Spurensuche

Wieder ein Amoklauf an eine deutschen Schule, diesmal ist es eine Realschule in Emsdetten. Vieles deutet darauf hin, dass der 18-jähriger Täter psychisch gestört war. Und mit dieser Tat wird wieder der Ruf laut, der nach einem Verbot von Videospielen verlangt, die Gewalt verherrlichen. Denn alles, was mit Gewalt zu tun hat, faszinierte offensichtlich den Amokläufer – auch brutale Filme und Videospiele.

Da ich selbst zwei Söhne habe, die auf ihren Rechner Spiele haben, die nicht meine ungeteilte Zustimmung haben – was kann ich aber dagegen tun, außer ihnen die Rechner wegnehmen -, da kann ich mich dieser Debatte nicht verschließen.

Um es gleich zu sagen: Ich finde es fürchterlich, dass es solche Spiele und Videos gibt. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn solche Filme und Spiele öffentlicht angepriesen werden und es dafür einen Markt gibt, der Milliarden umsetzt. Aber es gibt sie nun einmal und ich kann nicht verhindern, dass auch das eine oder andere davon in meinen Haushalt gelangt.

Was kann ich also tun? Ich kann mit meinen Söhnen sprechen, ihnen klar machen, was ich davon halte. Ich erwarte nicht, dass sie all den Müll löschen und nie wieder solchen Mist angucken oder spielen. Ich erwarte aber, dass sie sich dieser Problematik stellen.

Wichtig dabei ist, dass sie nicht wie der Täter in Emsdetten den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Solange sie mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen, solange sie erkennen, wohin es führt, wenn man Spiele dieser Art mit der Realität vermischt, solange brauche ich mir keine Sorgen zu machen.

Gefährlich halte ich dabei die Verallgemeinerungen, die alles in einen Sack stecken und mit dem Knüppel darauf schlagen. Solange es auch reale Gewalt wie Kriege und Massenverbrechen gibt, solange Industrie und Staat ihre Kassen mit dem Handel von Waffen füllen, solange sich die menschliche Seele immer wieder als tiefer, dunkler Abgrund auftut – solange werden wir auch mit der alltäglichen Gewalt leben müssen und können nur versuchen, zu verhindern, was zu verhindern ist.

spiegel.de: Video-Vermächtnis mit Waffe, Mantel, Kampfstiefeln

Resistantx: Columbine

Der Amokläufer hat vor seiner Tat einige Videos ins Internet gestellt. Ich bin dabei auf eines gestoßen, das bereits ein halbes Jahr alt ist. Es zeigt u.a. die zwei Täter des Columbine-Massakers aus dem Jahre 1999 beim Hantieren mit Schußwaffen. Hier äußert sich der Emsdettener Amokläufer noch kritisch zu solchen Mordanschlägen und fordert die Unterstützung der ‚Anarchie‘. Interessanter als dieses Video sind die Favoriten, die sich der Typ hier zusätzlich abgespeichert hat, Videos über Ängste, Hass, Gewalt und Tod (u.a. Selbstmord). Es ist wie eine Spurensuche im Internet … Nicht ein halbes Jahr später wurde er selbst zum Täter. Eigentlich bin ich nicht der Typ, der solchen Leuten noch so etwas wie eine Plattform bietet. Sei das kurze Video hier trotzdem – als abschreckendes Beispiel für einen verwirrten Geist – gezeigt (aufrufbar nur für solche, die sich bei youtube.com angemeldet haben):

Der Amokläufer im Internet (ResistantX: Columbine)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Ein Gedanke zu „Spurensuche

  1. Hallo Wilfried,

    auch meine drei Söhne spielen gerne Videospiele mit gewalttägigem Hintergrund. Es ist für sie eine Freizeitbeschäfigung, der sie sich hingeben können, wenn Dinge wie Schule, Hausaufgaben, Pauken, Fußball, Schwimmen, Schach, Pfadfinder „erledigt“ sind. Damit will ich ausdrücken, dass diese Gewaltspiele nicht den Mittelpunkt ihrer Gedankenwelt darstellen.
    Ich gehe stark davon aus, dass es bei Deinen Jungs ähnlich ist.
    Möglicherweise war es beim Attentäter von Emsdetten anders. Möglicherweise hatte dieser junge Mann nichts, was ihn mit der realen Welt in Verbindung bleiben ließ. Ich bin sicher, dass die Experten diese und andere Fragen beantworten werden.

    Ich fürchte, der Traum von einer gewaltlosen Gesellschaft wird eine Utopie bleiben. Gewalt begleitet uns auf Schritt und Tritt.

    Ich kann mich daran erinnern, dass Arnold Schwarzenegger nach den Dreharbeiten zu „Conan der Barbar“ in einem Interview sagte, dass die Barbaren in einer tollen Zeit lebten. Konnten sie doch Konflikte dadurch lösen, dass sie ihrem Gegner den Schädel einschlugen. Dieses Interview las ich damals im Spiegel.
    Ich rede vom selben Schwarzenegger, der dieser Tage als Gouverneur von Kalifornien bestätigt worden ist.
    Diese Tatsache macht deutlich, wie weit wir von einer friedlichen Gesellschaft entfernt sind.

    Ich wünsche Dir den Frieden
    Lockwood.

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