Archiv für den Monat: Oktober 2012

Ist Steinbrück die richtige Wahl?

Nächste Woche ist es wieder soweit. Die US-Amerikaner wählen ihren Präsidenten. Anders als bei uns im nächsten Jahr ist die Wahl in den USA richtungsbestimmend. Da ist der amtierende Präsident Barack Obama, der für ein modernes Amerika steht – und da ist sein Herausforderer Mitt Romney, erz-konservativ und besonders in der Außenpolitik unbedarft. Man mag Obama vorwerfen, nicht all seine geplanten Vorhaben in den letzten vier Jahren umgesetzt zu haben. Wen ich aber wählen würde, wäre ich US-Bürger, ist für mich klar wie klare Kloßbrühe: Obama. Bis jetzt sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Den Ausschlag dürften wieder einmal die so genannten Swing States, die Schaukelstaaten, geben, die sich einmal für Links, dann für Rechts entscheiden. Besonders hart umkämpft ist dabei Florida. Wer hier die Mehrheit der Wähler für sich gewinnt, ebnet sich den Weg ins Weiße Haus.

Ganz anders sieht es bei uns aus. Da kommt man bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 wahrlich vom Regen in die Traufe. Die Wahl hat man zwischen Pest und Cholera, zwischen Merkel und Steinbrück. Es hat etwas gedauert, bis die SPD ihren Kanzlerkandidaten gekürt hat. Und die Wahl fiel auf Steinbrück im Wesentlichen auch deshalb, weil er die größeren Chancen auf einen Wahlsieg versprach. Wen sollte die SPD auch sonst nehmen: Gabriel, der sich gern links-populistisch gibt, oder Steinmeier, den etwas Staubtrockenen?

Ist Steinbrück nun die richtige Wahl? Im Grunde aus Sicht der SPD ja, wären da nicht die andauernden Diskussionen um seine Nebeneinkünfte. Da frage ich mich eigentlich, warum Steinbrück es sich antun will, Kanzler zu werden. Die Einkünfte eines Kanzlers dürften kaum die Einkünfte aus seinen Vorträgen usw. erreichen.

Nur zwei Wochen nach dem Hoch, das die Kanzlerkandidaten-Entscheidung der SPD bescherte, ist sie wieder auf ihr altes Niveau gefallen. Wäre jetzt Bundestagswahl, erhielten lt. ZDF Politbarometer CDU/CSU 39 Prozent (plus eins), die SPD käme jetzt wieder nur noch auf 29 Prozent (minus zwei). Im direkten Vergleich hat sich der Vorsprung von Merkel gegenüber Steinbrück deutlich vergrößert: Gefragt, wen die Deutschen lieber als Regierungschef/-in hätten, sprechen sich jetzt 52 Prozent (plus drei) für Angela Merkel und nur 37 Prozent (minus drei) für Peer Steinbrück aus (weiß nicht: elf Prozent).

    Merkel versus Steinbrück (Quelle: Archivfoto von 2008 – Spiegel Online)

Immerhin können die Grünen wieder leicht zulegen. Mit ihnen plant Herr Steinbrück ja eine Koalition in einem Jahr. Und da weder die FDP noch die Piraten den Sprung in den Bundestag schaffen würden, blieben lediglich noch die Linken, die dann allerdings das berühmte Zünglein an der Waage spielten – was bekanntlich keiner will (außer die Linken).

Herrn Steinbrück gilt als eloquent und in Wirtschaftsfragen kompetent. Manchmal ist er vielleicht zu redegewandt, denn ihm rutschen oft genug Sachen heraus, die ihn im Nachhinein reuen dürften. Selbst in eigenen Reihen hat man ihn vorgeworfen, die sich abzeichnende Finanzkrise und deren Auswirkungen viel zu lange unterschätzt zu haben. Und ich gestehe, gegen Steinbrück auch höchst persönlich meine Bedenken zu haben (z.B. die Steuerpflicht für Tagesmütter betreffend).

Aber deshalb die Merkel und ihre Vasallen wählen? Pest statt Cholera? Gottbewahre!

Nun bis zur nächsten Bundestagswahl fließt noch viel Wasser die Spree und Havel hinunter. Aber der Trend ist eindeutig: CDU/CSU vor der SPD, da mag Herr Steinbrück noch so viel in die Waagschale werfen wollen. Es werden die kleinen Parteien sein, die den Ausschlag geben werden. Und da kann sich noch einiges tun. Ob die FDP, um es vielleicht doch noch zum Einzug in den Bundestag zu schaffen, mit Leihstimmen aus dem Unionslager rechnen kann, ist heute eher mit nein zu beantworten. Aber wer weiß … Alle anderen Parteien dürften tendenziell eher die SPD unterstützen. Kommt es dann am Ende wieder zu einer großen Koalition, die Steinbrück heute noch vehement ablehnt?!

