culture-Clash-Komödie über einen mittleren Angestellten aus Deutschland, der sich während einer Dienstreise nach Sibirien in einen anderen Menschen verwandelt. Dazu trägt ohne Zweifel die uns exotisch anmutende weite Landschaft Sibiriens bei und die uns fast unbekannte Kultur der Schoren, einem kleinen indigenen Volk in Sibirien. Der Film spielt mit dem Gegensatz von schnöder Realität und magischer Imagination. Wer hätte da nicht auch Lust, aus seinem Alltag auszubrechen?

Sicherlich verbleibt der Film ziemlich an der Oberfläche, taucht nur wenig in die Kultur der Schoren ein, was ihn sicherlich noch interessanter gemacht hätte. Der Film entspricht unserer westlichen Sichtweise. Trotzdem hat er mir sehr gut gefallen. Ich kann den Film durchaus empfehlen.

Vorbild der schorischen Sängerin ist wohl Tschyltys (alias Olga Tannagaschewa), geboren 1978, die nicht nur jenen Matthias Bleuel im Film, sondern auch uns durch ihren Kehlkopfgesang (Obertongesang) verzaubert. Obertongesang ist eine Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum der Stimme einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden und der Höreindruck einer Mehrstimmigkeit entsteht.

Ich habe natürlich nach jener Tschyltys im Internet geforscht und dabei zwei interessante Videos gefunden – zum einen ein Lied mit diesem Kehlkopfgesang – dann ein Stück mit Improvisationen auf dem Khomus, also der Maultrommel – das ähnliche Klangfarben erzeugt wie der Kehlkopfgesang:


Chyltys Tannagasheva: Aba Chonym (Aba People)


„Tschyltys“ Olga Tannagaschewa: Improvisation on Khomus

Weitere Videos bei zemleeb

Salcia Landmann: Jüdische Witze

    „Warum hat Kain Abel erschlagen?“
    „Weil Abel ihm alte jüdische Witze erzählt hat.“

Eigentlich mag ich es nicht, wenn in Gesellschaft Leute meinen, die Stimmung durch das Erzählen von Witzen heben zu müssen. Meist sind es schlüpfrige, also ‚unanständige’ Witze, bei denen dann mindestens die Hälfte der Anwesenden pikiert daherschaut. Oder es sind Witze mit langem Bart, also Witze, die man schon zum tausendsten Mal gehört hat. Und bei manchem Kalauer stöhnt dann bereits die ganze Mannschaft. Geistreiche, vielleicht auf Wortspiele beruhende Witze sind doch eher selten.

Wenn ich Witze mag, dann sind es oft Witze, die man dem ‚trockenen’ bzw. dem schwarzen Humor zurechnet, z.B. also den britischen Humor mit seinen oft absurden Elementen wie bei Monty Python oder in Deutschland bei Loriot. Die Grenzen des guten Geschmacks sollten nicht unbedingt überschritten werden.

Eine besondere Art ist der jüdische Witz:

„Der jüdische Witz nimmt in der Weltliteratur eine Sonderstellung ein. Er ist tiefer, bitterer, schärfer, vollendeter, dichter, und man kann sagen, dichterischer als der Witz anderer Völker. Ein jüdischer Witz ist niemals Witz um des Witzes willen, immer enthält er eine religiöse, politische, soziale oder philosophische Kritik; und was ihn so faszinierend macht: er ist zugleich Volks- und Bildungswitz zugleich, jedem verständlich und doch voll tiefer Weisheit.

Durch Jahrhunderte war der Witz die einzige und unentbehrliche Waffe des sonst waffen- und wehrlosen Volkes. Es gab – besonders in der Neuzeit – Situationen, die von den Juden seelisch und geistig überhaupt nur mit Hilfe ihres Witzes bewältigt werden konnten. So lässt sich behaupten: Der Witz der Juden ist identisch mit ihrem Mut, trotz allem weiterzuleben. – Salcia Landmann hat es unternommen, die verstreuten und oft nur mündlich überlieferten jüdischen Witze zu sammeln und zu ordnen. Ihre Auswahl, die alle thematischen bereiche umfaßt, geht eine soziologische Interpretation voraus, in der zugleich über Herkunft, Geschichte und Niedergang des jüdischen Witzes berichtet wird.“
(aus dem Klappentext)

„Zweierlei wollte ich mit meinem Buche: den tragischen Hintergrund des jüdischen Witzes aufzeigen, und diesen Witz selber heute, nach dem Untergang des europäischen Judentums, für den deutschsprachigen Leser sammeln und vor dem Vergessenwerden bewahren.

