Was ist bloß mit Ian los? Teil 31: Dumm wie Bohnenstroh

Hallo Wilfried,

der Meister spielt neben Saiten- und Holzblasinstrumenten noch ein klein wenig Keyboards. Oder zumindest tut er so: Bei einem Auftritt während der „A“ – Tour stellte er sich an die Tasten, ebenso wie beim Konzert 1977 im Hippodrom. Aus der komplexen Klangfülle der Konzerte kann ich leider nicht heraushören, was er den Keyboards entlockt.

In Deiner letzten mail schriebst Du, dass derjenige, der über keinerlei Qualitäten verfügt, im Showbusiness schnell weg vom Fenster sei. Schön wär’s. Leider erlebe ich es immer wieder anders, sobald ich Fernseher oder Radio anmache. Aber ich habe mir vorgenommen, heute nicht zu lästern und niemanden zu schmähen.

Was Musik und Bühnenoutfit des Mr. Anderson betrifft, bin ich absolut Deiner Meinung:
Die Musik steht an erster Stelle, nicht die Klamotten. So sollte es bei einem Musiker nun mal sein. Die ausgefallenen Kostüme des Meisters haben lediglich dazu beigetragen, seinen Wiedererkennungswert zu erhöhen. Jemand wie er hat es nicht nötig, durch Randale und Exzesse aufzufallen. Er besticht ganz einfach durch Leistung; das ist die sicherste Methode, um anerkannt zu werden.

Vielen Dank für die Barre – Dateien. „A Trick of Memory” gefällt mir nicht. “The Dreamer“ schon eher. Wegen der akustischen Gitarren. 12saitig, wenn ich mich nicht irre. Der gute Martin. Einer der wenigen, der in unseren Fender-dominierten Zeiten seine Gibson in Ehren hält.

Ich habe einen Blick in Dein neues YouTube – Depot geworfen und mir hier u.a. das Video aus 2001 „For a Thousand Mothers“ angesehen. Dabei fiel mir auf, dass eine Flöte zu hören ist, obwohl der Meister gerade singt. Mr. Barre kommt als Flötist nicht in Frage, der ist mit der Gitarre beschäftigt. Es ist kein anderer Flötenspieler auf der Bühne, obwohl sie eindeutig zu hören ist. Was geht da vor ? Ein Fake ? Teilplayback ? Eine Karaoke-Veranstaltung ? Kannst Du das aufklären ?

Weißt Du, was es mit den Riesen-Ballons auf sich hat, die der Meister ins Publikum wirft ? Steckt eine Symbolik dahinter ?

Ich begreife nicht, warum sich noch niemand daran gemacht hat, eine deutschsprachige Biografie über Mr. Anderson herauszubringen. Man muss doch nur einige gezielte Blicke ins Internet werfen, um festzustellen, dass Mr. Anderson immer noch seine Anhängerschaft hat. Das Buch würde sich bestimmt gut verkaufen. Ich kenne schon zwei Menschen namentlich, die es kaufen würden. Dazu die gesamte Laufi-Gemeinde. Damit wäre die erste Auflage schon vergriffen. Im zweiten Schritt könnte man über die Verfilmung seines Lebens nachdenken. Obwohl, das ist vielleicht nicht in seinem Sinne.

Mach’s gut und bis bald

Lockwood

10.11.2006

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Hallo Lockwood,

ja der Meister haut auch in die Tasten. Bei der Zugabe zum Konzert 1977 im Hippodrom spielte er einige Akkorde. Auch hörbar, wie ich finde, denn weder John Evan noch David Palmer sitzen an ihren Plätzen. Nun wer täglich mit Musik zu tun hat, dabei zwei Keyboarder um sich geschart hielt, der wird auch einmal selbst versuchen, einem Klavier halbwegs Wohlklingendes zu entlocken. Selbst ich als Amateur werde versuchen, ‚Hänschen klein …’ auf den Tasten zu klimpern, wenn ich irgendwo ein Klavier stehen sehe.

Ja das Showbusiness treibt seltsame Blüten. Wir dürfen dabei nicht von uns ausgehen: Musik ist Geschmackssache (selbst wir kommen da kaum auf einem gemeinsamen Nenner – auch bei Herrn Andersons Musik nicht) und da gibt es vieles, was wir scheußlich finden, das aber trotzdem seine „Abnehmer“ findet. Aber selbst da ist ein Mindestmaß an Qualität oder Können notwendig, um nicht schnell in der Versenkung zu verschwinden.

