Harry Mulisch: Die Entdeckung des Himmels

Der gute Francis Bacon ist schuld, das der Himmel den Bund kündigt, der über Moses mit den Menschen geschlossen war. Dazu müssen die Tafeln mit den 10 Geboten aber zerstört werden. Diese befinden sich, wer hätte das gedacht, im Vatikan, ohne dass einer es weiß. Aber da kommt nun unser junger Romanheld, entwendet die Tafeln und … Aber es soll nicht zu viel verraten werden. Bis es soweit ist, muss unser junger Held erst einmal gezeugt und geboren werden. Und das ist schon mehr als ein halber Roman für sich.

Michelangelos 'Moses'

Mit seinem Roman „Die Entdeckung des Himmels“ gibt der niederländische Autor Harry Mulisch ein sehr magisches Weltbild wieder. Freier Wille gerät darin zur Illusion. Der Mensch denkt, Gott lenkt – und besser gesagt, dessen himmlische Beamtenschaft, denn die Erde ist schon längst gottverlassen im engsten Sinne des Wortes. Alle Protagonisten des Buches sind lediglich Spielball metaphysischer Mächte, Marionetten an Schicksalsfäden, gesponnen von bürokratisch-kalten Engeln.

Doch der Reihe nach: Im ausgehenden 16. Jahrhundert beschloss Luzifer, der gefallene Erzengel, einen Pakt mit Adam und Evas Nachkommenschaft zu schließen; einen Pakt, als Gegenstück zu den 10 Geboten. So wie Gott Moses als Vertragspartner erkor, wählte der Teufel den jungen Francis Bacon, einen naturwissenschaftlich interessierten, machtbesessenen Höfling Königin Elisabeths II. Bacon setzte seine Seele als Preis für „Wissen ist Macht“ ein. Ein Einsatz symbolhaft für den der ganzen Menschheit. Denn ab nun sollte eine Wissenschaft ohne Ethik den Platz des Glaubens einnehmen. Ausgehend von Francis Bacons Vision des „Nova Atlantis“ wurde das alte Versprechen der Schlange zu Eva im Paradies langsam wahr: „Ihr werdet sein wie Gott“. Erkenntnisse nahmen rapide zu; Erfindung folgte auf Erfindung. Doch zu welchem Preis? Der technische Fortschritt brachte nicht primär die erhoffte bessere Welt, sondern vor allem immer neue Mittel der Zerstörung, vom Zyklon B der Gaskammern, über die Bombe von Hiroshima bis zu Umweltgiften der Gegenwart – das Kleingedruckte im Teufelspakt eben …. !

Zeitsprung, Niederlande 1967: Onno Quist, seines Zeichens sarkastisches Sprachgenie, dessen Leidenschaft der Entzifferung eines antiken etruskischen Diskus gilt, sowie Max Delius, Lebemann und angehender Astronom, wissen von alldem nichts. Natürlich bleibt ihnen auch verborgen, dass ihr scheinbar zufälliges Zusammentreffen und die daraus resultierende tiefe Freundschaft Bestimmung war. Obwohl nicht am selben Tag geboren, sind sie so genannte „kosmische Zwillinge“, das heißt: gezeugt in derselben Nacht. Schon bald erweitern sich die Zwillinge zum Dreieck; als Ada Brons, eine Cellistin, in ihr Leben tritt. Zuerst mit Max liiert, wird sie späterhin Onnos Frau. Doch während einer Liebesnacht auf Kuba schläft Ada, durch wenige Stunden getrennt, mit beiden Männern und wird wider alle Verhütung schwanger. Erneut war höhere Fügung im Spiel, denn Quinten Quist, dessen Initialen Q.Q. – das optische Symbol für das Eindringen des Spermiums in die Eizelle sind – und das gleich auf doppelte Weise, musste geboren werden. Ada sollte es nicht vergönnt sein, ihren Sohn zu sehen, denn noch vor der Entbindung stürzt ein Baum auf das Auto, in dem sie „zufällig“ sitzt. Ada liegt danach 17 Jahre im Koma, während Quinten von ihrer Mutter und Max herangezogen wird, und sich Onno, der rechtskräftige Vater, als Staatssekretär der Niederlande der Politik widmet.

Quintens Jugend verläuft auf einem Schloss, wo er früh von einem wiederkehrenden Traum heimgesucht wird. Dieser Somnium Quinti (Quintens Traum) handelt von einer Burg, die auf seltsame architektonische Weise errichtet ist; ähnlich den Zeichnungen der „Carceri“ des Malers Piranesi. Auch sonst ist der Junge untypisch für sein Alter: Obelisken, heilige Geometrie oder Musiktheorie interessieren ihn weit mehr als Sport und Spiel. Seine Jugend wird abrupt beendet als der Ziehvater, mittlerweile Leiter der Sternwarte von Westerbork, durch einen Meteoriten getötet wird. Max war tief im All, hinter dem Quasar MQ 3412, auf eine blasphemische Entdeckung gestoßen: nichts Geringeres als die Ursingularität, dort wo weder Raum noch Zeit existieren, verbarg sich dort. Max Delius hatte den Himmel entdeckt und dafür musste er sterben, denn wie alle Bürokraten mögen es auch die Engel á la Mulisch nicht, wenn ihre Ruhe gestört wird.

Onno war mittlerweile in Italien untergetaucht, hatte genug vom Politikerleben in Holland. Erst kurz vor seinem 17. Geburtstag sollte Quinten ihn in Rom wiederfinden – und damit den Showdown des Buches einleiten, der vom Sancta sanctorum der Ewigen Stadt bis zum Felsendom in Jerusalem führt, in die „Mitte der Mitte“, wo einst das Allerheiligste mit Bundeslade und Gesetzestafeln stand. Quinten ist DER Auserkorene, ein seit langem geplantes Wesen mit dem Auftrag, die Tafeln mit den 10 Geboten in den Himmel zurückzubringen, womit Gottes Bund mit der Menschheit für alle Male aufgehoben, und der Weg für Luzifer auf Erden endgültig frei wäre.

entnommen aus: sand am meer
weitere Informationen zu dem Roman einschl. vieler Bilder

In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei Bücher aufmerksam machen, die Ende der 90-er Jahre erschienen und jetzt für jeweils 10 € z.B. bei amazon.de als Taschenbuch zu beziehen sind:

Catherine Clément: Theos Reise – Roman über die Religionen der Welt
Jostein Gaarder: Sofies Welt – Roman über die Geschichte der Philosophie

Im eigentlichen Sinne sind es Jugendbücher, aber auch für Erwachsene sind die Bücher geeignet, um sich einen Überblick über die Philosophien dieser Welt und ihre Religionen zu machen. Ähnlich wie Mulischs „Entdeckung des Himmels“ handelt es sich dabei auch um ‚Kriminalromane‘ im weiteren Sinne.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!