Der Steppenwolf (Film)

So langsam neigt sich das Jahr seinem Ende entgegen. Wie bereits erwähnt hat dieses Jahr gleich zwei Jahrestage im Zusammenhang mit Hermann Hesse zu begehen, seinen 50. Todestag und gleichzeitig den 135. Jahrestag seiner Geburt. Eines seiner bekanntesten Werke ist der Roman Der Steppenwolf, den ich in diesem Blog auch schon ausführlicher beschrieben habe (siehe auch: Romananfänge (4): Harry und Hermine).


„Steppenwolf“(Gedicht) von Hermann Hesse

Bei Youtube gibt es übrigens ein ‚Hörbuch’ von Hermann Hesses Steppenwolf als so genannte Playlist in 34 Teilen, die knapp sieben Stunden lang ist. Wer also nicht nur das Buch lesen, sondern es gern ‚vorgelesen’ bekommen möchte, hat dazu die Gelegenheit.

Hermann Hesse: der Steppenwolf - S. Fischer Verlag,  Erstausgabe Deckblatt 1927

Hermann Hesse: der Steppenwolf - Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 4. Auflage, 151. - 190. Tausend 1975

Hermann Hesse: der Steppenwolf – S. Fischer Verlag,  Erstausgabe Deckblatt 1927 Hermann Hesse: der Steppenwolf – Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 4. Auflage, 151. – 190. Tausend 1975

Vom Steppenwolf gab es im Zuge der Hermann-Hesse-Renaissance in den 70er Jahren eine Verfilmung mit Max von Sydow in der Hauptrolle. Der Film besticht durch seine Worttreue. Ende Juni ist der Film noch einmal als DVD Steppenwolf auf den Markt gekommen. Ich finde den Film durchaus gelungen, wenn auch die mittels elektronischer Farbmanipulationen erreichten Traumbilder des Magischen Theaters mit der hierfür verwendeten Technik schon damals eher entnervend waren. Max von Sydow reißt dieses Manko dank seiner schauspielerischen Leistung mehr als heraus. Durch ihn bekommt der Steppenwolf Gestalt. Er zeigt ihn als verletzlichen, im Grunde eher naiven und schüchternen Menschen, der sich von der Welt abwendet, dann aber durch eine bezaubernde Hermine (Dominique Sanda) auf den Weg der ‚Heilung’ geführt wird. Er gewinnt durch sie dem Leben den gehörigen Humor ab, um weiterleben zu können.


Filmausschnitte – The Same Wolf


Traktat vom Steppenwolf

Sherlock Holmes: Spiel im Schatten

Sherlock Holmes: Spiel im Schatten (Originaltitel: Sherlock Holmes: A Game of Shadows, auch bekannt als Sherlock Holmes 2) ist ein britisch-US-amerikanischer Abenteuer-Krimi und die Fortsetzung des Films Sherlock Holmes. Wie sein Vorgänger ist Sherlock Holmes 2 keine direkte Verfilmung oder Adaption einer von Arthur Conan Doyles Geschichten, obwohl es einige Bezüge zu diesen gibt.

Sherlock Holmes: Spiel im Schatten

Der Film ist kurz vor Weihnachten 2011 in Deutschland in die Kinos gekommen und jetzt auf DVD bzw. Blu-ray Sherlock Holmes – Spiel im Schatten erhältlich. Am Wochenende habe ich den Film zusammen mit meinem jüngeren Sohn über unsere kleine Heimkinoanlage im Keller gesehen.


Sherlock Holmes 2 – Spiel im Schatten | Deutscher Trailer

Zunächst zum Inhalt des Films: Ein Jahr nach den Ereignissen in Guy Ritchies „Sherlock Holmes“ macht der berühmte Meisterdetektiv (erneut gespielt von Robert Downey Jr.) Jagd auf den sinisteren Professor Moriarty (Jared Harris). Holmes Instinkte sagen ihm, dass er es mit einem Gegner zu tun hat, der so gefährlich ist, wie kein anderer vor ihm: Moriarty ist der erste Superbösewicht der Welt! Auf seiner gefährlichen Mission steht Holmes erneut sein bester Freund und Gehilfe Dr. Watson (Jude Law) zur Seite. Der hat nicht nur alle Hände voll zu tun, den exzentrischen Detektiv aus brenzligen Lagen zu befreien und am Leben zu erhalten, sondern muss sich auch um seine große Liebe Mary Morstan (Kelly Reilly) kümmern. Als der Kronprinz von Österreich tot aufgefunden wird, sieht für Inspector Lestrade (Eddie Marsan) alles nach Selbstmord aus, doch Holmes erkennt, dass Moriarty ihn ermordet haben muss und damit einen weit größeren Plan verfolgt. Die Sache wird mysteriöser, als Holmes und sein Bruder Mycroft (Stephen Fry) den Junggesellenabschied von Watson feiern und dabei auf die schöne Zigeunerin und Wahrsagerin Sim (Noomi Rapace) treffen, die mehr sieht als sie sagt und daher selbst auf die Abschussliste gerät. Als Holmes ihr das Leben rettet, ist sie bereit ihm und Watson zu helfen, Moriarty zu stoppen. Doch sie scheinen keine Chance zu haben, denn wohin sie Moriarty bei ihrer Jagd quer durch Europa hin verfolgen, der Superverbrecher ist ihnen immer einen Schritt voraus…