Zum Wiedererkennungswert von Ian Anderson (seine Mitstreiter sind dabei leider zu vernachlässigen): Das ist zunächst die Flöte! Und dann auf einem Bein gespielt. Wenn es dann noch zerrissene Klamotten oder dergl. sind, dann erhöht das den Wiedererkennungswert. Wem die Musik aber nicht anspricht, dem ist dann auch dieses schnell aufnehmbare Äußere von geringem Interesse. Immerhin erinnert man sich beizeiten an diesen flötenden Gnom. Man kann dann gewissermaßen mitreden, wenn einmal zufällig das Gespräch auf Jethro Tull kommen sollte.

Zum parallelen Flötenspiel bei Andersons Gesang: Du meinst das 2000er Konzert in Sao Paulo. Also Karaoke ist nun doch eine Schmähung. Ich habe noch einmal hineingeblickt und kenne es von „Thick as a Brick“ her: Andrew Giddings spielt die Flöte zu „1000 Mothers“ auf seinem Keyboard. Besonders bei TAAB finde ich es scheußlich, denn was wie eine Flöte klingen soll, klingt eben leider nicht so. Früher hat man dafür das „Glockenspiel“, vom Drummer gespielt, eingesetzt, was weitaus besser, da natürlich klang.

Ich habe hinsichtlich „Thick as a Brick“ noch einmal weiter geforscht:

Original: Querflöte

Konzerte 1972 USA Buffalo & Rochester NY +Toronto: Keyboards (wie 1977) und Glockenspiel

Live at Tampa stadium, 1976 (Tullavision): Glockenspiel

Konzert 1977 Hippodrome: eigentlich nichts, dann Keyboards, die wie Keyboards klingen

Konzert 1978 Madison Square Garden NY: Glockenspiel

DVD „Living with the Past“: Glockenspiel und Andrew Giddings’ undefinierbarer Sound

Konzert 2001 Wildhorse Saloon, Nashville, TN: Glockenspiel und von Andrew Giddings’ ebenso einen undefinierbaren Sound an den Keyboards, der nicht nach Flöte klingt

Besonders das 2000er Konzert in Sao Paulo hat es in sich. Ich muss nochmals nachhören, aber es gibt da Stellen, da wird der Gesang von Ian Anderson durch einen Chor unterlegt, der wiederum an den Keyboards von Herrn Giddings erzeugt wird.

Irgendwo habe ich gelesen, dass gerade in den letzten Jahren einiges auch vom Band wiedergegeben wird, aufgerufen von … na, von wem wohl: Andy Giddings. Ich will es einmal so sagen: Herr Giddings hat in solch technischen Spielereien einen schlechten Einfluss auf unseren Meister. Du kennst wahrscheinlich das Mini-Video, wo Herr Giddings sogar offensichtlich schummelt, in dem er so tut als ob …

Zur Anderson-Biografie: Das Buch vom „A New Day“-Herausgeber, Dave Rees, mit dem Titel „Minstrel in the Gallery“ ist doch wohl ins Deutsche übersetzt worden. Also gleich eines: da schreibe ich lieber einen Roman, als eine entsprechende Biografie. Vielleicht brauchst Du mich ja als kostenpflichtigen Berater?!

Noch kurz zu Martin Barre: Im Anhang eine kleine MP3 mit den Beginn zu insgesamt drei Liedern. Kennst Du rein zufällig die Gruppe, die das spielt? Kommen wohl aus den USA. „Mississippi Queen“ habe ich irgendwann vor vielen Jahren einmal gehört. Wie auch immer. Die Auflösung ist dann spätestens am 17. in meinem Geburtstagsbeitrag zu Martins 60. zu finden.

WilliZ Audio-Rätsel: Welche Gruppe aus den USA spielt diese drei Titel

Ach so: Die Ballons am Schluss. Beim 77-er Hippodrom-Konzert waren diese mit dem Pfund-Zeichen bemalt. Ansonsten weiß ich aber auch nichts zur Bedeutung. Werde beizeiten recherchieren. Bin gespannt, ob ich etwas Aussagekräftiges finde, außer diesem hier.

Guten Start in die neue Woche
Wünscht Dir
Wilfried

12.11.2006

English Translation for Ian Anderson