Archiv für den Monat: Oktober 2014

Polizeiruf 110: Smoke on the Water

Wenn Dominik Graf Regie führt, dann darf man mit etwas Besonderem rechnen. Vorgestern bin ich einmal fremd gegangen und habe statt eines Tatorts die neueste Folge aus Polizeiruf 110, dem ehemaligen DDR-Pendant zum bundesrepublikanischen Tatort, gesehen, die am vergangenem Sonntag lief. Regie, man kann es sich denken: Dominik Graf; Titel der Folge aus München: Smoke on the Water

Bereits am letzten Samstag hatte ich einen Kriminalfilm in der Regie von Graf gesehen: Die reichen Leichen – ein Starnberg-Krimi. Bekanntlich ist der Bayern-König Ludwig II. auf bis heute ungeklärte Weise im Starnberger See, der bis 1962 noch Würmsee hieß, ertrunken. Das wird in diesem ‚heimatkundlichen’ Krimi auf besondere Weise thematisiert:

    Martin Feifel als Ludwig-Kopie in 'Die reichen Leichen'

„Der Kini (König Ludwig II.) wurde ermordet und die Sisi entführt. „Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi“ ist keiner jener Gaudi-Krimis, die auf der Grundlage von bayerischer Lebensart und deftigem Humor Mord zur schönsten Nebensache der Provinz machen. Dafür gibt es abgedrehte Geschichten, Auswüchse historischer Heimatkunde & Momente, die regionale Poesie verströmen. Heimat, das entspringt in diesem Film mehr der Mentalität der Menschen, weniger dem bayerischen Stereotypen-Kabinett. Anders als in seinen Stadt-Krimis setzt Dominik Graf statt auf wilde Montagen verstärkt auf die Raum-Komponente. Die (königliche) Geschichte, die Magie von Landschaft & See geben den Rhythmus vor.“


Die reichen Leichen – ein Starnbergkrimi D/2014 HD

Dominik Graf kennen wir auch durch seine Regiearbeiten bei einigen Tatort-Folgen. So zeichnete er bereits 1986 für die Filmleitung der Schimanski-Folge Schwarzes Wochenende verantwortlich. Dem folgten 1995 Frau Bu lacht der Münchener Ermittler Batic und Leitmayr (es geht Kindesmissbrauch – die sehr interessante Folge habe ich erst kürzlich gesehen) und vor nicht so langer Zeit 2013 die etwas verquere Folge Aus der Tiefe der Zeit (ebenfalls mit Batic und Leitmayr).

Jetzt also Polizeiruf 110: Smoke on the Water. Rainer Tittelbach, unser onliniger TV-Experte, schreibt dazu:

Hanns von Meuffels [der ermittelnde Hauptkommissar in München] bekommt es im ‚Polizeiruf 110 – Smoke on the Water’ mit einem blaublütigen Überflieger zu tun, der sich gebärdet wie ein Provinzkönig. Hat dieser einen anderen bezahlt, damit der sein Todschlagdelikt absitzt? Oder walten in und um Cadenbach globalere Kräfte, für die ein, zwei Morde Peanuts sind? Das Wechselspiel von Macht und Ohnmacht treibt diesen Film an, der in einem wahnwitzig brutalen 15minütigen Totentanz sein verzweifeltes Ende findet. Dominik Graf quält mit diesem Thriller Sonntagskrimi-Fans weniger als zuletzt. Das liegt auch an der großen Sinnlichkeit, mit der er Schütters komplexes Drehbuch umsetzt. Atmosphärisch, cool, schräg, politisch & ein bisschen sexistisch.

Apropos sexistisch! Die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München und Oberbayern, Frau Susanne Breit-Keßler, beschwerte sich dann auch umgehend über das Frauenbild, den dieser Film vermittelt. So ganz unrecht hat sie sicherlich nicht.

In der Figur des Herrn von (und zu) Cadenbach ist übrigens der aus Bayern stammende, ehemalige Bundesverteidigungsminister (auch ein ‚… von und zu …’) erkennbar, wenn dieser hier auch reichlich überzeichnet wird. Und auch der im Film gezeigte bayerische Ministerpräsident ähnelt dem augenblicklich amtierenden (Herr Graf wählt sicherlich nicht die Christlich-Sozialen).

Hintergrund des Polizeiruf-Krimis bildet übrigens das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der Europäischen Union, ein aus Steuergeldern subventioniertes Milliardengeschäft. Da geht man auch schon ’mal über Leichen.


POLIZEIRUF 110: Smoke on the Water (München – 20.10.2014)

Dieser Krimi hat es in sich, wenn er nach meiner Meinung auch etwas zu überambitioniert wirkt (ich will ehrlich sein: überdreht!). Dominik Graf und Drehbuch-Autor Günter Schütter teilen so richtig aus, decken alte Seilschaften auf, die sich bereits auf Eliteschulen bildeten, zeigen die Verquickung aus Politik und Wirtschaft auf und die Spielchen der Oberen aus Geld, Macht und Sex. Manchmal zeitigen scheinbar banale Dialoge auch eine feine Spur Ironie wie der folgende, für den Film durchaus bezeichnende Dialog:

Der Kommissar befragt in einer Kneipe im Münchner Umland die Freundin der Ermordeten, Corry Hüsken.

Von Meuffels: Vielleicht will er (Joachim von Cadenbach, ein Verdächtiger, Anm. d. Red.) Außenminister werden, oder Verteidigungsminister.

Hüsken: Na ja, der Adel bringt halt noch immer einen besonderen Menschenschlag hervor.

Von Meuffels: Sagen Sie das, um mir zu schmeicheln?

Hüsken: Ach so. Ich bin begeisterte Bunte-Leserin.

Von Meuffels: Ach, du lieber Himmel! Noch eine von denen, die das Leben lieber anderen überlassen.

Hüsken: Meinen Sie?

Von Meuffels: Ja. Ich habe die Theorie, dass nur solche Menschen Klatsch brauchen, die selber nicht leben, weil sie Angst haben, es kommt was an sie dran.

Vor der Haustür: Herbsturlaub 2014!

Wenn’s kommt, dann kommt’s dicke … In den letzten Tagen hatte ich einiges um die Ohren und bin zu wenig anderem gekommen. Aber heute ist mein letzter Arbeitstag. Zwei Wochen Urlaub liegen vor mir, was will ich mehr …

    Urlaubstiet is wedder do(r) ...: Harvst-Urlaub 2014

… und es herbstelt. Die Blätter färbeln, bevor sie von den Bäumlein plumpsen. ‚Stormgebrus’ peitscht dir bald die ‚Regendroppen’ um die ‚Nees’. Aber das sorgt für gesunde Durchblutung der ‚Snutpell’, glov’ mi dat!

Ja, ‚kieken’ wir mal, was dieser ‚Harvst’ uns so bringt. Die ‚Wedderutsichten’ sind für die nächsten Tage eher gemischmascht. Die ‚Frücht’ von dem Aesculus hippocastanum ‚drüppelt’ dir auf den ‚Deets’, wenn du nicht ‚oppasst’.

    Kastanien – Kastanjen, ook Christangel

Aber genug verwuselt hochdeutsch-geplattdeutscht. Wenn Ihr die nächsten Tage nicht viel von mir hören (lesen) werdet (Futur I), dann weil ich es mir gemütlich gemacht haben werde (Futur II – kommt selten vor).

Da fährt Sohnemann unser Auto zu Schrott (gottlob kein Personenschaden, alles andere ist bereits geregelt), und da versucht ‚ein neuer Besen besonders gut zu kehren’ (neue Mitarbeiterin beim ‚Jugendamt’ des Landkreises drangsaliert meine Frau, die in der Kindertagespflege als so genannte Tagesmutter tätig ist). Vielleicht später mehr …

25 Jahre Tatort Ludwigshafen mit Lena Odenthal

Am Sonntag löst Lena Odenthal in Ludwigshafen mit der Tatort-Folge Blackout nicht nur ihren 60. Fall in der ARD, sondern feiert gleichzeitig damit ihr 25. Dienstjubiläum (… hatte da nicht EIN ANDERER Anfang des Monat ebenfalls 25. Arbeitsjubiläum?).