aus: filmstarts.de

Wer den ersten Teil mochte, wird auch diesen zweiten Teil mögen. Es ist wieder ein Film in bester Popcornkino-Manier: Eine dramaturgisch attraktive Mixtur aus furioser Action und exaltierter Komik. Manchmal erinnert mich Holmes/Downey Jr an Inspektor Clouseau/Peter Sellers, nicht nur wegen der Verkleidungsmanie. Gelungen finde ich auch den verbrecherischen Gegenspieler von Holmes: Moriarty, dem Jared Harris viel Charisma verleiht. Ansonsten gilt, was ich bereits sehr ausführlich zum ersten Teil geschrieben habe. Erwähnenswert sind vielleicht noch die nicht gerade wenigen Filmfehler, die selbst mir aufgefallen sind, z.B. die Flagge des deutschen Reichs (schwarz-rot-gold statt richtig schwarz- weiß-rot) oder eingesetzte Waffen, die es 1891 noch gar nicht gab.

Heute Ruhetag (26): Gustave Flaubert – Madame Bovary

Kaum ein Roman wurde so oft ins Deutsche übertragen. Und kaum eine Frauengestalt interessierte die Filmregisseure so sehr – wie Madame Bovary.

Madame Bovary, in älteren Übersetzungen auch Frau Bovary, ist ein Roman von Gustave Flaubert. Er gilt als eines der großen Werke der Weltliteratur aufgrund der seinerzeit neuartigen realitätsnahen Erzählweise. Ein Zeitungsbericht über den Selbstmord einer jungen Ehefrau veranlasste Flaubert zur Ausgestaltung dieses Gesellschaftsromanes, der den Untertitel Ein Sittenbild aus der Provinz trägt.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Zuweilen machte sie sich Gedanken, ob das wirklich die schönsten Tage ihres Lebens sein sollten: ihre Flitterwochen, wie man zu sagen pflegt. Um ihre Wonnen zu spüren, hätten sie wohl in jene Länder mit klangvollen Namen reisen müssen, wo der Morgen nach der Hochzeit in süßem Nichtstun verrinnt. Man fährt gemächlich in einer Postkutsche mit blauseidnen Vorhängen die Gebirgsstraßen hinauf und lauscht dem Lied des Postillions, das in den Bergen zusammen mit den Herdenglocken und dem dumpfen Rauschen des Gießbachs sein Echo findet. Wenn die Sonne sinkt, atmet man am Golf den Duft der Limonen, und dann nachts steht man auf der Terrasse einer Villa am Meere, einsam zu zweit, mit verschlungenen Händen, schaut zu den Gestirnen empor und baut Luftschlösser. Es kam ihr vor, als seien nur gewisse Erdenwinkel Heimstätten des Glücks, genau so wie bestimmte Pflanzen nur an sonnigen Orten gedeihen und nirgends anders. Warum war es ihr nicht beschieden, sich auf den Altan eines Schweizerhäuschens zu lehnen oder ihre Trübsal in einem schottischen Landhause zu vergessen, an der Seite eines Gatten, der einen langen schwarzen Gehrock, feine Schuhe, einen eleganten Hut und Manschettenhemden trüge?

Alle diese Grübeleien hätte sie wohl irgendwem anvertrauen mögen. Hätte sie aber ihr namenloses Unbehagen, das sich aller Augenblicke neu formte wie leichtes Gewölk und das wie der Wind wirbelte, in Worte zu fassen verstanden? Ach, es fehlten ihr die Worte, die Gelegenheit, der Mut! Ja, wenn Karl gewollt hätte, wenn er eine Ahnung davon gehabt hätte, wenn sein Blick nur ein einzigesmal ihren Gedanken begegnet wäre, dann hätte sich alles das, so meinte sie, sofort von ihrem Herzen losgelöst wie eine reife Frucht vom Spalier, wenn eine Hand daran rührt. So aber ward die innere Entfremdung, die sie gegen ihren Mann empfand, immer größer, je intimer ihr eheliches Leben wurde.

Karls Art zu sprechen war platt wie das Trottoir auf der Straße: Allerweltsgedanken und Alltäglichkeiten, die niemanden rührten, über die kein Mensch lachte, die nie einen Nachklang erweckten. Solange er in Rouen gelebt hatte, sagte er, hätte er niemals den Drang verspürt, ein Pariser Gastspiel im Theater zu sehen. Er konnte weder schwimmen noch fechten; er war auch kein Pistolenschütze, und gelegentlich kam es zutage, daß er Emma einen Ausdruck des Reitsports nicht erklären konnte, der ihr in einem Romane begegnet war. Muß ein Mann nicht vielmehr alles kennen, auf allen Gebieten bewandert sein und seine Frau in die großen Leidenschaften des Lebens, in seine erlesensten Genüsse und in alle Geheimnisse einweihen? Der ihre aber lehrte sie nichts, verstand von nichts und erstrebte nichts. Er glaubte, sie sei glücklich, indes sie sich über seine satte Trägheit empörte, seinen zufriedenen Stumpfsinn, ja selbst über die Wonnen, die sie ihm gewährte.

