Archiv für den Monat: Juli 2012

London Calling (4): Endlich die erste Medaille

Es hat lange gedauert, bis die deutschen Mannschaft bei den Olympischen Sommerspiele 2012 in London ihre erste Medaille eingeheimst haben: Silber im Degenfechten der Frauen durch Britta Heidemann, die damit ihren Erfolg aus Peking vor vier Jahren nicht ganz wiederholen konnte. Dem Ganzen war ein ‚aufregendes’ Halbfinale vorangegangen: „Britta Heidemann hatte schon drei Angriffe gefahren in der dramatischen Schlussphase ihres Halbfinalkampfes im Degenfechten, und immer hatte ihre Gegnerin, die Südkoreanerin Shin A-Lam, ebenfalls getroffen. Aber Heidemann musste treffen, denn sie war passiver gewesen in diesem Kampf. Es ertönte ein letztes ‚Allez’ der Obfrau Barbara Csar aus Österreich, Heidemann stürzte in die Koreanerin – und traf! Und damit begann das ganze Drama.“ Es ging um die Frage, ob Heidemann vor dem „Allez“ die Aktion begonnen hatte. Und um die Zeit – hier stellte sich heraus, dass der Stich in der Zeit gewesen sein musste. Dann, endlich, um 19:16 Uhr, exakt 28 Minuten nach der letzten Aktion, entschieden die Funktionäre: Heidemann hat gewonnen. Den Finalkampf verlor dann die Deutsche gegen Jana Schemjakina (Ukraine) 8:9 nach Sudden Death (Bei Gleichstand nach Ablauf der Zeit wird Vorteil ausgelost, dann max. eine Minute bis zum „entscheidenden“ Treffer weitergefochten).

    Olympia London 2012

Zuvor gab es eigentlich nur Enttäuschungen. Besonders die Schwimmer zeigten bisher nicht die erwartete Leistung. Gestern erst ging Paul Biedermann im 200m Freistil-Finale mit einen 5. Platz baden. Beim Tischtennis musste der auf Rang 4 gesetzte Timo Boll bereits in der 4. Runde die Segel streichen. Und die Schützen haben auch nicht das gehalten, was man von ihnen erwartete (ist vielleicht auch besser so).

Dafür ‚sahnen’ die Chinesen wie bereits bei ihrer Heim-Olympiade in Peking vor vier Jahren in fast allen Sportarten kräftig ab und führen bereits mit 17 Medaillen (davon allein neun goldene) die Nationenwertung an.

Die Olympischen Spiele haben inzwischen ihren erste Skandal, einen Twitter-Skandal. Die Schweizer Delegation schloss den Fußballer Michel Morganella aus, nachdem der Profi von US Palermo über den Kurznachrichtendienst Spieler aus Südkorea auf das Übelste beleidigt hatte. „Er hat die Ehre der Südkoreaner verletzt“, sagte Gian Gilli, Teamchef der Schweizer Mannschaft. Morganella entschuldigte sich, sein Account bei Twitter wurde geschlossen. Vom Schweizer Fußball-Verband muss er laut Sprecher Marco von Ah weitere „harte Sanktionen“ fürchten. „Ich habe einen Riesenfehler gemacht“, sagte Morganella. Solche Einsichten kommen etwas spät.

Nicht besonders glücklich finde ich den Sieg des Radrennfahrers Alexander Winokurow (Kasachstan) im Straßeneinzelrennen, da er früher in Dopingskandale verwickelt war. Unmittelbar danach erklärte er das Ende seiner sportlichen Karriere.

Ry Cooder: My Blueberry Nights (Soundtrack)

Als der 2007 entstandene Spielfilm My Blueberry Nights in die Kino kam, ist er mir eigentlich nur aufgefallen, weil Norah Jones in dem Film die Hauptrolle spielt. Regie führte übrigens der Chinese Wong Kar-Wai. Erst jetzt klingelte es bei mir, dass die Filmmusik von Ry Cooder stammt. Soundtrack, wie oben geschrieben, stimmt nicht ganz, dann es gibt eine Reihe von Liedern, die nicht extra für den Film eingespielt wurden – im Gegensatz zur Musik Ry Cooders (im Englischen nennt man diese extra für einen Film komponierte Musik Score).

