Oh, Ohr, geschwungen schön …

    Als Maria sich die weiße Mantelschürze anzog und sich hinter den Ladentisch unseres Geschäftes stellte, trug sie noch Zöpfe hinter ihren rasch durchbluteten, derb gesunden Ohren, deren Läppchen leider nicht frei hingen, sondern direkt, zwar kein unschönes Fältchen ziehend, aber doch degeneriert genug in das Fleisch überm Unterkiefer wuchsen, um Schlüsse über Marias Charakter zuzulassen. Später schwatze Matzerath dem Mädchen Dauerwellen auf: die Ohren blieben verborgen. Heute stellt Maria unter modisch kurzgeschnittenem Wuschelkopf nur die angewachsenen Läppchen zur Schau; schützt aber die kleinen Schönheitsfehler durch große, ein wenig geschmacklose Klips.
    So steht es geschrieben bei Günter Grass: Die Blechtrommel (S. 214 – Sonderausgabe Sammlung Luchterhand 147 – 13. Auflage 1979 – Hermann Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied).

Es sind Ohren, die es mir angetan haben. Ich meine weniger das Hörorgan, sondern das äußere Ohr, die Ohrmuschel. Andere gucken auf den Po oder den Busen einer Frau. Ich betrachte mir die Ohren. Wohlgeformt müssen sie sein, geradezu aerodynamisch gerundet, und Ohrläppchen sollten sie haben. Denn alle Ohren ohne oder mit festgewachsenem Läppchen – wie bei Grass’ Maria – sind die von außerirdischen Damen, ja, das ist meine Meinung: weibliche Aliens! Es sind keine „Schlüsse über den Charakter“, es sind Schlüsse über die Herkunft! Aus entfernten Galaxien kommen sie, um sich bei uns „einzuschleichen“. Ob nun mit Darwin-Höckerlein oder ohne, schaut auf die Ohrläppchen, ob sie „in das Fleisch überm Unterkiefer“ verwachsen sind oder ganz und gar ohne diese lediglich mit Knorpel enden.

Ihr wollt ein Beispiel? Natalie Portman, ihres Zeichen Schauspielerin und sicherlich eine schöne Frau – sie spielte in einem Film namens Mars Attacks! (sic!) und in den drei Folgen Starwars Episode I, II und III die Königin und spätere Senatorin Padmé Amidala vom Planeten Naboo (nochmals: sic!). Ist das nicht Beweis genug? Außerirdisch, wenn auch sonst den Menschen gleich.

Ganz anders Demi Moore. Ich meine die junge Demi Moore aus Filmen wie Ghost – Nachricht von Sam. Da ist das Ohr wunderbar wie auf einer Achterbahn geschwungen und endet in einem fleischigen, ich nenne es knubbeligen Ohrläppchen. Wunderbar!

Natalie Portman: Ohr

Demi Moore: Ohr

David Bennent: Ohr

Natalie Portman: Ohr

Demi Moore: Ohr

David Bennent: Ohr

Noch etwas anders Oskar Matzerath, ich meine David Bennent, sein Darsteller in Schlöndorffs Film. Auch im Erwachsenenalter klein geblieben, sind seine Ohren (es dürfen auch einmal männliche Ohren sein) der Inbegriff der Bodenständigkeit – auch wenn sie etwas zum Segeln einladen mögen.

Was wären wir ohne Ohren – rein optisch gesehen. Es war Vincent van Gogh, der sich ein Ohr, einen Teil des Ohres oder vielleicht doch nur das Ohrläppchen abgeschnitten hat (geklärt wurde das irgendwie nie – und vielleicht war der Übeltäter sogar Paul Gauguin, mit dem van Gogh Streit hatte). Der Vorfall gilt als erste Manifestation seiner psychischen Erkrankung: Ohrverlust als Gesichtsverlust! Ohne Ohren ist das menschliche Gesicht doch ziemlich entstellt. Wer seine Ohren nicht mag, versteckt diese gern unter wallenden Locken.

Natürlich kann ich das Antlitz eines Menschen nicht auf seine Ohren reduzieren. Ohne Nase (in einem früheren Beitrag habe ich wohl etwas zu Nasen geäußert – ganz am Schluss des Beitrags: Was ist bloß mit Ian los? Teil 16: Ians kleiner Finger), ohne Mund, ohne Augen – unvorstellbar! Aber die Ohren werden oft übersehen, einfach ignoriert. Dabei kann in ihnen soviel Anmut, geschwungene Schönheit liegen. Erst wenn sie offensichtlich fehlen, werden die meisten ihrer bewusst.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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