[…]

Wohin man blicken mag – die Bedingungen, welche den jüdischen Witz erzeugt haben, findet man nirgends wieder. Ein Teil des jüdischen Volkes hat den Naziterror zu überleben vermocht – nicht aber sein Witz. Er gehört heute der jüdischen Vergangenheit an, genau wie das deutsche Volksmärchen der deutschen Vergangenheit angehört.

Wir können ihn nur noch sammeln, und, solange er uns in seinen Voraussetzungen noch nicht fremd geworden ist, verstehen.“
Salcia Landmann in: Der jüdische Witz und seine Soziologie

Salcia Landmann: Jüdische Witze

Wenn manches nicht so traurig wäre, würde man lachen – sagt man. Der Jude lacht. Und ich habe bei dem Buch Jüdische Witze – ausgewählt und eingeleitet von Salcia Landmann: Der jüdische Witz und seine Soziologie, mit einem Geleitwort von Carlo Schmid – dtv 21017 – Deutscher Taschenbuch Verlag – 5. Auflage 2011 (zuerst erschienen 1960 im Walter Verlag, Olten) mitgelacht.

Die Ostjuden pflegten zu behaupten:
Wenn man einem Bauern einen Witz erzählt, lacht er dreimal. Das erstemal, wenn er den Witz hört, das zweitemal, wenn man ihm den Witz erklärt, das drittemal, wenn er den Witz versteht.
Der Gutsherr lacht zweimal: das erstemal, wenn er den Witz hört, das zweitemal, wenn man ihn erklärt. Verstehen wird er ihn nie.
Der Offizier lacht nur einmal, nämlich wenn man ihm den Witz erzählt. Denn erklären läßt er sich prinzipiell nichts, und verstehen wird er ohnehin nicht …
Erzählt man aber einem Juden einen Witz, so sagt er: „Den kenn ich schon!“ und erzählt einen noch besseren.

Im Laufe seines Lebens hört man viele Witze, ob freiwillig oder nicht. Fast alle vergisst man schnell wieder. So kenne ich nur wenige Witze und diese auch nur, weil sie kurz, also prägnant, etwas absurd und nach meinem Verständnis eben ‚witzig’ sind. Und zwei dieser Witze, die sich mir eingeprägt haben, finden sich in diesem Buch mit jüdischen Witzen, wenn auch in Abwandlung (im zweiten Witz ist es bei mir kein Rebbe, also Rabbi, sondern ein Pastor), seltsamerweise (oder auch nicht) wieder. Es beweist zumindest, dass meine Vorliebe für den jüdischen Witz, wenn auch unbeahnt, schon früh bestand:

Berel, Nichtschwimmer, plätschert im seichten Fluß – plötzlich gerät er in eine tiefe Stelle und brüllt um Hilfe. Schmerel: „Berel, was schreist du?“
„Ich habe keinen Grund!“
„Wenn du keinen Grund hast – was schreist du dann?“
(S. 89)

Ankunft in Krotoschin: „Sagen Sie, wo wohnt der Rebbe?“
„Dort hinüber.“
„Aber da kann doch der Rebbe nicht wohnen, da ist doch der Puff?“
„Nein, der Puff ist hier links.“
„Danke.“ Und geht links.
(S. 249)

Auf über 360 Seiten finden sich in dem Buch unzählige Witze – thematisch gegliedert. Es gibt wirklich viel zu lachen – oder zumindest zum Schmunzeln. Hier nur eine kleine Auswahl von Witzen, die mir besonders gefallen haben:

Schmul ist von der Straßenbahn abgesprungen und unsanft auf dem Toches (Gesäß) gelandet.
„Sind Sie niedergefallen?“ fragt ein mitleidiger Passant.
Schmul: „No na, so steig ich immer aus!“
(S. 94)

Gespräch auf dem Bahnsteig.
„Wohin fährst du?“
„Nach Warschau, Holz einkaufen.“
„Wozu die Lüge? Ich weiß doch: wenn du sagst, du fährst nach Warschau, Holz einkaufen, dann fährst du in Wirklichkeit nach Lemberg, Getreide verkaufen. Zufällig weiß ich aber, daß du tatsächlich fährst, um Holz zu kaufen. Warum lügst du also?“
(S. 107)