    Ulrike Folkerts als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal im Einsatz

Damit ist sie derzeit die ‚dienstältestes’ Tatort-Ermittlerin. Die erste Folge Die Neue wurde am 29.10.1989 erstaufgeführt. Seit der Folge 10 (rund sieben Jahre später) steht Kollege Mario Kopper an Lena Odenthals Seite. Die bisher meisten Folgen haben allerdings die Münchner Kollegen Batic und Leitmayr (bisher 68 Folgen) abgedreht, die sich seit dem 01.01.1991 auf Mörderjagd befinden und die Kölner Ballauf und Schenk (61 Folgen seit dem 05.10.1997), wobei Kriminalhauptkommissar Max Ballauf bereits ab 17.05.1992 als Kriminalhauptmeister zusammen mit Hauptkommissar Bernd Flemming und Kommissarin Miriam Koch bei der Kriminalpolizei Düsseldorf gearbeitet hatte. Im Dienstalter folgen von den heute noch ermittelnden Kriminalbeamten Inga Lürsen (Bremen) seit dem 28.12.1997 und Moritz Eisner (Wiener Mordkommission) seit dem 17.01.1999.


Tatort Folge 882 (Ludwigshafen: Odenthal/Kopper): Freunde bis in den Tod

Lena Odenthal ist nicht die einzige Frau, die im Tatort ermittelt. Allerdings dauerte es über sieben Jahre seit Start des Tatorts bis zum 29.01.1978, bis mit Oberkommissarin Buchmüller aus Mainz in der 84. Folge der Tatort-Reihe die erste Frau als Hauptermittlerin auftrat.

siehe: weitere Tatort-Folgen mit Lena Odenthal bei youtube.

Auf letzter großen Tour: Joan Armatrading solo in Buchholz/Nordheide 23.01.2015

In den letzten Wochen und Tagen habe ich noch einmal genauer in viele der Alben von Joan Armatrading hineingehört (und damit auch alle ihre Alben hier in meinem Blog vorgestellt). Da passt es ‚wie die Faust aufs Auge’, wenn Joan jetzt persönlich ‚vorbeischaut’.

Wie die Zeit vergeht: Es ist bereits sechs Jahre her, dass ich zuletzt Joan Armatrading live bei einem Konzert gesehen habe. Am 10. August 2008 war sie mit Band in der ehrenvollen Fabrik in Hamburg aufgetreten. Und ich hatte zu diesem Konzert auch gleich meine ganze Familie mitgenommen (meine Söhne waren da gerade 14 und 17 Jahre alt). Es war ein schöner, gelungener Abend.

Jetzt nun begibt sich Joan Armatrading auf ihre ‚letzte große Tour’ und präsentiert sich dort zum ersten Mal solo (‚Joan’s last major tour and first solo concerts’):

‚I will never retire but this will be the last major tour that I will undertake.
For the first time these concerts will be me solo on stage playing the guitar and piano and singing. I want these concerts to be a special lively interactive one to one experience. I have absolutely enjoyed the last 42 years of performances but now, with my final major tour, I want to capture a unique memory for both myself and the audience.‘

Nach diesen ihren Worten wird sie zwar nie in Rente gehen, aber es wird ihre letzte große Tournee kreuz und quer durch die Welt sein (zz. weilt sie im weiterhin Vereinigten Königreich). Seit 42 Jahren ist sie auf den Konzertbühnen präsent und will nun solo, nur mit Gitarre, Klavier und Gesang, auftreten, um für sich und das Publikum eine einzigartige Erinnerung zu schaffen. Für diese letzten Konzerte wünscht sie sich, dass diese für alle als eine besonders lebendige zwischenmenschliche Erfahrung haften bleiben.

    JOAN'S LAST MAJOR TOUR AND FIRST SOLO CONCERTS

Es ist noch kein ganze Jahr her, da besuchte ich am 25. Oktober 2013 mit meinen beiden Söhnen ein Konzert mit Martin Barre (dem langjährigen Gitarristen von Jethro Tull) und Band. Es fand in der Empore in Buchholz, nur wenige Kilometer von meinem Wohnort Tostedt entfernt, statt. Genau hierhin wird sich nun auch Joan Armatrading am 23. Januar 2015 (ebenfalls ein Freitag) ‚verirren’.

Ich habe schon etwas gezögert, ob ich zu dem Konzert gehen werde. Joan Armatrading ist eine ausgezeichnete Gitarristin mit einem sehr eigenen, persönlichen Stil. Und auch dem Klavier vermag sie wundersame Klänge zu entlocken. Aber solo? Meine Frau hat mich dann doch überzeugt, zumal es das letzte Mal sein wird, um Joan live sehen zu können. Und so ziehen wir, meine Frau, meine beiden Söhne und ich, also am 23. Januar des nächsten Jahres in die Empore zu Buchholz ein, um den Klängen von Joan zu lauschen.

Wie das in etwa aussehen und sich anhören wird, vermittelt ein Video, das bei einem Konzert vor wenigen Tagen in Weston-super-Mare, England, aufgenommen wurde:


Love and Affection – Joan Armatrading – Weston-super-Mare 08.10.2014

Also bis dann, liebe Joan … in Buchholz/Nordheide!


Joan Armatrading interview – März 2014

Die Fratze des Grauens

    Dieser Dialekt. Das ist das Markanteste, das an Claus Weselsky, 55, auffällt, abgesehen von seinem akkurat gestutzten Schnäuzer. Er sächselt. Und redet von „glaren Bodschafden an den Arbeidgeber“, die „Eisenbohn“, über „Dariefverdräge“, unzureichende „Angebode“ und, aus seiner Sicht unvermeidbar, den „Arbeidsgampf“.
    Jeder Mensch spricht so, wie er spricht, aber bei Weselsky, geboren in Dresden, hat die Sprache eine eigene Bedeutung. Sächsisch ist laut einer Umfrage der unbeliebteste Dialekt im Land. 30 Prozent finden das Idiom „besonders unsympathisch“. Dass ihm das egal ist, dass er redet wie sonst keiner der wichtigen Arbeitnehmer-Vertreter, sagt einiges über sein Selbstverständnis.

Schaut man auf die Website der GDL, der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, dann blickt man zz. mindestens viermal (dreimal ist Mindestmaß) in die Visage eines Herrn Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL – für mich ist es die Fratze des Grauens.

    Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL – die Fratze des Grauens

Dank des Herrn Weselsky wird wieder einmal ein Arbeitskampf auf dem Rücken der Fahrgäste von Deutscher Bahn samt S-Bahn ausgetragen. Nach einem ersten neunstündigen Streik in der letzten Woche wurde dann seit gestern 14 Uhr (bis heute Morgen 4 Uhr) erneut gestreikt. Noch streikt die GDL stundenweise. Denke ich an das Jahr 2011 zurück, da wurde TAGELANG z.B. die metronom Eisenbahngesellschaft bestreikt.

Alle Bahnräder stehen still, wenn Herr Weselsky es will (gottlob, nicht alle Räder …)

Es geht nicht in erster Linie um einen verbesserten Tarifvertrag, es geht vor allem um die Gewerkschaft selbst und damit um Macht und Einfluss. Herr Weselsky fürchte um seinen Kopf:

Die GDL fordert nämlich nicht nur fünf Prozent mehr Lohn und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Sie will auch durchsetzen, dass sie künftig nicht nur die Lokführer vertritt, sondern auch andere Berufsgruppen wie Zugbegleiter. Für diese hat bisher die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Tarifverträge ausgehandelt. Die Bahn fürchtet konkurrierende Tarifverträge. Derweil plant die Bundesregierung ein Gesetz zur Tarifeinheit. Und das könnte dann vielleicht das Ende von GDL und damit von Herrn Weselsky sein.