    Ry Cooder

Ry Cooder hat in den letzten Jahrzehnten schon einige Musik zu Filmen beigetragen (am Ende eine Übersicht der bisher in diesem Blog angesprochenen Filme, die zudem immer nocht nicht ganz vollständig ist). Auch diesmal hat er wieder u.a. seine Slidegitarre sehr sparsam eingesetzt und schafft so eine gelungene Synthese von Musik und Film.

Zum Film My Blueberry Nights: Eine gescheiterte Beziehung liegt hinter Elizabeth (Norah Jones), die seither an einigen Abenden Trost bei einem Blaubeermuffin in einem Café sucht und sich dabei mit Jeremy (Jude Law), dem Besitzer, anfreundet. Einige Nächte lang verbringen Elizabeth und Jeremy bei Gesprächen und Kuchen. Doch dann kommt Elizabeth plötzlich nicht mehr. Sie ist zu einer Reise quer durch die USA aufgebrochen, um zu vergessen. Ihr Trip führt sie zuerst nach Memphis. Dort arbeitet sie tagsüber in einem Diner und nachts in einer Bar. Der alkoholkranke Cop Arnie (David Strathairn) ist einer ihrer Stammkunden. Sie wird Zeuge, wie ihn die Liebe zu seiner untreuen Frau Sue Lynne (Rachel Weisz) langsam zu Grunde richtet. Das nächste Ziel liegt im Westen. In Nevada lernt sie die Spielerin Leslie (Natalie Portman) kennen. Auch sie besitzt ein trauriges Geheimnis. Während ihrer ganzen Reise hält Elizabeth mit Jeremy Kontakt, dem sie regelmäßig Postkarten mit ihren Gefühlen und Gedanken schickt…

aus: filmstarts.de


My Blueberry Nights – German Trailer

„Elizabeth (Norah Jones) hat ihre Liebe verloren und findet im Cafébesitzer Jeremy (Jude Law) einen verständnisvollen Tröster. Die Verlassene durchleidet die Nächte beim Blaubeerkuchen an Jeremys Bartresen. Mit seiner ersten US-Produktion liefert Regisseur Wong Kar-Wai nicht nur erneut eine grandiose Stilübung, in Cat Powers ‚The Greatest’ hat er auch das perfekte musikalische Thema für seinen poetisch-melancholischen Film gefunden. Wong und Norah Jones ergänzen sich perfekt: Er schickt seine Heldin auf eine Erkenntnisreise quer durch die USA und verhilft ihr damit zu einem überzeugenden Leinwanddebüt. Im Gegenzug hat ihn die Sängerin bei der Musikauswahl perfekt beraten. Zu hören sind vor allem Klassiker aus Soul, Folk und Jazz, den Score gestaltet Routinier Ry Cooder mit typischen Rootsminiaturen. Natürlich ist neben Otis Redding, Ruth Brown und Cassandra Wilson auch Norah Jones selbst mit einem exklusiven Song vertreten. Mit ‚The Story’ verarbeitet sie ihre Bedenken beim ersten Dreh zu einer wunderschönen Vorspannuntermalung.“ (Quelle: kulturnews.de)

„My Blueberry Nights“ soundtrack tracklist
01. „The Story“ – Norah Jones
02. „Living Proof“- Cat Power
03. „Eli Nevada“ – Ry Cooder
04. „Try a Little Tenderness“ – Otis Redding
05. „Looking Back“ – Ruth Brown
06. „Long Ride“ – Ry Cooder
07. „Eyes on the Prize“ – Mavis Staple (produced by Cooder)
08. „Yumeji’s Theme (Harmonica Version)“ – Umebayshi Shigeru
09. „Skipping Stone“ – Amos Lee
10. „Bus Ride“ – Ry Cooder
11. „Harvest Moon“ – Cassandra Wilson (Neil Young cover)
12. „Devil’s Highway“ – Hello Stranger (Ry Cooder produced; his sons’s band)
13. „Parajos“ – Gustavo Santaolalla
14. „The Greatest“ – Cat Power

Der Film ist als DVD My Blueberry Nights und der Soundtrack als CD My Blueberry Nights erhältlich.