Joine Nelken sitzt im Theater bei ‚Maria Stuart’. Es wird immer tragischer, und er weint bitter. Plötzlich sagt er zu sich selbst: „Mein Gott, was treib ich daß Ich kenn sie nicht, sie kennt mich nicht – was reg ich mich so auf?“ (S. 274)

Schmul vor dem Goethe-Denkmal: „No – wer ist er schon? Kein Feldherr, kein Kaiser … bloß die ‚Räuber’ hat er geschrieben!“
„Was für Stuß (Unsinn)! Die sind doch von Schiller!“
„No also: Nicht einmal die ‚Räuber’ hat er geschrieben.“
(S. 274)

Ein Jude sitzt neben einem fremden Herrn im Varieté.
Ein Vortragskünstler tritt auf. Der Jude dreht sich seinem Nachbarn zu und flüstert: „Einer von unsere Leut!“
Eine Sängerin tritt auf. „Auch von unsere Leut“, sagt der Jude. Ein Tänzer kommt auf die Bühne. „Auch von unsere Leut“, erklärt der Jude.
„O Jesus!“, stöhnt der Nachbar angewidert.
„Auch von unsere Leut“, bestätigt der Jude.
(S. 292)

1933. In einem deutschen Amtsgebäude meldet sich ein Jude mit der Bitte, seinen Namen ändern zu dürfen. Der Beamte: „Im allgemeinen lassen wir uns auf Namensänderungen nicht ein. Aber Sie werden wohl starke Gründe haben. Wie heißen Sie denn?“
„Adolf Stinkfuß.“
„Ja – da muß man schon Verständnis haben. Wie möchten Sie heißen?“
„Moritz Stinkfuß.“
(S. 324)

Weiteres Material zu diesem Buch und natürlich auch Witze findet man unter: Was ist Jüdischer Witz?

Polnisch-jüdisches Sprichwort:
Wenn man arbeitet, hat man keine Zeit, Geld zu verdienen. (S. 201)

Schön ist auch dieser Witz, der den Talmud, eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums, zu erklären versucht:

„Joine, du warst doch auf der Jeschiwe (Talmudhochschule). Kannst du mir erklären, was das ist: Talmud?“
„Ich will es dir an einem Beispiel erklären, Schmul. Ich will dir stellen eine talmudische Kasche (Frage, Problem): Zweie fallen durch den Schlot. Einer verschmiert sich mit Ruß, der andere bleibt sauber … welcher wird sich waschen?“
„Der Schmutzige natürlich!“
„Falsch! Der Schmutzige sieht den reinen – also denkt er, er ist auch sauber. Der Reine aber sieht den beschmierten und denkt, es ist auch beschmiert; also wird er sich waschen. – Ich will dir stellen eine zweite Kasche. Die beiden fallen noch einmal durch den Schlot – wer wird sich waschen?“
„Na, ich weiß jetzt schon: der Saubere.“
„Falsch. Der Saubere hat beim waschen gemerkt, daß er sauber war; der Schmutzige dagegen hat begriffen, weshalb der Saubere sich gewaschen hat – und also wäscht sich jetzt der Richtige. – Ich stelle dir die dritte Kasche: Die beiden fallen ein drittes Mal durch den Schlot. Wer wird sich waschen?“
„Von jetzt an natürlich immer der Schmutzige.“
„Wieder falsch! Hast du je erlebt, daß zwei Männer durch den gleichen Schlot fallen – und einer ist sauber und der andere schmutzig?! Siehst du: das ist Talmud.“
(S.98f.)

Vor dem Holocaust gab es etwa 12 Millionen Menschen, die meisten davon in Osteuropa, die eine Sprache sprachen, die heutzutage neben älteren Menschen aller jüdischen Glaubensrichtungen vor allem chassidische Juden als Umgangssprache sprechen: Jiddisch, eine westgermanische Sprache, die aus dem Mittelhochdeutschen hervorging und dabei semitischen und slawischen Elemente benutzt. Über das Jiddische sind viele hebräische Wörter und Begriffe in die deutsche Sprache geflossen, die auch noch heute verwendet werden. Die jiddisch sprechenden Juden nennen diese Sprache Mame-Loschen (wörtlich Muttersprache, Laschón hebräisch = Sprache).