[…]

aus dem 7. Kapitel

    Signatur: Gustave Flaubert

Gustave Flaubert: Madame Bovary

Vorbereitungen auf einen frostigen Winter 2012

Es wird gesagt, wenn es viele Früchte im Herbst gibt, dann erwartet uns ein langer, kalter Winter. Schon purzeln die ersten Eicheln von den Bäumen, der Boden bei Haselbäumen ist übersät mit Haselnüssen. Selten habe ich so viele Kastanien an den Bäumen gesehen – und auch viele Beerensträucher tragen schwer an ihren Früchten. Die Natur bereitet sich so auf einen langen Winter vor.

Kastanien

Und auch die Zugvögel, bei uns hauptsächlich Wildgänse, sind längst auf dem Weg in südliche, damit sonnigere Gefilde. Ich bin gespannt, aber es deutet wirklich alles daraufhin, dass der kommende Winter ein ‚harter’, also frostiger Winter mit dann sicherlich auch viel Schnee werden könnte. Für dieses Wochenende hat sich der ersten Nachtfrost angekündigt.

Beerenstrauch

Alltag (2): Wochenende (Freitag)

Über meinen werktäglichen Alltag habe ich hier bereits vor anderthalb Jahren einmal geschrieben. Viel Aufregendes gab es da nicht zu berichten. Im Grunde ist auch heute noch alles beim Alten. Keinen wird’s wirklich interessieren …, oder?

Mein Wochenende beginnt schon am frühen Freitagnachmittag. Am Freitag arbeitete ich in der Regel sechs ½ Stunden, mache so also vor 13 Uhr Feierabend und bin dann mit dem Zug kurz vor 14 Uhr zu Hause. Als Einleitung des Wochenendes gibt es dann erst einmal eine Tasse Tee oder einen Becher Cappuccino. Es ist ja Kaffeezeit. Dazu esse ich dann mit meiner Frau vielleicht frisch gebackenen Kuchen, ansonsten einige Kekse.

    Wochenend’ & Sonnenschein?

Freitag ist bei uns seit frühen Jahren (als unsere Söhne noch klein waren) Spaghettitag. Nicht irgendeine Nudel kommt auf den Tisch, nein, es müssen Spaghetti sein. Und auch nur die langen. Natürlich variiert die Soße dazu. Meist gibt es neben einer Tomatensoße (selbstverständlich mit frischen Tomaten, roten Zwiebeln wie in Kalabrien und Kräutern) eine Knoblauchsoße. Die letztere besteht aus frisch gehacktem Knoblauch, das in Olivenöl leicht angeschwitzt wird. Gewürzt wird diese mit Salz, Pfeffer, etwas Basilikum und etwas mehr Estragon. Leider gibt es Estragon nicht immer frisch, so nehmen wir durchaus auch getrocknete Blätter. Der Geschmack von Estragon ist ziemlich intensiv und ‚medizinisch’. Aber mit Knoblauch passt dieses Kraut auf ungewöhnlich gute Weise zusammen. Soße und Spaghetti bereite ich zu, es sei denn, wir leisten uns mit einem Pesto einen anderen mediterranen Abstecher, dann bereitet der jüngere Sohn dieses zu. Mein Frau werkelt in der Zwischenzeit oft im Garten herum (das ist ihr Revier).

Wir essen am Freitag wie werktags zwischen fünf und sechs Uhr nachmittags. Meine Frau düst dann ab zum Sport, während ich mich an meinen Rechner setze, um schon einmal den einen oder anderen Beitrag für diesen Blog vorzubereiten, Fotos oder Videos zu bearbeiten, eben all die Arbeiten mache, für die ich sonst wochentags kaum Zeit habe. Am Abend gönne ich mir dann mit meinem jüngeren Sohn meist einen guten Film (im Fernsehen, wenn es einen geben sollte – oder via Beamer im Keller unseres Hauses). Meine Frau kommt dann später dazu. Je nach Filmlänge entscheidet es sich, wann wir ins Bett kommen.

Die nächste Zumutung beim Bahnfahren

Ich hasse sie, die verfluchte, hirnrissige, Weichteile erweichende, vollidiotische, den Magen umdrehende, trottelige, verblödete, wahnsinnig gewordene, die von überforderten, gerade angelernten Möchtegern-Lokführern gefahrene, ständig verspätete, sich an keinen Fahrplan haltende, auf mit Baumängeln behafteten Gleisen fahrende, vor Harburg wie von einem Begasten gefahren rasende, die schaukelnde, holpernde, den Gastgast schüttelnde, die Alkohol befreite, die nach minutenlangen Bremsversuchen im Fahrgastraum nach Gummi stinkende und quietschende, die von über Lautsprecher kreischend durchgegebene Durchsagen den Fahrgast von Zugbegleitern mit oft null Information zutextende und zudröhnende, diese kackverarschte, verarschende, schiet-verdammte und bananenrepublikanische Drecks-Bahn! … … … Wo ist mein Valium?!