Wer ist dieser Claus Weselsky, der Millionen von Bahnkunden und Pendler ‚auf der Strecke’ liegen lässt? Weselsky führt seit 2007 die GDL. Er gilt als „kompromisslos, mit eiserner Härte. Alle Entscheidungen fällt am Ende er. Als ‚Choleriker’ beschreibt ihn einer.“ – „‚Der duldet keinen Widerspruch’, sagt einer, der lange mit ihm in der GDL-Zentrale in Frankfurt am Main zusammengearbeitet hat. Die Leiter der sieben Gewerkschafts-Bezirke hat Weselsky persönlich ausgesucht. Die Organisation ist so schlagkräftig wie kaum eine andere, mit nur minimalem Aufwand kann sie das Land lahmlegen.“ – „Selbst Ex-Chef Manfred Schell, einst ein Förderer, hat sich von ihm abgewandt und staunt über Weselskys Eifer: ‚Der tut so, als würde er in den Heiligen Krieg ziehen.’ […] und fordert Weselskys Rücktritt.“ (Quelle: tagesspiegel.de)

Auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ kritisierte die streikenden Lokführer. Es werde immer offensichtlicher, dass es der GDL „vorwiegend um die Ausweitung ihres Machtbereichs geht und nicht um tarifliche Forderungen“, sagte Pro Bahn Bundessprecher Gerd Aschoff. „Und das macht die GDL mit Mitteln, die nicht mehr nachvollziehbar sind.“

Die Lokführergewerkschaft agiere zunehmend „auf dem Rücken der Fahrgäste“, sagte Aschoff. Wegen der kurzen Vorwarnzeiten hätten viele Fahrgäste keine Chance, sich auf die Einschränkungen im Bahnverkehr einzustellen.

Wenn aus Jägern Gejagte werden

Vielleicht kann jetzt der eine oder andere nachfühlen, wie es den Spaniern in den letzten Jahren erging. Die Iberer waren lange Zeit die Gejagten. Bis ins Endspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Brasilien war das deutsche Team Jäger und zudem erfolgreicher Jäger. Aber mit dem Gewinn des Weltmeistertitels ist es nun zum Gejagten geworden. Jede Mannschaft, die gegen Deutschland spielt, wird alles geben, um gegen die ‚beste Mannschaft’ der Welt zu bestehen.

Gejagte empfinden anders als Jäger. Und auch der Kopf ‚arbeitet’ anders. Natürlich hat die deutsche Mannschaft keine guten Außenverteidiger. Und im Sturm fehlt ein echter ‚Vollstrecker’. Aber es ist vor allem dieses ‚Gespenst’, das im Kopf der Spieler herumgeistert.

Mühte man sich im ersten Qualifikationsspiel zur nächsten Europameisterschaft 2016 in Frankreich gegen Schottland noch zu einem knappen 2:1-Sieg, so bot diese Woche Tage der Ernüchterung: der 0:2-Niederlage in Polen folgte ein mageres Unentschieden mit 1:1 gestern in Gelsenkirchen gegen Irland.

Schaut man auf die Statistik des Polenspiel, dann sieht man, dass die deutschen Spieler gar nicht so schlecht gespielt haben können:

    Statistik zum Spiel Polen – Deutschland 2014 - Endstand 2:0

Aber dann gibt es diese individuellen Fehler, die zu Gegentoren führen, während der eigene Angriff es verpasst, die guten Chancen in Tore umzusetzen. Alles wirkt überhastet, hektisch, ja verkrampft. Es fehlt einfach die Lockerheit. Die Köpfe der Spieler sind nicht frei. Und diese werden nicht freier dadurch, dass man im Vorfeld eines Spieles gewissermaßen nur noch über die Höhe des angepeilten Sieges spricht.

Noch ist Polen Deutschland nicht verloren. Sogar als Gruppendritte kann man sich noch (über Relegationsspiele) für Frankreich 2016 qualifizieren. Aber natürlich haben Löw und Co. höhere Ansprüche. Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Und vergessen, dass man ‚die beste Mannschaft’ der Welt ist. Dann davon ist man zz. ein weites Stück entfernt.

Trost spendet die Tatsache sicherlich nicht, dass auch andere große Fußballnationen ihre Probleme haben. Die Niederlande kassierte bereits die zweite Niederlage (siehe weiter unten). Auch Spanien startete mit stotterndem Motor. Die Griechen liegen fast ganz am Boden. Portugal tut sich schwer. England und Italien haben zwar ihre Spiele bisher alle gewinnen können. Aber Glanz und Glorie sehen anders aus.

Freude bereitet mir zz. die isländische Nationalmannschaft. Ich habe ja bekanntlich ein Faible für Island und alles Isländische. Und so gucke ich immer auch schon mal, wie sich Island im Fußball präsentiert. Zur WM 2014 hatte es Island in der Qualifikation immerhin als Gruppenzweiter hinter der Schweiz (Gruppe E) bis in die Play-Offs geschafft, scheiterte dort dann allerdings an Kroatien (0:0 und 0:2). Jetzt führt Island in Gruppe A der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft nach Siegen gegen die Türkei, in Lettland und zuletzt am Montag zu Hause gegen die Niederlande (2:0 – der erste Sieg der Isländer gegen die Holländer) mit neun Punkten und einem Torverhältnis von immerhin 8:0 Toren in der Hammergruppe mit eben den Niederlanden, Tschechien, der Türkei, Lettland und Kasachstan. Die Aussichten, einen der beiden ersten Plätze zu erobern sind also gut (und selbst ein dritter Platz könnte vielleicht genügen). Am 16.11.2014 spielt Island in Pilsen gegen Tschechien. Da könnte ein weiterer Grundstein zum Erreichen des EM-Turniers in Frankreich gelegt werden. Ich drücke auf jeden Fall ganz fest die Daumen!

Tatort (920) Wiesbaden: Im Schmerz geboren

Gestern mit einem Tag Verspätung den neuesten Tatort mit Ulrich Tukur als LKA-Ermittler Felix Murot gesehen. Was soll ich viel schreiben, wenn es Herr Tittelbach auf den Punkt bringt:

„Gegen die Rache eines Wahnsinnigen und die Methoden bolivianischer Drogenkartelle hat der gute Mensch aus Wiesbaden schlechte Karten. Das Fatale: Murot und jener Mann, der ihn und das BKA demütigen will, waren einst beste Freunde. Leichen pflastern nun den Weg des Heimkehrers: 47 Tote (?) – ein ‚Tatort’-Rekord, brutal aber ist ‚Im Schmerz geboren’ nicht wirklich. Es fließt Theaterblut, es werden Western-Tode gestorben, ein antiker Chorleiter warnt (‚Schickt die Kinder rasch zu Bette’) und das ‚Prinzip Tarantino’ wird telegen erprobt. Der Film von Florian Schwarz nach dem Buch von Michael Proehl ist mehr als ein Zitaten-Schatzkästlein; er bleibt Krimi, er bleibt spannend und ist dramaturgisch sehr komplex.“

Gruppenbild mit den Opfern aus ‚Im Schmerz geboren’

Ulrich Tukur als LKA-Mann Felix Murot aus Wiesbaden, das ist ein Ermittler der etwas anderen Art. In Folge 1 „Wie einst Lilly“ kämpft Murot nicht nur gegen das Böse, sondern auch gegen einen haselnussgroßen Tumor in seinem Kopf. In der 2. Folge „Das Dorf“ gerät Murot „in ein Horror-Dorf – und in höchste Lebensgefahr. Dieser ‚Tatort’ ist ein Lust-Objekt für Filmfans. Die latente Angst zaubert eine Spielwiese von kafkaesker Bedrohlichkeit. Dr. Mabuse und Edgar Wallace grüßen schwarzweiß aus der Gruft. Tukur glänzt in Film-Noir- & Musical-Ambiente – und Claudia Michelsen als sadistische Dorfärztin kommt mit der Spritze.“ In Folge 3 „Schwindelfrei“ darf Tukur aka Murot auch das machen, was er ganz gut kann: Der singt und spielt Klavier. Und spielt den Clown in einem heruntergewirtschafteten Zirkus. Natürlich gibt es eine erstochene Frau und ein Tatzeuge verschwindet. Vielleicht die bislang schwächste Folge aus der Murot-Reihe.