Einige ‚Neuinterpretationen’ jiddischer Begriffe finden sich ebenfalls in diesem Buch – Aus dem Jiddischen Lexikon:

Chuzpe (Impertinenz) = Lehrling
Dajes oder Daages (Sorgen) = Bilanz
Mischpoche (Familie, Klan) = beleidigt
Mizwe (religiöses Gebot, Wohltat) = eheliche Pflicht
Nadan (Mitgift) = die Hälfte
Stuß (Unsinn, Quatsch) = Liebe
Tinnef (Dreck) = Hochzeitsgeschenk
Toches (der Allerwerteste) = zweites Gesicht

Usw. (S. 255f.)

Es ist nun schon zwei Jahre her, da hatte ich an dieser Stelle eine 25-teilige Kolumne „Der Witzableiter“ von Eike Christian Hirsch, die 1984 im ZEITmagazin erschien, wiedergegeben und beendet. Wer möchte, findet hierzu den Anfang bzw. das Ende der Kolumne und kann sich – je nachdem – von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn durchhangeln (das ist kein Witz):

Der Witzableiter (1): Totaler Blödsinn – ein Rückfall
Der Witzableiter (25): Abschied vom Witz, mit Humor

Knapper Sieg für Rot/Grün in Niedersachsen

Auch wenn es am Ende ganz knapp war, SPD und Grüne lösen mit einem Mandat mehr im niedersächsischen Landtag die bisherige schwarze-gelbe Regierung von David McAllister ab. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat Rot-Grün 12409 Wählerstimmen mehr als CDU/FDP erhalten.

Dabei war nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen die Freude bei der FDP groß. Mit am Ende 9,9 % erzielte sie ihr bisher bestes Ergebnis in Niedersachsen. Dass dieses Ergebnis nicht Lohn guter Politik ist, sondern allein durch Leihstimmen aus Reihen der CDU zustande kam, scheint die FDP nicht zu stören. Genützt hat diese bedenkliche Leihstimmenkampagne trotzdem nichts (bedenklich, weil hier eindeutig die gesetzlich festgelegte 5 %-Klausel hintergangen wurde – ob diese Sperrklausel noch zeitgemäß ist, ist ein anderes Thema). Frau Merkel wird es sich überlegen müssen, ob sie im Herbst bei der Bundestagswahl ebenfalls den Liberalen Leihstimmen zukommen lässt. Das gute Ergebnis der FDP täuscht nur darüber hinweg, dass Rösler, Westerwelle, Brüderle und Co. bisher nur überleben, weil sie am Tropf der CDU hängen. Todgeweihte leben leider oft länger, als man glaubt; die FDP hat aber trotzdem ausgedient.

Nach den ersten Hochrechnungen, die zeigten, dass die FDP deutlich über 5 % liegt, ging ich davon aus, dass McAllister trotz der sich abzeichnenden Patt-Situation auch weiterhin die Regierung stellen wird, da mit zusätzlichen Überhangmandaten für die CDU zu rechnen war. Um so erstaunter war dann doch über den, wenn auch knappen Wahlsieg von SPD und Grüne. Interessant ist dabei, dass die CDU ihre 54 Sitze allein aus Direktmandaten (Erststimme) bezieht. Da Uwe Schünemann, noch amtierender Innenminister der CDU, seinen Wahlkreis Holzminden (Wahlkreis 20) an die SPD-Kandidatin Sabine Tippelt verlor, so wird er nicht im neuen Landtag vertreten sein.

Vorläufiges amtliches Ergebnis der Landtagswahl am 20.01.2013

Der Wahlkreis 52 Buchholz, zu dem auch Tostedt gehört, hat wie bereits 2008 natürlich wieder einmal rustikal schwarz gewählt: Herr Heiner Schönecke wird sich weiterhin bei Einweihungen, Grundsteinlegungen und Bürgermeistergeburtstagen in und um Buchholz und Tostedt satt essen und trinken dürfen. Hätten Grüne, Linke und Piraten auf Direktkandidaten verzichtet und stattdessen den SPD-Kandidaten wählen lassen, der ‚bewegende Heiner’ wäre erstmals in Bedrängnis gekommen.

Landtagswahl Niedersachsen 2013: Wahlkreis 52 Buchholz

Ergebnisse: Wahlkreis 52 Buchholz (Buchholz, Hollenstedt, Jesteburg, Tostedt)
ErststimmenZweitstimmen