Ely Nevada – Ry Cooder – My Blueberry Nights

Norah Jones’ Musik habe ich hier ja bereits öfter besprochen. Natürlich schauspielert sie nicht nur, sondern trägt auch ein Lied zu diesem Film bei. Neben weiteren Klassikern aus Soul, Folk und Jazz tut sich für mich besondern die Sängerin Cat Power mit zwei Liedern hervor, die zudem in einer kleinen Rolle zu sehen ist; u.a. singt sie im Film ihren Hit „The Greatest“:

Once I wanted to be the greatest
No wind or waterfall could stop me
And then came the rush of the flood
The stars at night turned you to dust


My Blueberry Nights – Cat Power – The Greatest

Die Lieder von Cat Power gefallen mir ausgesprochen gut, vielleicht weil sie sehr minimalistisch sind: Pure Musik mit wenig Klimbim, meist mit sparsamen Gitarren- und Pianoklängen begleitet. Dazu die rauchige Stimme, die irgendwie entrückt und zerbrechlich erscheint. Regisseur Wong Kar-Wai: „Wenn Charles Bukowski und Jane Birkin ein Kind hätten, dann wäre das Cat Power.“ („If Charles Bukowski and Jane Birkin had a child, it would be Cat Power,“ says Wong Kar-wai on the set of Blueberry Nights). Man ahnt, woher der Wind weht. Cat Power alias Chan Marshall ist eine in vierleilei Hinsicht bemerkenswerte Frau. Im Film V wie Vendetta ist sie ebenfalls zu hören, dazu auch auf dem Soundtrack des Films mit dem Song „I found a reason“. Zudem gehört ihr Song „Werewolf“ vom Album „You Are Free“ zum Soundtrack des Films Zerrissene Umarmungen des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar.

Hier noch ein Video von Cat Power aus ihrer Anfangszeit:


cat power-nude as the news

Wie bereits angekündigt hier eine Übersicht aller bisher von mir besprochenen Filme, für die Ry Cooder die Filmusik/den Score beigetragen hat:

Buena Vista Social Club
Das Gitarrenduell: Crossroads – Pakt mit dem Teufel
Ry Cooder – Pecos Bill
Ry Cooder: Long Riders (1980)
Ry Cooder: The End of Violence
Der seltsame Fall des Benjamin Button
Ry Cooder: Southern Comfort
Ry Cooder: The Border
Ry Cooder: Alamo Bay
Ry Cooder goes Rap: Trespass
Ry Cooder: Paris, Texas
Ry Cooder: Last Man Standing (Soundtrack)

Heute Ruhetag (19): Franz Grillparzer – Der arme Spielmann

Franz Kafka war ein begieriger Leser des Wiener Autors, Franz Grillparzer. Ich weiß nicht genau, was es war, was Kafka an Grillparzer beeindruckte. Ich glaube aber, es war der klare, unprätentiöse Stil. Es ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, wenn ich behaupte, Kafka hätte sich stilistisch an Grillparzer orientiert. Ich behaupte es trotzdem …

Und es war sicherlich die ‚psychologische Neugierde’ und Einsicht, die der von Kafka entsprach, was sich in besonderer Weise in Grillparzers bekanntester Erzählung Der arme Spielmann zeigt.

Heute Ruhetag = Lesetag!

In Wien ist der Sonntag nach dem Vollmonde im Monat Juli jedes Jahres samt dem darauffolgenden Tage ein eigentliches Volksfest, wenn je ein Fest diesen Namen verdient hat. Das Volk besucht es und gibt es selbst; und wenn Vornehmere dabei erscheinen, so können sie es nur in ihrer Eigenschaft als Glieder des Volks. Da ist keine Möglichkeit der Absonderung; wenigstens vor einigen Jahren noch war keine.