In „Im Schmerz geboren“ macht Murot das aber wieder gut. Ob’s nun 47 Tote sind (viele haben mehr gezählt – irgendetwas über 50), sei dahingestellt. Auf jeden Fall übertrifft Murot bei Weitem Herrn Tschiller – und das nicht nur in der Anzahl der Leichen. Dieser Tatort ist ein gelungener Mix aus Theater (Shakespeare lässt grüßen), Bildergalerie, klassischem Konzert (Musik von Bach bis Beethoven), französischem Film (Truffauts „Jules und Jim“ spielt eine nicht unerhebliche Rolle), Italowestern wie Spiel mir das Lied vom Tod und Filme a la Tarantino. Da sich alles aber gekonnt die Waage hält und der Aspekt Spannung nicht zu kurz kommt, so ist ein Kunst-Krimi der besonderen Art entstanden, der weit über übliche Krimikost hinausgeht und selbst manch hervorragenden anderen Tatort übertrifft. Ich liebe es geistreich und spannend. Und das ist dieser Film. Und trotz aller ‚Künstlichkeit’ so stimmt auch die ‚Psychologie’ der Charaktere. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Murot-Tatort noch zu toppen ist.

Übrigens habe ich Ulrich Tukur erst kürzlich in einem Tatort aus Frankfurt (Folge 552) mit den Kommissaren Dellwo und Sänger aus dem Jahr 2003 gesehen: Das Böse. Auch hier beeindruckt Tukur durch sein schauspielerisch gekonntes Auftreten. Er spielt den Herr Petzold, einen gediegenen Banker, der sich zuletzt als gefährlicher Psychopath entpuppt und sogar nicht davor zurückscheut, die Eltern der Oberkommissarin Sänger zu ermorden. Während er als Murot das Gute verkörpert, so zeigt sich Tukur in dieser Tatort-Folge auf beängstigende Weise als das personifizierte Böse.

‘Tatort’ und kein Ende

Man schrieb das Jahr 1969: Mit der von Herbert Reinecker geschriebenen Krimireihe „Der Kommissar“ warb das zweite Programm (ZDF) damals der ARD in Scharen die Zuschauer ab. Eine Konkurrenzserie musste her. So bekam Gunther Witte – da war er gerade Dramaturg beim WDR – vom damaligen Fernsehspielchef Günter Rohrbach den Auftrag dazu. Am 29. Nov. 1970 war es dann endlich soweit: der Tatort ging mit der Folge Taxi nach Leipzig mit Kommissar Trimmel (ab der 4. Folge Hauptkommissar) als Hamburger Ermittler auf Sendung.

Seitdem sind fast 44 Jahre vergangen – und immer noch ist es geradezu ein Ritual in Deutschland: am Sonntagabend ab 20 Uhr 15 wird Tatort im Ersten geguckt. Ich gehöre von Anfang an mit zu der großen Gemeinde der Tatort-Fans. Okay, es gab einige Unterbrechungen. Als meine Söhne noch klein waren, da gab es anderes zu tun. Aber seit einigen Jahren gucke ich wieder regelmäßig den Kommissaren über die Schulter bei der Ermittlung der Täter.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Für den Tatort gibt es übrigens drei Grundregeln, die fast immer eingehalten werden:
Es gibt immer einen Kommissar. Die Fälle müssen in der Lebensrealität der Zuschauer angesiedelt sein. Und, vielleicht die wichtigste Regel: die Regionalität.

Diese drei Grundregeln sind wohl denn auch bis heute die Gewähr für den andauernden Erfolg der Krimi-Reihe. Hinzu kommt für mich, wie hier oft gesellschaftliche Themen ihren Niederschlag finden. Und natürlich ist es die ‚psychologische Seite’, die mich interessiert.

Sonntags ab 20 Uhr 15 gibt es also, von einer Sommerpause abgesehen, in der ARD (‚dem Ersten’) den Tatort. Natürlich wird eine Erstsendung immer gleich wiederholt (z.B. auf Einsfestival um 21 Uhr 45 und um 23 Uhr 45 – für die Spätheimkehrenden). Und alte Folgen gibt es laufend in den dritten Programmen – hier die Sendetermine. Allein innerhalb des letzten halben Jahres habe ich so über 100 Folgen in HDTV (1280 × 720 Pixel) aufgenommen und meine Sammlung an digitalen Tatort-Sendungen auf zz. über 370 anwachsen lassen (allerdings nicht alles in HDTV).

Natürlich gibt es den Tatort auf DVD zu kaufen – und selbstredend findet man bei Youtube auch immer wieder Tatort-Folgen (hier habe ich z.B. 19 der ersten 20 Folgen gefunden).

Inzwischen habe ich auf diesem Blog auch eine neue Kategorie (Rubrik – wie man es auch immer nennen will) eingerichtet: Tatort – Tatort-TV-Reihe der ARD (seit 1970) – siehe auch rechts unter dem Facebook-Knopf.

Hier noch zwei Links zu Wikipedia, die für Tatort-Fans unerlässlich sind.

Alles Wesentliche zur TV-Reihe bei Wikipedia
Liste aller Tatort-Folgen bei Wikipedia

Selbstverständlich gibt es auch so etwas wie eine Rangliste aller Tatort-Sendungen. Man kann natürlich davon halten, was man will. Aber viele Folgen, die mir besonders gefallen haben, finden sich hier zumindest im oberen Feld.

Ich will hier und heute nicht ganz so in die Tiefe gehen. Aber wer Tatort mag (und das sind eben nicht wenige), der wird natürlich auch schnell seine Lieblinge gefunden haben. Ich kenne, wie gesagt, die Tatort-Reihe von Anfang an, kenne fast alle Kommissare (es gab natürlich auch einige Eintagsfliegen). Als erstes muss ich natürlich Horst Schimanski nennen, den etwas anderen Kriminalhauptkommissar, der ab 1981 zehn Jahre in Duisburg ermittelte. Besonders großer Beliebtheit erfreuen sich seit 2002 Kriminalhauptkommissar Frank Thiel und Rechtsmediziner Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne, die in Münster auf Mörderfang gehen. Auch bei uns zu Hause gucken wir uns die Wortgefechte zwischen diesen ungleichen Partnern immer wieder gern an (Thiel und Boerne sind Kult!). Daneben hat es mir vor allem aber Klaus Borowski angetan, der in Kiel und Umgebung den Verbrechern das Leben schwer zu machen droht. Vielleicht mag ich ihn, weil er doch einiges mit mir gemeinsam hat. Mit Sicherheit liegt es aber auch an den außergewöhnlich guten Drehbüchern (2009 lieferte der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell die Vorlagen für zwei Borowski-Drehbücher – ansonsten hat Sascha Arango bisher fünfmal die Vorlage geliefert; erst gestern habe ich die Folge 343 aus Ludwigshafen aus dem Jahr 1996: Der kalte Tod nach einem seiner Drehbücher gesehen – wirklich hervorragend).

Soviel für heute. So peu à peu werde ich hier die eine oder andere Folge, den einen oder anderen Kommissar der Tatort-Serie vorstellen, dabei möglichst auch das Video dazu verlinken. Bei bis heute 919 Folgen (nach offizieller Zählung, eigentlich sind es bereits 932 Folgen) gibt’s da viel Material.

