Heute Ruhetag (34): Jean Paul – Dr. Katzenbergers Badereise

2013 ist wieder so ein Jahrestag. Dieses Jahr feiern wir u.a. den 250. Geburtstag von Jean Paul, eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, einem deutschen Schriftsteller zwischen Klassik und Romantik. Die Namensänderung geht auf Jean Pauls große Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau zurück.

Eines der bekanntesten Werke von Jean Paul ist neben ‚Flegeljahre’ und ‚Siebenkäs’ die Erzählung Dr. Katzenbergers Badereise (1809), eine Satire, in der der Autor u.a. die Zusammenhänge „zwischen Häßlich und Schön, Böse und Gut, Leib und Seele, Teufel und Gott, Endlichkeit und Unendlichkeit“ untersucht.

Der „verwittibte ausübende Arzt und anatomische Professor Katzenberger von der Universität Pira im Fürstentume Zäckingen“ sucht Gesellschaft für die Reise nach Bad Maulbronn. Schließlich meldet sich Herr Theudobach von Nieß. Katzenberger reist noch mit seiner einzigen Tochter Theoda, beabsichtigt jedoch keine Badekur, sondern macht sich geschäftlich auf den Weg. Der Maulbronner Brunnenarzt Strykius hat Katzenbergers drei Hauptwerke giftig rezensiert. Für diese Schmähungen an der Ehre will der Autor den Rezensenten „beträchtlich ausprügeln“.

Bekannt wurde ich mit diesem Buch übrigens durch die Verfilmung von Gerd Winkler 1978 für das ZDF. Darsteller: Hans Helmut Dickow, Horst Frank, Peter Lakenmacher, Jörg Pleva, Witta Pohl, Alwin Michael Rueffer und Jutta Speidel, Filmmusik: H. E. Erwin Walther.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Erste Abteilung
1. Summula – Anstalten zur Badreise.

[…] für seine Person war Katzenberger kein Liebhaber von persönlichem Umgang mit Gästen: »Ich sehe eigentlich«, sagte er, »niemand gern bei mir, und meine besten Freunde wissen es und können es bezeugen, daß wir uns oft in Jahren nicht sehen; denn wer hat Zeit? – Ich gewiß nicht.« Wie wenig er gleichwohl geizig war, erhellt daraus, daß er sich für zu freigebig ansah. Das wissenschaftliche Licht verkalkte nämlich seine edeln Metalle und äscherte sie zu Papiergeld ein; denn in die Bücherschränke der Ärzte, besonders der Zergliederer, mit ihren Foliobänden und Kupferwerken leeren sich die Silberschränke aus, und er fragte einmal ärgerlich: »Warum kann das Pfarrer- und Poetenvolk allein für ein Lumpengeld sich sein gedrucktes Lumpenpapier einkaufen, das ich freilich kaum umsonst haben möchte?« – Wenn er vollends in schönen Phantasien sich des Pastors Göze Eingeweidewürmerkabinett ausmalte – und den himmlischen Abrahams-Schoß, auf dem er darin sitzen würde, wenn er ihn bezahlen könnte – und das ganze wissenschaftliche Arkadien in solchem Wurmkollegium, wovon er der Präsident wäre –, so kannte er, nach dem Verzichtleisten auf eine solche zu teuere Brautkammer physio- und pathologischer Schlüsse, nur ein noch schmerzlicheres und entschiedeneres, nämlich das Verzichtleisten auf des Berliner Walters Präparaten-Kabinett, für ihn ein kostbarer himmlischer Abrahams-Tisch, worauf Seife, Pech, Quecksilber, Öl und Terpentin und Weingeist in den feinsten Gefäßen von Gliedern aufgetragen wurden samt den besten trockensten Knochen dazu; was aber half dem anatomischen Manne alles träumerische Denken an ein solches Feld der Auferstehung (Klopstockisch zu singen), das doch nur ein König kaufen konnte? –

Der Doktor hielt sich daher mit Recht für freigebig, da er, was er seinem Munde und fremdem Munde abdarbte, nicht bloß einem teuern Menschen-Kadaver und lebendigen Hunde zum Zerschneiden zuwandte, sondern sogar auch seiner eignen Tochter zum Erfreuen, so weit es ging.

Diesesmal ging es nun mit ihr nach dem Badorte Maulbronn, wohin er aber reisete, nicht um sich – oder sie – zu baden, oder um da sich zu belustigen, sondern sein Reisezweck war die …

2. Summula – Reisezwecke.

Katzenberger machte statt einer Lustreise eigentlich eine Geschäftreise ins Bad, um da nämlich seinen Rezensenten beträchtlich auszuprügeln und ihn dabei mit Schmähungen an der Ehre anzugreifen, nämlich den Brunnen-Arzt Strykius, der seine drei bekannten Meisterwerke – den Thesaurus Haematologiae, die de monstris epistola, den fasciculus exercitationum in rabiem caninam anatomico-medico-curiosarum [Für Leserinnen nur ungefähr übersetzt: 1. Über die Blutmachung, 2. Über die Mißgeburten, 3. Über die wasserscheu.], – nicht nur in sieben Zeitungen, sondern auch in sieben Antworten oder Metakritiken auf seine Antikritiken überaus heruntergesetzt hatte.

Indes trieb ihn nicht bloß die Herausgabe und kritische Rezension, die er von dem Rezensenten selber durch neue Lesarten und Verbesserung der falschen vermittelst des Ausprügelns veranstalten wollte, nach Maulbronn, sondern er wollte auch auf seinen vier Rädern einer Gevatterschaft entkommen, deren bloße Verheißung ihm schon Drohung war. Es stand die Niederkunft einer Freundin seiner Tochter vor der Türe.

[…]

Signatur: Jean Paul

Jean Paul: Dr. Katzenbergers Badereise

Beitrag BR: 250. Geburtstag von Dichter Jean Paul

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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