[…]

Ein paar Tage darauf – es war ein Sonntag – ging ich, von meiner psychologischen Neugierde getrieben, in die Wohnung des Fleischers und nahm zum Vorwande, daß ich die Geige des Alten als Andenken zu besitzen wünschte. Ich fand die Familie beisammen ohne Spur eines zurückgebliebenen besondern Eindrucks. Doch hing die Geige mit einer Art Symmetrie geordnet neben dem Spiegel und einem Kruzifix gegenüber an der Wand. Als ich mein Anliegen erklärte und einen verhältnismäßig hohen Preis anbot, schien der Mann nicht abgeneigt, ein vorteilhaftes Geschäft zu machen. Die Frau aber fuhr vom Stuhle empor und sagte: »Warum nicht gar! Die Geige gehört unserem Jakob, und auf ein paar Gulden mehr oder weniger kommt es uns nicht an!« Dabei nahm sie das Instrument von der Wand, besah es von allen Seiten, blies den Staub herab und legte es in die Schublade, die sie, wie einen Raub befürchtend, heftig zustieß und abschloß. Ihr Gesicht war dabei von mir abgewandt, so daß ich nicht sehen konnte, was etwa darauf vorging. Da nun zu gleicher Zeit die Magd mit der Suppe eintrat und der Fleischer, ohne sich durch den Besuch stören zu lassen, mit lauter Stimme sein Tischgebet anhob, in das die Kinder gellend einstimmten, wünschte ich gesegnete Mahlzeit und ging zur Türe hinaus. Mein letzter Blick traf die Frau. Sie hatte sich umgewendet, und die Tränen liefen ihr stromweise über die Backen.

Signatur: Franz (Seraphicus) Grillparzer

Franz Grillparzer: Der arme Spielmann – Erzählung (1847)

Sommerferien 2012 in der Lüneburger Heide

Bekanntlich muss man nicht in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah ist (gewissermaßen vor der Haustür). Und nicht jedermanns Geldbeutel ist so prall gefüllt, um große Reisen zu unternehmen. Herrn Allwardt steht einer kleinen aktiven Gruppe vor, der kommunalen Agenda 21 in der Samtgemeinde Tostedt e.V., die in den vergangenen Jahren sehr viel in der Samtgemeinde Tostedt bewegt hat. Hier wird man nicht nur mit einem monatlichen Veranstaltungskalender versorgt, sondern zusätzlich über einen Newsletter mit allem wichtigen in und um Tostedt.

In seinem letzten Newsletter versendet Burkhard Allwardt nicht nur viele Sonnengrüße aus Tostedt, sondern hat für uns die vielfältigen Ferienangebote in unserer Region, der Lüneburger Heide, zusammengestellt (einige Links waren leider nicht okay, ich habe sie hier berichtigt). Da sollten wir alle viele Anregungen bekommen – besonders Radtouren bieten sich an:

Lüneburger Heide
© naturpark-lueneburger-heide.de

Unter all diesen Websites finden wir ein sehr reichhaltiges Angebot von Veranstaltungen, Sehenswürdigkeiten und Erlebnisstätten. Danke, Herr Allwart! Übrigens: Die Informationen, die wir hier finden, gelten natürlich nicht nur für ‚Einheimische’, sondern insbesondere auch für alle Reisenden, die uns in der ‚Nord-Heide’ besuchen kommen.

London Calling (3): Olympia-Logo London 2012

Heute Abend beginnen mit der Eröffnungsfeier die Spiele der XXX. Olympiade, wie die Olympischen Sommerspiele 2012 in London ganz offiziell heißen (das ZDF überträgt live: 21.30 – 21.45 Uhr Olympia-Countdown und 21.55 – 1.30 Uhr Olympia live: Die Eröffnungsfeier (Moderation: Michael Steinbrecher, Reporter: Wolf-Dieter Poschmann)).

Dass nicht alle Londoner unbedingt olympia-begeistert sind, versteht sich von selbst. Kritiker befürchten, East London könnte durch die Spiele für viele seiner Einwohner zu teuer werden. Eine ganz andere Art der Kritik erfuhr das Logo für die Spiele in London, das vom Beratungsunternehmen Wolff Olins entworfen und am 4. Juni 2007 vorgestellt wurde. Das Logo, dessen Entwicklung 400.000 Pfund kostete (mehr nicht?), ist eine abstrakte, an Glasscherben erinnernde Darstellung der Zahl 2012.