Hier meine bisherigen Beiträge zum Thema Tatort:

Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull
Horst Schimanski, Duisburg
Tatort: Thiel und Boerne
Willkommen im neuen Tatort Hamburg
Schweiger, der Rächer
Münsteraner Mörderland
Tatort Saarbrücken: Eine Handvoll Paradies
Martin Walser und der Tatort
Schimanski – den ganzen Schimanski
Der neue Schimanski: Loverboy
Tatort Duisburg vs. Erfurt = alt gegen jung?
Tatort auf Tatort …
Schimanski & Brakelmann
Schimanski zum Ersten: Duisburg-Ruhrort (1981)

Joan Armatrading: Lovers Speak (2003)

Mit ihrem Album What’s Inside (1995) hatte sich Joan Armatrading für fast acht Jahre musikalisch verabschiedet, zumindest was das Veröffentlichen einer weiteren eigenen Studio-CD betraf. Im Dezember 1998 hatte sie immerhin noch eine CD mit dem Titel „Lullabies With A Difference“ zugunsten einer Kinderwohltätigkeitsorganisation namens PACES herausgebracht, die Beiträge von Mark Knopfler, Jools Holland, Midge Ure, Tina Turner, The Cranberries, Melissa Etheridge, Brian May und Taylor Lewis enthält; alles Künstler, die Joan bewunderte und die sie um Unterstützung ersuchte.

Hommage auf Nelson Mandela: The Messenger - von Joan Armatrading (1999)

Im Jahr 1999 schrieb sie ein Lied (The Messenger) als Hommage auf Nelson Mandela und führte dieses Lied auch im Beisein des ersten schwarzen Präsident von Südafrika und Friedensnobelpreisträger auf. Ansonsten beschäftigte sich Joan Armatrading mit anderen Sachen. So studierte sie im Fernstudium an der Open University und erhielt ihren Bachelor (Honours) in Geschichte im Jahr 2001. Später erhielt sie sogar drei Ehrendoktorwürden im Bereich Musik der University of Birmingham (2002), Royal Scottish Academy of Music and Drama (2008) und Open University (2013). Außerdem ist Joan Armatrading Member of The British Empire (MBE 2001).


Joan Armatrading: The Messenger (1999)

Joan Armatrading: Doktorat 28. Juni 2008 an der Royal Scottish Academy of Music and Drama, Glasgow (Honorary Doctorate Music)

Es dauerte also bis zum 25. März 2003, bis Joan Armatrading ihr insgesamt 15. Studioalbum herausbrachte: Lovers Speak. Die Scheibe wurde bei G2 Music aufgenommen und bei Denon Music, einem Teil der Savoy Label Group, veröffentlicht.

    Joan Armatrading: Lovers Speak (2003)

Auf Lovers Speak, das Joan Armatrading vollständig allein komponierte, textete, arrangierte und produzierte, spielt sie auch alle Instrumente – bis auf Schlagzeug und die Bläsersätze auf zwei Stücken (Saxophon und Trompete) – selbst. Gewidmet wurde das Album Joans guten Freunden Gus Dudgeon und seiner Frau Sheila Bailey, die beide bei einem Autounfall im Juli 2002 getötet worden. Gus Dudgeon hatte ihr Debüt-Album Whatever’s for Us im Jahr 1972 produziert.

Nun die Jahre waren nicht völlig ungeschadet an Joan Armatrading vorübergezogen. Nicht nur, dass sie ‚kleinere Brötchen’ backen musste (für das Vorgängeralbum hatte ihr die Plattenfirma neben vielen namhaften Studiomusikern nicht nur ein ganzes Orchester zur Untermalung bereitgestellt, sondern auch noch ein bekanntes Streichquartett und eine Bläsergruppe), auch scheint sie mir etwas ‚aus der Übung’ gekommen zu sein. Das betrifft ihre Stimme, die deutlich gereift ist, aber auch ihr Gitarrenspiel. Okay, auf ‚What’s Inside’ hatte sie noch einmal richtig einen Zahn zugelegt. Acht Jahre später war sie inzwischen 52 Jahre alt und damit ruhiger und bedachter geworden. Das Spielen der Keyboards hatte sie zuvor anderen überlassen können. Jetzt haute sie wieder selbst in die Tasten. Und selbst den Bass entlockte sie Töne, wenn auch eher schlicht gestrickt (und bei einigen Stücken verzichtete sie ganz auf dieses Instrument). Am Ende tut es aber diesem Album gut. Manches Frühere war für mich zu überarrangiert. ‚Lovers Speak’ kommt eher schlicht daher, ist gerade dadurch aber wieder näher bei der Joan Armatrading früher Jahre.

In einem Interview für die Washington Post im Juli 2003 sagt sie über die Lieder dieses Albums, dass diese von den Reaktionen der Menschen handeln die Liebe betreffend: Alles was in der Liebe passiert, das sich Verlieben und wie man das sich Verlieben ‚überlebt’ (that they „are about people’s reactions to love and what happens in love, falling in love and how to survive falling in love“.)

Hier zunächst die Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert, arrangiert und produziert)

1. „Lovers Speak“ – 5:59
2. „Physical Pain“ – 3:24
3. „In These Times“ – 3:16
4. „Waiting“ – 2:52
5. „Prove Yourself“ – 3:33
6. „Fire And Ice“ – 3:26
7. „Love Bug“ – 3:20
8. „Let’s Talk About Us“ – 3:59
9. „Ocean“ – 3:33
10. „Tender Trap“ – 4:09
11. „Less Happy More Often“ – 3:53
12. „Crazy For You“ – 4:09
13. „You Make Your Bed“ – 3:52
14. „Blessed“ – 1:49
15. „Lovers Speak“ (Radio Edit) – 3:32

Das Album beginnt gleich mit dem Titellied „Lovers Speak“, einen poppigen, angenehm anzuhörenden Opener mit Ohrwurmqualität. Dem Gesang wurde hier noch ziemlich ‚overdubbed‘ nachgeholfen:


Joan Armatrading: Lovers Speak

„Physical Pain“ kommt mit Bluescharakter daher und klingt im Zusammenspiel von Gitarre und Klavier etwas abgehakt. In der Mitte gibt es ein erstes Gitarrensolo von Joan. Das Lied handelt offensichtlich vom ‚Liebesschmerz’:


Joan Armatrading: Physical Pain

„In These Times“ ist ein sehr bewegendes Lied und passt in unsere Zeit, in der Terror die Welt in Atem hält. Joan begleitet sich auf dem Klavier. Im Hintergrund sind Strings (Streicher) zu hören, ebenfalls auf dem Keyboard gespielt:


Joan Armatrading: In These Times

In „Waiting“, einem Blues, erklingt eine ‘schmetternde’ akustische Gitarre. Als Untermalung dient die elektrische Gitarre:


Joan Armatrading: Waiting

„Prove Yourself“ swingt mit akustischer Gitarre und diversen Keyboardeinsätzen, die andere Instrumente imitieren (ich höre u.a. ein Zylophon heraus). Das Stücke enthält wiederum ein kurzes Solo auf der elektrischen Gitarre:


Joan Armatrading: Prove Yourself

„Fire And Ice“ ist ein langsames Lied mit Wechselgesang durch Joan. Wieder klingt ein Keyboard mit String-Unterstützung:


Joan Armatrading: Fire And Ice

„Love Bug“ ist so etwas wie ein ‘Gute-Laune-Stück’ mit Bläsern und stampfenden Bass und Perkussion. In kurzen Zwischenspielen erklingt auch eine elektrische Gitarre:


Joan Armatrading: Love Bug

„Let’s Talk About Us“ beginnt mit akustischer Gitarre und dem Gesang von Joan. Dann klingt es wie ein Vortrag von Richie Havens: Joan haut in ihre akustische Gitarre, dazu hämmern Congas – als weiteren Höhepunkt ein feines Solo auf der elektrischen Gitarre:


Joan Armatrading: Let’s Talk About Us

„Ocean“ ist besonders anfangs und in Zwischenpassagen ein Anklang an alte Zeiten mit Joan Armatrading. Getragen wird das Lied wiederum durch akustische Gitarre und Perkussionsinstrumente:


Joan Armatrading: Ocean

„Tender Trap“ ist ein schönes, leicht-lockeres Lied im Reggae-Stil. Da darf auch der Bass wieder einmal etwas mehr wummern. Die Mandoline dient zur Untermalung. Und dann erklingt auch noch eine Mundharmonika. Das Lied endet mit elektrischer Gitarre:


Joan Armatrading: Tender Trap (Liveversion von der DVD: All the Way From America, Juni 2003)

„Less Happy More Often“ ist ein Wechsel zwischen Piano und akustischer Gitarre und ein eher langsames Stimme, das durch die kraftvolle Stimme Joans bestimmt wird:


Joan Armatrading: Less Happy More Often

Mit „Crazy For You“ folgt ein weiteres langsames Stück mit Keyboards, in dem der Bass wieder etwas brummen darf:


Joan Armatrading: Crazy For You

„You Make Your Bed“ ist ein durch Bass und Schlagzeug rhythmisch betontes Stück. Dazu erklingt die akustische Gitarre im Hintergrund, dann die elektrische Gitarre:


Joan Armatrading: You Make Your Bed

Mit „Blessed“ endet die eigentliche CD. Es ist ein langsames Stück und enthält erst Keyboards, dann die akustische Gitarre – am Ende hören wir dann noch ein Saxophonsolo. Für Joan ist das Lied ein Dank an ihr Leben, das sie hat: „It’s not about fame and money, it’s just life and how you feel.“ („Es geht nicht um Ruhm und Geld, es ist nur das Leben und wie du dich fühlst.“)


Joan Armatrading: Blessed

Auf meiner CD folgt noch die ‘Radio Edit’, die verkürzte Radiofassung des Titelsongs „Lovers Speak“.

Als das Album 2003 erschien, war die Freude groß, endlich einmal wieder etwas Neues von Joan Armatrading zu hören. Und da sie sich auf dem Album der alten Tugenden früherer Jahre bediente, gewissermaßen ‚zurück zu ihren Wurzeln’ kehrte, war die Freude beim Hören noch um einiges größer. Joan war reifer, auch körperlich fülliger geworden. Der Spaß, ja die Freude an dem eigenen Schaffen, vor allem wenn man vieles inzwischen viel lockerer sieht, überträgt sich auch auf den Zuhörer.

Salman Rushdie: Die satanischen Verse

    „… daß er [Gibril] sich verändert hatte, und zwar in erschreckendem Ausmaß, denn er hatte seinen Glauben verloren.“
    Salman Rushdie: Die satanischen Verse (S. 47)

Die satanischen Verse (englischer Originaltitel The Satanic Verses) ist ein Roman des Schriftstellers Salman Rushdie, der von indischen Immigranten in Großbritannien handelt und teilweise vom Leben des Propheten Mohammed inspiriert ist. Das Erscheinen des Buches am 26. September 1988 löste eine Reihe von Protesten und Gewalttaten von Muslimen aus.

Salman Rushdie wurde 1947 in Bombay geboren und studierte in Cambridge Geschichte. 1983 erregte er mit dem Roman ‚Mitternachtskinder’ weltweit Aufsehen. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung des Romans ‚Die satanischen Verse’ im Jahr 1988 sprach der iranische Revolutionsführer Khomeini wegen Blasphemie eine Fatwa über Rushdie aus. Seither lebt der Autor, dessen Bücher vielfach ausgezeichnet wurden und in über zwei Dutzend Sprachen übersetzt vorliegen, an einem unbekannten Ort in England.
(aus dem Klappentext)

    Salman Rushdie: Die satanischen Verse

Am 14. Februar 1989 rief Chomeini in einer Fatwa (verbunden mit einem Kopfgeld) alle Muslime zur Tötung des Schriftstellers Salman Rushdie auf, auf Grund der von ihm als blasphemisch erachteten Äußerungen gegen den Propheten Mohammed in Rushdies Roman „Die satanischen Verse“:

„Ich ersuche alle tapferen Muslime, ihn, gleich wo sie ihn finden, schnell zu töten, damit nie wieder jemand wagt, die Heiligen des Islam zu beleidigen. Jeder, der bei dem Versuch, Rushdie umzubringen, selbst ums Leben kommt, ist, so Gott will, ein Märtyrer.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Die Fatwa war auch Todesurteil für alle, die an der Veröffentlichung beteiligt waren und den Inhalt des Buchs kannten, das gegen den Islam, den Propheten und den Koran sei. So wurden auf mehrere Übersetzer des Buchs Anschläge verübt. Der italienische Übersetzer Ettore Capriolo wurde am 3. Juli 1991 in seiner Wohnung in Mailand durch Stiche verletzt und der japanische Übersetzer Hitoshi Igarashi am 11. Juli 1991 im Gebäude seines Büros an der Universität Tsukuba erstochen. Der norwegische Verleger, William Nygaard, wurde durch Schüsse schwer verletzt.

Ich habe den Roman Die satanischen Verse in folgender Auflage vorliegen: Knaur 60648 – vollständige Taschenbuchausgabe März 1997, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München – ein Übersetzer ist aus verständlichen Gründen nicht genannt.

    Satan, zu einem vagabundierenden, rastlosen, unsteten Dasein verurteilt, kennt keine fest Bleibe; denn obgleich er, infolge seiner engelhaften Natur, über ein Reich zerfließender Wüstenei und Luft herrscht, so ist es doch gewißlich Teil seiner Strafe, daß er … ohne jeden angestammten Ort oder Raum ist, der es ihm gestatten würde, seinen Fuß darauf ruhen zu lassen.
    Motto zum Roman von Daniel Defoe: The History of the Devil

„Satanische Verse“ ist die Bezeichnung für eine Episode in der Biographie von Mohammed, die mit der 53. Sure „Der Stern“ (al-Nadschm) zusammenhängt. Dort geht es um die in der Kaaba in Mekka verehrten alten Gottheiten. Nach einer Überlieferung erlaubte Mohammed, die Göttinnen Al-Lat, Al-Uzza und Manat um Fürsprache anzurufen, widerrief die entsprechenden Verse jedoch bald, da sie nicht vom Erzengel Gabriel, sondern vom Satan eingegeben sein sollen.

Inhaltsangabe:

I Der Engel Gibril
II Mahound
III Ellohenn Deeohenn
IV Aischa
V Eine Stadt: Sichtbar, aber ungeschaut
VI Rückkehr nach Jahilia
VII Der Engel Asrael
VIII Die Teilung des Arabischen Meers
IX Eine wunderbare Lampe

Der Roman beginnt damit, dass zwei indische, aus Bombay stammende Muslime, Saladin (Salahudin) Chamcha und Gibril Farishta, nach der Explosion eines von Extremisten entführten Jumbo Jets an der Ostküste von England ohne Fallschirm vom Himmel fallen, überleben und glauben, verwandelt, wiedergeboren zu sein. Gibril, ein beliebter Bollywood-Schauspieler und Darsteller von Gottheiten, erhält nach dem Absturz einen Heiligenschein. Saladin, ein nicht minder erfolgreicher, seine Herkunft verleugnender Stimmenimitator, verwandelt sich äußerlich langsam in ein „Ungeheuer“ mit Fell, Hörnern und Schwanz, nimmt also ein teufelsähnliches Aussehen an. Aufgrund dieses Aussehens von der Polizei verfolgt, wird Saladin vom Liebhaber seiner englischen Ehefrau in London in einem bengalischen Café versteckt, wo er trotz seines zunehmend veränderten Aussehens gute Freunde findet und zum Symbol des Widerstands gegen fremdenfeindliche Gruppierungen wird. Gibril andererseits gelingt es, sein ehemaliges Leben weiterzuführen, wird aber zunehmend von der Vorstellung geplagt, die Inkarnation des gleichnamigen Erzengels zu sein, entfremdet sich von seiner Umwelt und wird geisteskrank. Saladin erhält nach einigen Leiden sein ursprüngliches Aussehen zurück, trifft auf seine Nemesis und wird von ihr während gewalttätiger Unruhen aus dem brennenden Café gerettet. Bevor er zu sich selbst findet, rächt sich Saladin mit „satanischen Versen“ (Verzweiflungstaten auslösender Telefonterror) an Gibril, der ihn nach ihrer wundersamen Rettung aus dem explodierten Flugzeug im Stich gelassen hatte.