Ach, es tut wieder einmal gut, so aus voller Seele heraus zu fluchen. Lange habe ich jetzt geschwiegen und mich meinem Schicksal, das bestimmt hat, als so genannter Pendler morgens und abends mit dem Zug zu fahren, ergeben. Aber jetzt ist es einer Zumutung wieder zuviel. Die ständigen Verspätungen habe ich ertragen und den mir vor der Nase davonfahrenden S-Bahnen sogar noch nachgewinkt. Aber irgendwann platzt jedem der Kragen.

Wir bringen Sie bis nach Hause – Deutsche Bahn AG

Da habe ich mit meinen Leidensgenossen in Kauf genommen, das monatelang die Strecke zwischen Buchholz und Hamburg-Harburg wegen Gleisbauarbeiten gesperrt war und Umleitungen über den Rangierbahnhof Maschen (vom 5. April bis zum 11. Dezember 2004 um ganz genau zu sein) hingenommen, was verlängerte Fahrzeiten bedeutete. Dann wurde im letzten Jahr gestreikt bis zum Abwinken, sodass man lange Wartezeiten oder weite Umwege in Kauf nehmen musste, wenn man überhaupt je ans Ziel kam. Und jetzt offenbaren sich auf der genannten Strecke zwischen Buchholz und Hamburg-Harburg immer wieder Baumängel, die zu nicht unwesentlichen „Verzögerungen im Betriebsablauf“ der Bahnen führen, weil die Strecke dann höchstens eingleisig zu befahren ist. Gestern wurde die Strecke erneut nach Baumängeln überprüft. Und wieder durfte mein Zug über Maschens Rangierbahnhof auf der für Schnellzüge ungeeigneten Umgehungsstrecke fahren. Ist zu hoffen, dass keine weiteren Mängel gefunden wurden. Dabei steht das alljährliche Chaos bei der Fahrplanumstellung Mitte Dezember noch aus.

Nachtrag: Der Metronom ME 82015 um 12:15 ab Hamburg Hbf. hatte in Tostedt (12:46) 17 Min. Verspätung. Geht der Murx heute also doch weiter? Okay, der Zug hat nur eine ‚Störung‘ und endet in Rotenburg/Wümme. Folgezug, ein MEr, hat in Richtung Bremen allerdings auch schon 15 Min. + Verspätung.

An der Nordseeküste … in Büsum (18.08.2012)

Mitte August diesen Jahres machte ich mit meinen Lieben einen kleinen Tagesausflug nach Büsum, zu dem uns meine Schwiegermutter eingeladen hatte. Büsum ist eine kleine Hafenstadt an der Nordsee in der Region Dithmarschen, die durch den Anbau von Kohl bekannt ist. Büsum selbst ist durch die Krabbenfischerei ein Begriff: Büsumer Krabben!

Strand von Büsum mit vielen Strandkörben

An dem Tag unseres Ausflug hatten wir wirklich herrliches Wetter, was man in diesem Sommer in der Form nicht so oft hatte. Büsum lebt heute weniger von der Fischerei als vom Fremdenverkehr. Obwohl am Strand ein Strandkorb neben dem anderen stand, verteilten sich die Leute dann doch im Ort. Insgesamt wären es mir aber doch zu viele Menschen, wenn ich hier Urlaub machen sollte. Da war mir der Inselaufenthalt 2009 auf der kleinen Insel Neuwerk doch um einiges lieber.

Strand von Büsum mit vielen Strandkörben

Dieser Beitrag kommt mit fast Ende Oktober schon reichlich spät. Wir fangen ja schon an zu bibbern im herbstlichen Nieselregen. Nun, ich bin erst jetzt dazu gekommen, die wenigen Videoaufnahmen, die ich in Büsum gemacht habe, zusammenzuschneiden. Hier also Büsum im Video – zunächst der Museumshafen, dann der Strand mit Leuchtturm, zuletzt der Fischereihafen:


Büsum – Hafen und Strand (18.08.2012)

Es ist aus, Lance Armstrong!

+++ Der Radsport-Weltverband UCI ist erwartungsgemäß dem Strafmaß der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada gefolgt und hat Lance Armstrong seine durch Doping erschlichenen Tour-Siege aberkannt. +++ Lance Armstrong sieht sich nach der Aberkennung seiner Tour-Siege mit einer Zahlungsaufforderung in Höhe von 7,5 Millionen Dollar durch die Versicherungsgesellschaft SCA Promotions konfrontiert. +++ Über weitere Sanktionen gegen Armstrong wird die UCI am Freitag beraten. So droht ihm die Rückzahlung sämtlicher Preisgelder der betreffenden Jahre. +++

„Heute nehmen wir Armstrong die sieben Siege weg, am Freitag werden wir weitere Maßnahmen besprechen. Dazu müssen wir die UCI-Regeln ändern“, sagt McQuaid, Vorsitzender der UCI. Der Ire sagte, der Radsport befinde sich in der „größten Krise, der er sich jemals entgegenstellen musste.“ (Quelle: zdf.de)

Neben Fußball und Leichtathletik hat mich der Radsport und hier in erster Linie die Tour de France, als größtes und bedeutendstes Radrennen der Welt, immer interessiert. In jungen Jahren war ich ein guter Weitspringer und Läufer und habe auch einige Zeit Fußball gespielt. Und im Sommer war ich öfter auf Radtouren, habe dabei halb Norddeutschland erradelt, zuletzt 2006 mit meiner Familie die Insel Fehmarn. Heute jogge ich immer noch einwenig.

