Heute Ruhetag (40): Umberto Eco – Der Name der Rose

    Rosa que al prado, encarnada,
    te ostentas presuntüosa
    De grana y carmín bañada:
    campa lozana y gustosa;
    pero no, que siendo hermosa
    también serás desdichada.
    Sor Juana inés de la Cruz
    Rose, die rot auf dem Anger
    Stolz du dich spreizest
    Gebadet in Purpur und Karmesin:
    Prunke üppig und duftend.
    Doch nein, denn schön seiend
    Wirst du bald unglücklich sein.

Umberto Eco ist gewissermaßen der Steven Spielberg der Literatur. Spielberg verwirklicht seine Kindheitsträume, in dem er Filme dreht, in denen er Abenteuer (z.B. mit Indiana Jones) darstellt, wie sie Kinder gern erleben würden. Eco hegt Interesse für die Mediävistik, der Wissenschaft von europäischen Mittelalter. Und so schreibt er als Kenner Romane, die das Mittelalter wachrufen.

In der Nachschrift zum >Namen der Rose< (dtv 10552 - Deutscher Taschenbuch Verlag, April 1986) schreibt er ganz unverblümt: „… die Gegenwart kenne ich nur aus dem Fernsehen, über das Mittelalter habe ich Kenntnis aus erster Hand.“ (S. 22)

Mit seinem Roman Der Name der Rose wurde Umberto auch bei uns bekannt, ein Roman, der das Mittelalter mit seinen Kämpfen zwischen Kaiser und Papst zum Leben erweckt, der gleichzeitig ein Kriminalroman ist – und uns an den geistigen und geistlichen Auseinandersetzungen einer Zeit vor annähernd 700 Jahren teilhaben lässt.

„Begonnen habe ich im März 1978, getrieben von einer vagen Idee: Ich hatte den Drang, einen Mönch zu vergiften. Ich glaube Romane entstehen aus solchen Ideenkeimen, der Rest ist Fruchtfleisch, das man nach und nach ansetzt.“ (S. 21 der Nachschrift)

Gestern (Die Bibliothek als Labyrinth) bin ich schon einmal ziemlich tief in diesen Roman eingetaucht. Heute nun (bevor ich etwas näher auf den Roman insgesamt eingehen werde) möchte ich erst einmal zum Lesen dieses ungewöhnlichen Romans einladen, der vor rund 20 Jahren die Bestseller-Listen stürmte, ich fürchte, aber nur von den Wenigsten wirklich zu Ende gelesen wurde.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Am 16. August 1968 fiel mir ein Buch aus der Feder eines gewissen Abbe Vallet in die Hände: Le manuscript de Dom Adson de Melk, traduit en frangais d’après l’édition de Dom J. Mabillon (Aux Presses de l’Abbaye de la Source, Paris 1842). Das Buch, versehen mit ein paar historischen Angaben, die in Wahrheit recht dürftig waren, präsentierte sich als die getreue Wiedergabe einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, die der große Gelehrte des 17. Jahrhunderts, dem wir so vieles für die Geschichte des Benediktinerordens verdanken, angeblich seinerseits im Kloster Melk gefunden hatte.

Der kostbare Fund – meiner, also der dritte in zeitlicher Folge – heiterte meine Stimmung auf, während ich in Prag die Ankunft einer mir teuren Person erwartete. Sechs Tage später besetzten sowjetische Truppen die gebeutelte Stadt. Ich konnte glücklich die österreichische Grenze bei Linz erreichen, begab mich von dort aus weiter nach Wien, wo ich mit der langersehnten Person zusammentraf, und gemeinsam machten wir uns, aufwärts dem Lauf der Donau folgend, auf die Rückreise.

[…]

    Umberto Eco als William von Baskerville

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Das selbige war im Anfang bei Gott, und so wäre es Aufgabe eines jeden gläubigen Mönches, täglich das einzige eherne Faktum zu wiederholen, dessen unumstößliche Wahrheit feststeht. Doch videmus nunc per speculum in aenigmate [Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem Rätsel; Paulus: 1. Kor. 13,12], die Wahrheit verbirgt sich im Rätsel, bevor sie sich uns von Angesicht zu Angesicht offenbart, und nur für kurze Augenblicke (oh, wie so schwer zu fassende!) tritt sie hervor im Irrtum der Welt, weshalb wir ihre getreulichen Zeichen entziffern müssen, auch wo sie uns dunkel erscheinen und gleichsam durchwoben von einem gänzlich aufs Böse gerichteten Willen.

Dem Ende meines sündigen Lebens nahe, ergraut wie die Welt und in der Erwartung, mich bald zu verlieren im endlosen formlosen Abgrund der stillen wüsten Gottheit, teilhabend schon am immerwährenden Licht der himmlischen Klarheit, zurückgehalten nur noch von meinem schweren und siechen Körper in dieser Zelle meines geliebten Klosters zu Melk, hebe ich nunmehr an, diesem Pergament die denkwürdigen und entsetzlichen Ereignisse anzuvertrauen, deren Zeuge zu werden mir in meiner Jugend einst widerfuhr. Verbatim [wörtlich] will ich berichten, was ich damals sah und vernahm, ohne mich zu erkühnen, daraus einen höheren Plan abzuleiten, vielmehr gleichsam nur Zeichen von Zeichen weitergebend an jene, die nach mir kommen werden (so ihnen der Antichrist nicht zuvorkommt), auf daß es ihnen gelingen möge, sie zu entziffern.

Der Herr gewähre es mir in seiner Gnade, ein klares Bild der Ereignisse zu entwerfen, die sich zugetragen in jener Abtei, deren Lage, ja selbst deren Namen ich lieber verschweigen möchte aus Gründen der Pietät. Es geschah, als das Jahr des Herrn 1327 sich neigte – dasselbe, in welchem der Kaiser Ludwig gen Italien zog, um die Würde des Heiligen Römischen Reiches wiederherzustellen gemäß den Plänen des Allerhöchsten und zur Verwirrung des ruchlosen, ketzerischen und simonistischen [nach dem Zauberer Simon, Apostelgeschichte 8,9 ff. – Kauf, Verkauf von geistlichen Ämtern] Usurpators, der damals in Avignon Schande über den heiligen Namen des Apostolischen Stuhles brachte (ich spreche von der sündhaften Seele jenes Jakob von Cahors, den die Gottlosen als Papst Johannes XXII. verehrten).

[…]

Umberto Eco: Der Name der Rose (als PDF)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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