„Es möchte ‚den dynamischen Olympischen Geist und die Begeisterungsfähigkeit, die die Menschen überall auf der Welt erreichen soll’ symbolisieren. … Der Auftrag lautete, ein Emblem zu schaffen, das die vier wichtigen Markensäulen ‚Zugang, Teilnahme, Anregung und Begeisterung’ repräsentiert und in der Markenvision der Spiele für alle „kulminiert’.

Das scherenschnittartige Emblem möchte die markenorientierte Welt widerspiegeln, in der Menschen, insbesondere junge Menschen, sich nicht mehr mit statischen Logos identifizieren wollen, sondern auf dynamische Symbole reagieren, die auf neue Technologien setzen und über herkömmliche und neue Mediennetzwerke verbreitet werden können.“ (Quelle: dasauge.de)

    Olympia London 2012

Das allgemeine Logo in Rosa mit gelben Rand scheint von Farbblinden entworfen zu sein. Die Farben sind „hübsch-hässlich“. Daneben gibt es das Logo auch in Grün, Orange und Blau. Es sind beliebige weitere Farbkombinationen anwendbar, so dass Sponsoren das Logo flexibel an ihre Bedürfnisse anpassen können. Nun ja …

„Unmittelbar nach der Präsentation rief das Logo in der Öffentlichkeit starke negative Reaktionen hervor. Bereits wenige Stunden später hatten Zehntausende Personen eine Petition unterschrieben, mit der ein neues Logo gefordert wurde. Eine animierte Version, die am selben Tag wie das Logo präsentiert worden war, löste gemäß der Hilfsorganisation ‚Epilepsy Action’ bei mehreren Personen epileptische Anfälle aus. Die beanstandete Animation wurde daraufhin nach kurzer Zeit von der Website des Organisationskomitees entfernt. Der damalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone forderte, dem Unternehmen, das diesen ‚katastrophalen Fehler’ begangen habe, dürfe kein Honorar überwiesen werden.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Aber dem noch nicht genug. Betrachtet man das Logo ganz ‚aufmerksam’, dann kann man durchaus nachvollziehen, wie der Guardian das Logo sieht: Lisa Simpson, die London einen Blowjob gibt“. Wieder andere fühlten sich an ein „verzerrtes Hakenkreuz“ erinnert.

    Olympia London 2012 Lisas London-Blowjob

Im Februar 2011 beschwerte sich ausgerechnet der Iran, das Logo sei dem Wort „Zion“ ähnlich und damit rassistisch. Der Generalsekretär des Iranischen Olympischen Komitees drohte mit einem Olympiaboykott und forderte andere muslimische Staaten auf, ebenfalls gegen das Logo zu protestieren. Betrachtet man das Logo auch unser dieser Sicht, so ist an dieser Kritik durchaus etwas dran:

Logo Olympia London 2012: Zion lässt grüßen

Was also Markenorientierung und Dynamik betrifft, so hat das Logo die Anforderungen geradezu übertroffen. Es ist ein 400.000 Pfund teurer markig-dynamischer Dreck!

Olympische Spiele sind immer auch eine Prestigesache. China hat vor vier Jahren bei den Spielen in Peking alles aufgewendet, um die Welt zu beeindrucken. In London ist zwar alles eine Nummer kleiner, trotzdem lassen sich die Engländer die Olympischen Spiele in diesem Jahr etwa elf Milliarden Euro kosten. Dafür gibt es neue Stadien, Bahnhöfe und Kunstwerke. Fotostrecke auf zeit.de

weitere interessante Beiträge auf zeit.de

TV-Team beim DRK-Suchdienst Standort München

„Seit 1945 forscht der DRK-Suchdienst nach verschollenen Menschen – zunächst natürlich vorwiegend nach solchen, die in den Wirren und Schrecken des Zweiten Weltkriegs verloren gingen. Auch heute noch wenden sich täglich bis zu 200 Hilfesuchende an das Deutsche Rote Kreuz, die Verwandte oder Bekannte suchen, die im Zweiten Weltkrieg und der aus ihm resultierenden Teilung Deutschlands verschollen sind. Und das sind immer noch rund 1,3 Millionen Menschen.“