In den Erzählstrang um Gibril und Saladin verwoben ist die Geschichte des Propheten Mohammed, der im Roman Mahound heißt, und dessen Kampf gegen die Göttin Al-Lat und das vorislamische Mekka. Gibril ist gleichzeitig Zuschauer, Werkzeug und Akteur zweier weiterer Handlungsstränge des Romans: Der von Wundern und Unglücken begleiteten Haddsch eines kleinen südindischen Dorfes gegen den Widerstand seines säkularen Zamindars (Großgrundbesitzer) sowie eines im Exil lebenden Imams, zu dessen unfreiwilligem Werkzeug Gibril wird („Reise nach Jerusalem“ und Vernichtung von Aischa). Diese Erzählstränge sind als „Träume“ Gibrils beziehungsweise des Erzengels Gabriel gestaltet.

Personen des Romans mit Zeit und Ort

I. Bombay – London (im Roman auch Ellohenn Deeohenn genannt) usw. um das Jahr 1961„ein Jahr, das man auf den Kopf stellen konnte …“ (S. 62)

Dara Singh – Buta Singh – Man Singh und Tevleen (Frau), Terroristen im Flugzeug AI-420 („Bostan“))

Gibril Farishta, indische Schauspieler (Götterrollen), (Erzengel Gabriel, auch als Asrael, der Würgeengel) – geboren als Ismail Najmuddin (Stern des Glaubens) in Poona – stirbt zuletzt durch Freitod

Najmuddin Sen., Vater, stirbt als sein Sohn 20 Jahre alt ist (Essensläufer)
Naima Najmuddin, Mutter

Babasaheb Mharte (nimmt Gibril in jungen Jahr auf)

Rekha Merchant, Gibrils frühere Geliebte, Nachbarin in Everest-Vilas/verheiratete Geschäftsfrau – nimmt sich mit ihren Kindern das Leben durch Sprung vom Dach eines Hochhauses

John Maslama, Vertreter des ‚universellen Glaubens’, wie ihn Kaiser Akbar entwickelt hat; später Besitzer des Hot-Wax-Nachtclubs usw.

Alleluja Cone, Gibrils blonde Frau, Bergsteigerin, Besiegerin des Mount Everest (stirbt am Ende durch Sprung von Dach eines Wolkenkratzers – wie Rekha Merchant)
Alicja Cone, ihre Mutter
Otto Cone (früher: Cohen aus Warschau), ihr Vater
Elena Cone, ihre Schwester
(Professor Boniek, späterer Lebenspartner von Alicja)

Pimple Billimoria, extrascharfe Sexbombe und Starlet, Gibrils ‚letzte Verflossene‘

Saladin Chamcha, eigentlich: Salahuddin Chambachawala, indische Rundfunksprecher (Stimmenimitator), will perfekter Engländer sein (mutiert zeitweise zum Teufel)

Changez Chambachawala, sein Vater, reich durch Kunstdünger etc.
Nasreen Chambachawala, seine Mutter
Nasreen II, 2. Frau von Changez
Ayah Kasturba, Kindermädchen

Mimi Mamoulian, weibl. Gegenstück zu Saladin (als Rundfunksprecherin), Jüdin
Billy Battuta, pakistanischer Playboy, Supertanker-Besitzer etc., Hochstapler
(Aileen Struwwelpeter)

Pamela Chamba, geb. Lovelace, Saladins Frau – lebt mit Saladin in einer fünfstöckigen Villa in Notting Hill
Zeeny Vakil, Saladins Geliebte in Bombay
Jamshed „Jumpy“ Joshi, Pamelas Geliebter

Café Shaandaar in der Brickhall High Street, London:
Muhammed Sufyan, Eigentümer
Hind Sufyan, seine Frau
Mishal, Tochter
Anahita, Tochter
Hanif Johnson, Rechtanwalt

Dr. Uhuru Simba (eigentlich Sylvester Roberts aus New Cross)
(Pinkwalla, der Didschäy (eigentlich Sewunker))
Inspektor Stephan Kinch, für die Nachbarschaftspflege zuständiger Beamter

Hal Valance, Schöpfer der Aliens Show / Filmbranche
S. S. „Whisky“ Sisodia, indischer Filmproduzent (stottert leicht) – wird später ‚erschossen‘ aufgefunden (stirbt gleichzeitig mit Alleluja Cone)
(Jeremy Bentham, Musicalgenie)

George Miranda, marxistischer Filmemacher, Freund Zeenys
Swatilekha, Bengalin, später Georges Freundin
Bhupen Ghandi, Dichter und Journalist, Freund Zeenys

Eugene Dumsday, Bekanntschaft aus dem Flugzeug, Fußsoldat im christlichen Heer des Herrn
(Jalandri, mausähnliche, ziegenbärtige Geisel im Flugzeug)

Rosa Diamond, 88-jährige Frau, wohnt am Strand, wo Gibril und Saladin angeschwemmt werden
Henry Diamond, ihr verstorbener Mann (Don Enrique), beide lebten in Argentinien

Hyacinth Phillips, Krankengymnastin (Saladin als Patient)
Orphia Phillips, ihre Schwester (U-Bahn-Aufzugführerin)
Uriah Moseley, Freund Orphias (U-Bahn-Aufzugführer)
Rochelle Watkins, Bahnhofsschönheit (Nachfolgerin von Orphia, u.a. als U-Bahn-Aufzugführerin)

II. Vorzeit in Jahilia, Stadt gänzlich aus Sand erbaut – Quelle von Zamzam, neben dem Haus des Schwarzen Steins – die Oase Yathrib

Die drei Göttinnen (S. 136):
Uzza – Göttin der Schönheit und Liebe
Manat – die Schicksalsgöttin
Ilat (Al-Lat, die Göttin) – Muttergöttin (Lato bei den Griechen) — Allahs Gegenstück

Mahound (Mohammed)
Khalid, der Wasserträger
Salman, ‚Tippelbruder’ aus Persien
Bilal, von Mahound freigekaufter Sklave

Die 12 Frauen Mohammeds:
Aischa
Sawdah
Hafsah
Umm Salamah, die Makhzumitin
Ramlah
Zainab bint Jahsh
Juwairiyah
Rehanah, die Jüdin
Safia
Maimunah
Maria, die Koptin (aus Ägypten)
Zainab bint Khuzaimah

Karim Abu Simbel, Grande von Jahilia
Hind, seine Frau

Baal, der Satiriker

III. Im Exil

Imam, ein Verbannter/Mann im Exil (Khomeini)
Khalid, sein Sohn
Bilal X, amerikanischer Sänger und Konvertit
Salman Farsi, diensthabender Wächter

IV. ein kleines indisches Dorf namens Titlipur

Bibiji, heilige Frau, die 240 Jahre alt wurde
Aischa, fallsüchtiges Waisenkind

Mirza Said Akhtar, Zamindar (Großgrundbesitzer)
Mishal, seine Frau

Osman, ein Unberührbarer mit ‚Bum-Bum’-Ochse
Srinivas, der Spielzeugfrabrikant

Ich habe den Roman in diesen Tagen erneut gelesen, während die dschihadistisch-salafistische Terrororganisation IS weiter Teile des Irak und Syriens besetzt und dort ein mörderisches Regime eingerichtet hat. Ihr Anführer, Abu Bakr al-Baghdadi, regiert als selbst ernannter Kalif, womit der Anspruch auf die Nachfolge des Propheten Mohammed als politisches und religiöses Oberhaupt aller Muslime verbunden ist.