Von daher habe ich natürlich auch immer etwas die Karriere des Lance Armstrong verfolgt, eine Karriere, die sehr bald zu einem Fall Armstrong wurde. Bereits im Juli 2006 schrieb ich in diesem Blog (Armstrongs Rache) bezogen auf den Verdacht des Eigenblutdopings eines Jan Ullrich:

„Und wie in den Vorjahren ein Lance Armstrong, der zuvor nie an größeren anderen Rennen teilgenommen hatte, wie Phoenix aus der Asche aufstieg, um Jahr für Jahr die Tour de France zu gewinnen, das konnte auch nicht mit rechten Dingen zugehen. Nicht um sonst kamen im letzten Jahr Verdächtigungen gegen ihn auf, die dann aber – aus welchem Grund auch immer – sehr bald unter den Tisch gekehrt wurden.“

Es war die UCI im Wesentlichen selbst (und ihr Vorsitzender Pat McQuaid), die immer wieder die schützende Hand über Armstrong gehalten hat. 2005 verkündet Armstrong im April seinen Rücktritt für den Zeitpunkt nach der Tour, die er zum siebten Mal gewinnt. Im August berichtet die französische Sportzeitung L’Equipe, dass in sechs Urinproben des Amerikaners von 1999 das Blut-Dopingmittel EPO nachgewiesen wurde. Armstrong bestreitet die Vorwürfe weiterhin.

2006 wird Armstrong vom Weltverband UCI freigesprochen, da die erneuten Tests der Proben nicht nach wissenschaftlichem Standard durchgeführt wurden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nennt den UCI-Bericht „fast schon lächerlich“.

    Tour de France 2009 - Lance Armstrongs Comeback

Im Jahr 2008 verkündet Armstrong sein Comeback und starte 2009 erneut bei der Tour de France. Zuvor im April wirft ihm die französiche Anti Doping Agentur (AFLD) vor, dass er bei Dopingproben nicht kooperiere. Ich schrieb damals im Juli 2009 (Weiter auf Tour):

„Bei der jetzigen Tour spaltet besonders der Name Lance Armstrong, des siebenfachen Toursiegers, die Gemeinde, wurde ihm nachträglich Doping vorgeworfen und startet er jetzt in einem Comeback für den skandalumwitterten Rennstall Astana aus Kasachstan.

Die Tour de France und Doping sind leider immer im Zusammenhang zu sehen. Ein wirklich sauberer Radsport scheint unmöglich geworden zu sein. Der Name Armstrong trägt sicherlich nicht dazu bei.“

Armstrong wurde 2009 dritter und startete auch noch einmal 2010 bei der Tour mit dem Ziel, diese zum 8. Mal zu gewinnen. Er wurde lediglich 23. mit einem Rückstand von 39:20 Minuten auf den später nachträglich wegen Doping disqualifizierten (sic!) Sieger Alberto Contador.

Zu dieser letzten Tour-Teilnahme Armstrongs 2010 schrieb ich u.a. (Ein ehrenvoller Abgang sieht anders aus):

„Sicherlich ist Armstrong ein Beispiel dafür, dass sich Krebs bekämpfen lässt. Aber er ist gleichzeitig eine zwiespältige Persönlichkeit, die nur den Erfolg sieht und dafür alles zu tun bereit ist. Warum er noch einmal zur Tour de France zurückgekehrt ist, ist wohl sein persönliches Geheimnis. Vor einem Jahr schaffte er es noch aufs Treppchen und erreichte den 3. Platz. Glaubte er wirklich, in diesem Jahr die Tour noch einmal und damit zum 8. Mal gewinnen zu können? Neben Skrupellosigkeit ist es wohl Größenwahn, der Armstrongs Charakter prägt. Es wird endlich Zeit, dass man ihn seiner Taten überführt und er den Denkzettel erhält, der ihm zusteht.“

Den Denkzettel hat er nun bekommen: Am 29. Juni 2012 bezichtigt ihn die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) des Doping-Missbrauchs und suspendiert ihn von allen Wettkämpfen. Am 20. August weißt ein Gericht Armstrongs Klage gegen die USADA zurück. Drei Tage später gibt er den Rechtsstreit um die Dopingvorwürfe auf, die USADA sperrt Armstrong lebenslang. […] Am 10. Oktober veröffentlicht die USADA ihre Urteilsbegründung. Armstrongs langjähriges Profiteam US Postal habe das „ausgeklügelste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat“, heißt es in dem Bericht. Am 22. Oktober folgt der Weltverband UCI der USADA und erkennt Armstrong sämtliche sieben Tour-Siege ab. (Quelle: zdf.de)

Damit nimmt der wohl größte Doping-Skandal der Sportgeschichte langsam sein Ende. Am Freitag nun wird der UCI darüber entschieden, ob die Tour-Zweitplatzierten der Jahre 1999 bis 2005, darunter Jan Ullrich (2000, 2001, 2003) und Andreas Klöden (2004), nachträglich zu Siegern erklärt werden. Besonders im Fall Jan Ullrich wäre das wenig sinnvoll, da auch er in Doping-Skandale verwickelt war.