„Aber das Betätigungsfeld des DRK-Suchdienstes hat sich erweitert: Neben der Suche und Zusammenführung von Familien im Rahmen von Spätaussiedlungen nach Deutschland betätigt sich der humanitäre Dienst zunehmend auch bei Katastrophen in der ganzen Welt – seien sie Naturkatastrophen oder kriegerische Auseinandersetzungen, wie in Afghanistan, einem der Schwerpunkte der derzeitigen Arbeit.“ (Quelle: Bayerischer Rundfunk)

DRK Suchdienst Standort Hamburg: Familienzusammenführung

Am Dienstag, den 24. Juli, sendete der Bayerische Rundfunk in seinem dritten Fernsehprogramm u.a. in der Abendschau ab 18 Uhr einen Beitrag über den DRK-Suchdienst in München.


TV-Team (Bayern 3) beim DRK-Suchdienst Standort München

Weitere Videos: Lifeteam aus München I DRK-SuchdienstLiveteam aus München II: Eine gute Bilanz

Neben den DRK-Suchdienst in München gibt es auch noch den Standort Hamburg, der seit mehr als 65 Jahren über Ländergrenzen hinweg Familien wieder zusammenbringt. Die Mitarbeiter dort beraten vor allem Spätaussiedler und deren Familienangehörige.

Warum schreibe ich das? Nun ich bin Mitarbeiter beim Standort Hamburg und dort als Datenbankadministrator tätig. Insgesamt bin ich jetzt schon seit über 20 Jahren beim DRK-Suchdienst beschäftigt.

Jorge Luis Borges: Phantastische Erzählungen

    Ich schreibe für mich selber, für die Freunde und um das Verringen der Zeit weniger schmerzhaft zu verspüren.
    Jorge Luis Borges

Betrachtet man die lateinamerikanische Literatur, so fällt der 1899 in Buenos Aires geborene und 1986 in Genf verstorbene Jorge Luis Borges doch ziemlich aus dem Muster. Er war ein Vertreter der kleinen Form und schrieb überwiegend Gedichte (siehe u.a. meinen Beitrag Jorge Luis Borges: Ein Traum) und Kurzgeschichten. Borges fiel aus der Muster, weil er sich weniger dem Leben und den Ereignissen in Südamerika widmete, das zwar auch, aber vornehmlich schrieb er Erzählungen, die rätselhaft, labyrinthisch, symbolisch und phantastisch sind. Literarisch maßgeblich beeinflusst war er durch die englische Literatur (Whitman, Chesterton, Shaw, De Quincey), Franz Kafka und dem Daoismus. Seine philosophischen Anschauungen, die dem erkenntnistheoretischen Idealismus verpflichtet sind und sich in seinen Erzählungen und Essays wiederfinden, bezog Borges vornehmlich von George Berkeley, David Hume und Arthur Schopenhauer. Borges war eher ein ‚europäischer’ Schriftsteller.

    Jorge Luis Borges

Borges verstand sich nicht als politischer Schriftsteller, galt aber als konservativ, teilweise sogar als antidemokratisch bis reaktionär, was im Zusammenhang mit seiner Kritik an den zweimaligen argentinischen Präsidenten Juan Perón zu sehen ist, der Demokratie nicht unbedingt nach westlichem Muster interpretierte. So unterstützte Borges zunächst den Militärputsch von 1976, der der Perón-Herrschaft ein Ende setzte, ging dann aber auf Distanz zu der Militärdiktatur.

Während einer Sommergrippe, die mich auch heute noch plagt, habe ich Zeit gefunden, mir Jorge Luis Borges’ Werk, speziell seine Erzählungen, noch einmal vorzunehmen.