Ich gestehe, zu wenig vom Islam zu wissen, um mir ein genaues Urteil zu erlauben. Aber wie schon immer in der Geschichte, so sehe ich in der Ausdehnung des IS in erster Linie einen Machtanspruch, der sich besonders auch an wirtschaftlichen Interessen orientiert (sic!), dem die Religion nur als Vorwand dient. Und es ist die Bestie Mensch, die zu solchen Gräueltaten, wie sie der IS verübt, fähig ist.

Salman Rushdie entstammt einer muslimischen Familie. Sein Roman ist u.a. die Geschichte eines Glaubensverlustes, den er allerdings nicht vernunftmäßig zu begründen sucht, sondern in einer Sprache, die mit der orientalischen Lust am Fabulieren „ein fulminantes Gewirr fantasievoller, grotesker und wahnwitziger Geschichten auf[türmt]. Weit ausschweifend denkt er sich fortwährend neue Nebenfiguren und –handlungen aus. Mühelos springt er zwischen Indien, Arabien und England, surrealer Wirklichkeit, Wahnvorstellungen und Trauminhalten hin und her.“ (Quelle: dieterwunderlich.de)

Es geht als um Glaube wie um Zweifel. „Es geht aber auch um die Gegensätze Gut und Böse, Liebe und Hass, Rache und Vergebung, Wahn und Rationalität, Kompromisslosigkeit und Pragmatismus, Orient und Okzident. Salman Rushdie warnt davor, dass die junge, urbane Elite Indiens ihre Identität verliert, wenn sie die traditionellen religiösen, kulturellen und sozialen Bindungen zugunsten zweifelhafter Werte der globalen, westlich geprägten Massenkultur aufgibt. Zugleich wendet er sich gegen jede Art politischer oder religiöser Bevormundung.“

Manchmal erinnert mich der Roman an feinfühlig-satirisch burleske Werke wie die von Cervantes (Don Quijote) und Rabelais (Gargantua und Pantagruel). Aber natürlich blitzt auch immer wieder die Fantasiewelt aus Tausendundeiner Nacht auf. Und ich muss an Nagib Machfus denken, dessen Kairo-Trilogie das Leben in Ägypten zwischen den beiden Weltkriegen beleuchtet und gegen den ebenfalls in einer Fatwa ein Todesurteil wegen Gotteslästerung verhängt worden war.

Der Roman ist ein Werk gegen jene Humorlosigkeit iranischer Ajatollahs, die in ihrem Glaubenseifer alles niedermachen, und gegen das Brandschatzen selbst ernannter Kalifen. In seiner überquellenden Fabulierlust ist es vor allem ein Werk, das zu Menschlichkeit, zu Verständnis und Toleranz aufruft.

„Dieser Roman ist das überaus vielstimmige, Geschichte und Gegenwart durcheinanderwirbelnde, von Einfällen überbrodende und trotz eines ‚Happy-End’ letztlich tieftraurige Manifest eines endgültigen Glaubensverlustes. Seinen literarischen Rang gewinnt das Buch durch eine scheinbar paradoxe Entscheidung seines Autors. Denn Rushdie erzählt diesen Glaubensverlust nicht im Sinne rationaler Welterfahrung: er benutzt vielmehr alle ihm zu Gebote stehenden Mittel des Phantastischen und des Wunderbaren, um sein Pandämonium der entgöttlichen Welt zu veranschaulichen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Die schlechteste Abwehr der Liga

Gegen den SC Freiburg sollte unbedingt ein Sieg her – so klar war die Aufgabenstellung vor dem 7. Bundesligaspieltag. Am Ende stand es 1:1, das zweite Unentschieden im Weserstadion. Mit gerade einmal vier Punkten aus sieben Spielen ist der SV Werder Bremen nun sogar auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht.

Ich war etwas zu optimistisch. Vor drei Wochen sah ich die Bremer auf einem guten Weg. – und das nach drei Unentschieden. Dem folgten drei Niederlagen in Folge. Und jetzt das Unentschieden gegen die Freiburger, das schon als Schicksalsspiel hochstilisiert wurde.

Werder ist und bleibt die ‚Schießbude der Liga’ und hat mit 16 Gegentreffern die schlechteste Abwehr der Bundesliga. Dabei hat man sogar noch Glück, denn pro Spiel kommt noch ein Pfosten- bzw. Lattentreffer im Schnitt hinzu, soviel hat keine andere Mannschaft bisher kassiert. Okay, dem stehen immerhin 10 geschossene Tore gegenüber (entspricht dem Mittelfeld) und mit Franco di Santo (4 Tore) hat man sogar einen Stürmer, der sich zz. ganz oben in der Torschützenliste einreiht.

    Werder Bremen: Wohin geht die Reise?

Tore entscheiden nun einmal ein Spiel: Gegentore, die die Abwehr verhindern sollte – und Tore, die zu erzielen sind – von wem auch immer. Wo hapert es also im Augenblick bei Werder? Es sind oft individuelle Fehler, Fahrlässigkeiten, die zu Gegentoren führen. Außerdem scheinen die Spieler besonders beim Spielbeginn (z.B. zum Beginn der 2. Halbzeit gegen Schalke) noch nicht voll und ganz aufs Spiel konzentriert zu sein. Wie schon in den letzten Jahren so kassieren die Bremer auch jetzt wieder oft früh ihre Gegentore und laufen dann einem Rückstand hinterher. Und vorn im Angriff: Da gibt es z.B. so eine Pappnase wie Eljero Elia, der es besonders schön machen will und den Ball über den Torwart lupft statt direkt zu schießen. Der Ball geht natürlich auch übers Tor.

Was ärgerlich ist, dass ist dieses ‚Schönreden’ (auch das kennen wir von früher her). Natürlich hat man sowohl gegen Hoffenheim und Schalke (trotz der 0:3-Niederlage) als auch am letzten Samstag gegen Freiburg ‚gut’ gespielt und viele Torchancen gehabt. Aber Fakt ist und bleibt: man hat unnötige Tore kassiert und eigene Chancen nicht verwertet. Schönen Worten folgen keine entsprechende Taten.

Wohin führt jetzt also der weitere Weg? Erst einmal hat man Länderspielpause, was vielleicht ganz gut ist. Am 18. kommt’s dann aber auch gleich wieder ganz dick: Alles andere als eine Niederlage in München gegen die wieder stark aufspielenden Bayern muss als Wunder gewertet werden.

Wichtig ist, dass man sich bei Werder nicht ‚verrückt’ machen lässt. Nutzt die Pause, um den Kopf möglichst frei zu bekommen. Haltet vor allem ganz einfach die Klappe, trainiert das, was ihr irgendwie nicht so ganz draufhat – und zeigt dann endlich, wo Fin Bartels das Weserwasser holt, um es einmal so zu sagen.

Nach sieben fetten Jahren ist Werder zz. im fünften mageren Jahr. Auch wenn es keiner so richtig wahrhaben will, aber auch diese Saison wird wieder ein Kampf gegen den Abstieg werden. Und obwohl ich es etwas verfrüht und geradezu unfair finde, aber „schon jetzt wird über [den] Dutt-Nachfolger spekuliert – und es fällt immer wieder der Name Viktor Skripnik, der aktuelle U23-Coach. 1998/99 kam die Rettung auch aus der zweiten Mannschaft. Sie hieß Thomas Schaaf. Dazwischen durfte aber noch ein gewisser Felix Magath beweisen, dass Trainerwechsel auch völlig falsch sein können.“ (Quelle: kreiszeitung.de)