Radsport und Doping – das ist ein Teufelskreis: „Wer wirklich über Jahre in der Spitze mitfahren will, dem reichen Talent (wie bei Jan Ullrich oder auch Lance Armstrong) und ständiges Training kaum aus.“ Aber wie will der Radsport aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Vielleicht sollte man die Tour de France und all die anderen großen Radrennen für mindestens ein Jahr aussetzen. Aber dann, so ist zu befürchten, wäre das das Ende des Profiradsports. Vielleicht sollte auch ein Herr Pat McQuaid endlich seinen Hut nehmen.

Immerhin zeigt der Fall Lance Armstrong, dass auch die gewieftesten Betrüger am Ende erwischt werden. Ob aber die Einsicht, Doping lohnt sich auf lange Sicht nicht, wirklich Früchte trägt, ist leider zu bezweifeln.

Siehe hierzu auch meinen Beitrag Die Last der Beweise zu den Mechanismen der Selbsterhaltung durch Verdrängung

Ischa Freimaak! 2012

Was den Münchnern das Oktoberfest und den Stuttgartern die Cannstatter Wasen sind, das ist für die Bremer der Freimarkt. Noch bis zum 4. November findet auf der Bremer Bürgerweide das immerhin älteste Volksfest Deutschlands statt. Öffnungszeiten: täglich von 12 – 23 Uhr, freitags und samstags bis 24 Uhr. Es ist dieses Jahr der 977. Freimarkt in Bremen.

    Ischa Freimaak!

Wenn es draußen dunkel und ungemütlich wird, freuen sich die Bremer auf die “5. Jahreszeit”, die mit bunten Lichtern, herrlichen Düften und fröhlicher Musik alle grauen Gedanken vertreibt: “Ischa Freimaak!” heißt es im Herbst. Nun ja, es geht auch oft recht feucht-fröhlich zu und neben Friesendiele gibt es auch eher untypisch norddeutsche Ausschänke wie “Zur Schwarzwaldmühle”, Almhütte und die Bayern-Festhalle, wo es Brathendl, Schweinshaxe und Weißwurst zu futtern gibt. Im Brauhaus dagegen werden neben Grillhaxe auch Bremer Gerichte serviert werden (Grünkohl mit Pinkel und Bremer Knipp mit Bratkartoffeln).

Die Wurzeln des Bremer Freimarkts liegen im Mittelalter. Das älteste deutsche Volksfest begann am 16. Oktober des Jahres 1035, als Kaiser Konrad II. dem bremischen Erzbischof Bezelin die Jahrmarktsgerechtigkeit verlieh. Seit diesem denkwürdigen Herbsttag hatte die Stadt die Erlaubnis, zweimal jährlich Markt auf dem Kirchhof “Unser Lieben Frauen” abzuhalten. Ohne jede Beschränkung und Rücksicht auf die einheimischen Zünfte konnten Krämer und Wandersleute nun ihre Waren verkaufen – eine neu gewonnene wirtschaftliche Unabhängigkeit, an die noch heute der Name “Freimarkt” erinnert.

Wie komme ich auf den Bremer Freimarkt? Immerhin habe ich 25 Jahre in Bremen gelebt und dort den Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht. Und so war ich oft genug auf dem Freimarkt. Ähnlich wie bei den Kohlfahrten zu Beginn des neuen Jahres ist es Tradition mit Arbeitskollegen oder Sportsfreunden den Freimarkt zu besuchen. Bäcker bieten zur Freimarktszeit Schmalzgebackenes (Berliner, Viktoria u.a.) an.

Volker Ernsting: Bremer Freimarkt
Volker Ensting: Bremer Freimarkt

Webcam vom Freimarkt

Freimarkt 2012: Der Sonntagnachmittag auf der Bürgerweide

Heute Ruhetag (25): Daniel Defoe – Robinson Crusoes Leben und seltsame Abenteuer

Es gibt bei uns in Deutschland eine Reihe von Romanen, die z.T. stark gekürzt als Jugend- oder gar Kinderbücher auf den Markt kommen, obwohl sie ursprünglich für Erwachsene geschrieben wurden. Es handelt sich dabei um so genannte Abenteuer- oder Phantasieromane, die sicherlich für junge Menschen von besonderem Interesse sind. Was vielleicht nicht so ganz jugendfrei darin ist, wurde getilgt; das Ganze dann auf ein übersichtliches Maß reduziert, da es sich meist um sehr umfangreiche Romane handelt. Gullivers Reisen von Jonathan Swift gehört ohne Zweifel dazu, oft gekürzt um die Teile 3. und 4. und natürlich ohne die sozialkritischen und satirischen Positionen, die Swift in diesem Buch einnimmt. Ein ähnliches Schicksal ereilt meist auch den Ritter von der traurigen Gestalt, Don Quixote, von Miguel de Cervantes. Und obwohl auch voll Abenteuer und Phantasie blieb François Rabelais’ Gargantua und Pantagruel davon verschont, weil es wohl zu viele anzügliche Stellen beinhaltet, die nun einmal nicht jugendfrei sind.

Wie von Gullivers Reisen so finden wir im Buchladen eher eine Jugendausgabe vom Robinson Crusoe als den nach dem Original ins Deutsche übersetzten Roman. Daniel Defoe hat mit diesem Robinson einen Archetypen von Abenteurer geschaffen, der auch heute noch die Phantasie der Menschen, ob jung oder alt, beflügelt. Als etwas abgeschmackte Variante kommt dann so etwas wie das Dschungelcamp heraus, in dem sich C- und D-Prominente als Robinson versuchen dürfen.

Die Vorstellung, allein ohne jegliche Hilfsmittel auf einer Insel überleben zu müssen, hat natürlich etwas Beängstigendes. In gewisser Hinsicht muss man dann die Zivilisation für sich neu erfinden, muss schöpferisch tätig werden, denn sonst ist man schnell am Ende. Und es ist natürlich etwas völlig anderes, ob man sein Robinson-Dasein als Spiel oder als bittere Realität erlebt.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Ich bin geboren zu York im Jahre 1632, als Kind angesehener Leute, die ursprünglich nicht aus jener Gegend stammten. Mein Vater, ein Ausländer, aus Bremen gebürtig, hatte sich zuerst in Hull niedergelassen, war dort als Kaufmann zu hübschem Vermögen gekommen und dann, nachdem er sein Geschäft aufgegeben hatte, nach York gezogen. Hier heirathete er meine Mutter, eine geborene Robinson. Nach der geachteten Familie, welcher sie angehörte, wurde ich Robinson Kreuznaer genannt. In England aber ist es Mode, die Worte zu verunstalten, und so heißen wir jetzt Crusoe, nennen und schreiben uns sogar selbst so, und diesen Namen habe auch ich von jeher unter meinen Bekannten geführt.

[…]

Nachdem ich nun meine Seele in solcher Weise an der tröstlichen Seite meiner Lage erhoben hatte, begann ich umherzublicken und auszuschauen, auf was für einem Lande ich mich eigentlich befinde und was zunächst zu thun sei. Da sank nun bald wieder mein Muth und ich erkannte, daß meine Errettung eine furchtbare Begünstigung sei. Ich war durchnäßt und konnte die Kleider nicht wechseln; hatte weder etwas zu essen, noch etwas zu meiner Stärkung zu trinken; keine andere Aussicht bot sich mir, als Hungers zu sterben oder von den wilden Thieren gefressen zu werden; und, was mich besonders bekümmerte, ich besaß keine Waffen, um irgend ein Thier zu meiner Nahrung zu tödten, oder mich gegen andere, die mich zu der ihrigen zu verwenden Lust hätten, zu wehren. Nichts trug ich bei mir als ein Messer, eine Tabakspfeife und ein wenig Tabak in einem Beutel. Dies war meine ganze Habe, und ich gerieth darob in solche Verzweiflung, daß ich wie wahnsinnig hin und her lief. Die Nacht kam, und ich begann schweren Herzens zu überlegen, was mein Loos sein würde, wenn es hier wilde Thiere gäbe, von denen ich wußte, daß sie stets des Nachts auf Beute auszugehen pflegen.

Die einzige Auskunft, die mir einfiel, war, einen dicken buschigen Baum, eine Art dorniger Fichte, die in meiner Nähe stand, zu erklettern. Ich beschloß, dort die ganze Nacht sitzen zu bleiben und am nächsten Tag die Art, wie ich meinen Tod finden wolle, zu wählen, denn auf das Leben selbst hoffte ich nicht mehr. Ich ging einige Schritte am Strande her, um nach frischem Wasser zu suchen: das fand ich denn auch zu meiner großen Freude. Nachdem ich getrunken und etwas Tabak in den Mund gesteckt hatte, um den Hunger abzuwehren, erstieg ich den Baum und versuchte mich in demselben so zu lagern, daß ich im Schlafe nicht herunter fallen könnte. Vorher hatte ich mir einen kurzen Stock, eine Art von Prügel zu meiner Vertheidigung abgeschnitten, und dann verfiel ich in Folge meiner großen Müdigkeit auf dem Baum in einen tiefen Schlaf und schlief so erquickend, wie es wohl Wenige in meiner Lage vermocht hätten. Nie im Leben hat mir, glaube ich, der Schlummer so wohl gethan wie damals.

Daniel Defoe: Robinson Crusoes Leben und seltsame Abenteuer