„Die Vorstellungen Humes und die der Gnostiker haben Borges’ Weltbild geprägt. Eine Welt, die von einem unreifen, unüberlegt handelnden Gott geschaffen wurde, die dann halb vollendet liegenblieb, in der es keine Autorität, keinen Bezugspunkt gibt, kann nicht den Anspruch auf Ordnung und Harmonie erheben. […] Der Mensch ist verdammt, in einem Chaos, in einem chaotischen Dasein zu leben.

da es in der Wirklichkeit unmöglich ist, […] das Chaos zu durchdringen, kommt der Mensch zu dem Entschluß, diese Möglichkeit zumindest in einem imaginären, phantastischen Universum nach seiner Vorstellung zu realisieren.“ (Nachwort von José A. Friedl Zapata, Heidelberg, im Mai 1973 im Band: Die Bibliothek von Babel – Erzählungen – Philipp Reclam Jun., Stuttgart – Universal-Bibliothek Nr. 9497 – 1974)

Anhand von kurzen Textpassagen möchte ich an dieser Stelle einige wesentliche Aspekte der Gedanken Borges’ vorführen, die ich vor allem als Gedankenspiele ansehe, wenn auch äußerst interessanten. Borges beschäftigte sich mit dem Gedanken der Unendlichkeit und hat dabei einige bemerkenswerte ‚Bilder’ entworfen.

Zunächst behandelte Borges den Gegensatz von Abfolge und Simultanität. Letzteres lässt sich vielleicht in einem geometrischen Punkt darstellen, der ohne Ausdehnung ist. Die Abfolge wäre dann vielleicht die Gerade, die unendlich lang ist. Er beschreibt ein Problem der Sprache des Nacheinanders statt der Simultanität: „Was meine Augen schauten, war simultan; was ich beschreiben werde, ist sukzessiv, weil die Sprache es ist.“ (Das Aleph in: Die zwei Labyrinthe – dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, München – Originalausgabe – Juli 1986 – S. 124). Wenn Borges dann die Dichtung eines fiktiven Volkes in einem einzigen Wort reduziert sieht („… die Dichtung der Urnen [besteht] aus einem einzigen Wort.“ (Undr in: Das Sandbuch – Erzählungen – Carl Hanser Verlag München, Wien – Reihe Hanser 233 – 1977 – S. 76)), dann ist das der erzählende Versuch, der Sprache simultane Eigenschaft aneignen zu wollen.

Sprache, Wörter, Verständnis: Hierzu schreibt Borges u.a. „Die Wörter sind Symbole, die ein gemeinsames Gedächtnis voraussetzen.“ (Der Kongreß in: Die Bibliothek von Babel) oder „Um etwas zu sehen, muß man es verstehen.“ (There Are More Things in: Das Sandbuch S. 55). Beim Erinnern oder Vergessen bezieht sich Borges auf Bacon: “Bacon habe geschrieben, wenn Lernen Sich-Erinnern ist, dann ist Unkenntnis nichts anderes als Vergeßlichkeit.“ (Die Nacht der Gaben in: Das Sandbuch S. 61)

In der außergewöhnlichen Erzählung „Tlön, Uqbar, Orbis Tertius“ lässt Borges nicht nur ein fiktives Land erschaffen, sondern gleich einen ganzen fiktiven Planeten, der seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat: „Ich habe gesagt, daß die Menschen dieses Planeten die Welt als eine Folge geistiger Vorgänge auffassen, die sich nicht im Raum, sondern nacheinander in der Zeit abspielen.“ (Tlön, Uqbar, Orbis Tertius in: Die zwei Labyrinthe S. 25)

Die Unendlichkeit nun stellt er z.B. anhand eines Buches dar, das er Sandbuch (Text dt. – span.) nennt: „Sein Buch heiße Sandbuch, sagte er, weil weder das Buch noch der Sand Anfang oder Ende hätten.“ (S. 112 – Das Sandbuch). Weder ein Anfang noch ein Ende des Buchs lässt sich aufschlagen. Als Motto versieht Borges diese Erzählung mit einem Ausspruch von George Herbert (1593-1623): „…thy rope of sands …“ (ein Seil aus Sand).

Wohl die bekanntes Erzählung ist die von der unendlichen Bibliothek von Babel (dt. Text/span. Text), die auch Einzug in den bekannten Roman „Der Name der Rose“ vom Umberto Eco hielt. Jorge Luis Borges wird in dem mittelalterlichen Roman zu jenem Jorge von Burgos, dem Hüter der Klosterbibliothek.

„Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen […] Zwanzig Bücherregale, fünf breite Regale auf jeder Seite, verdecken alle Seiten außer zweien […] jedes Regal faßt zweiunddreißig Bücher gleichen Formats; jedes Buch besteht aus vierhundertzehn Seiten, jede Seite aus vierzig Zeilen, jede Zeile aus etwa achtzig Buchstaben von schwarzer Farbe.“ (Die Bibliothek von Babel in: Die zwei Labyrinthe, S. 54 ff.)

Etwas verquer liest sich die Erzählung von Pierre Menard, dem Autoren einer wortgetreuen Widergabe des Don Quijote, den ja eigentlich Miguel de Cervantes geschrieben hat:

„Auf irgendeine Art Cervantes zu sein und zum Quijote zu gelangen erschien ihm weniger schwierig […], als fernerhin Pierre Menard zu bleiben und durch die Erlebnisse Pierre Menards zum Quijote zu gelangen. […] ‚Ich brauchte nur unsterblich zu sein, um es zu vollenden.’“ (Pierre Menard, Autor des Quijote in : Die zwei Labyrinthe, S. 41)

Auch hier geht es um die Unendlichkeit. Wenn ein Schriftsteller unendlich lang lebte und schriebe, so würde er irgendwann auch den Don Quijote ‚erneut’ schreiben, dann natürlich auch jedes andere Buch dieser Welt.

Aber es gebt auch andersherum: „Es ist Odins Scheibe. Sie hat nur eine Seite.“ (Die Scheibe in: Das Sandbuch, S. 109). In einer Welt des Raums gibt es eigentlich mindestens drei Dimensionen und jede Münze und Scheibe hätte zwei Seiten.

Das Buch „Die zwei Labyrinthe“ (dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, München) enthält neben den Gedichten und Erzählungen auch eine kurzgefasste und lesenswerte „Geschichte des Tango“ (also doch auch etwas mit südamerikanischen Bezug), sowie zwei Vorträge zum Buch (siehe hierzu auch meinen Beitrag: Lesen und Wiederlesen) und zur Zeit:

„Plotin sagt: es gibt drei Zeiten, und alle drei sind die Gegenwart. Eine Zeit ist die augenblickliche Gegenwart, die Zeit, in der ich spreche. Das heißt, der Moment in dem ich sprach, denn dieser Moment gehört nun schon zur Vergangenheit. Die zweite Zeit ist die Gegenwart der Vergangenheit, Erinnerung genannt. Die dritte ist die Gegenwart der Zukunft: das, was unsere Hoffnungen oder Ängste sich vorstellen.
Plato sagte, die Zeit sei das bewegliche Abbild der Ewigkeit.“
(S. 265)

Dies ist der 2500. Beitrag in WilliZ Weblog

London Calling (2): Olympia 2012

Sieben Jahre ist es her, dass die 30. Olympische Sommerspiele 2012 an London vergeben wurden. Damit ist die britische Hauptstadt bereits zum dritten Mal nach 1908 und 1948 Olympia-Schauplatz.

    Olympia London 2012

Die Spiele beginnen bereits morgen mit dem Fußballspiel Großbritannien – Neuseeland im Frauenturnier in Cardiff, Millennium Stadium. Die eigentliche Eröffnungsfeier ist dann am Freitag, den 27. Juli. Am Sonntag, den 12. August, enden die olympischen Spiele. Er werden Teilnehmer aus über 200 Länder erwartet sowie einige unabhängige Olympiateilnehmer (drei Athleten von den Niederländischen Antillen sowie einer aus dem Südsudan).

Mittelpunkt und Hauptveranstaltungsort wird der Olympiapark (englisch Olympic Park) mit dem Olympiastadion (80.000 Zuschauer) für Leichtathletik, Eröffnungs- und Schlussfeier sein, der überwiegend im Stadtteil Stratford liegt.


Größere Kartenansicht
Olympic Park, London

Für Deutschland wurden vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 391 Athleten in 23 Sportarten für die Spiele in London nominiert (DOSB-Starterliste).

Hier zunächst die offizielle Website der Olympischen Spiele: London 2012

Die deutsche Berichterstattung erfolgt im Internet u.a. auf sportschau.de/olympia und zdfsport.de

Lesen und Wiederlesen

Neben der Kategorie Literatur gibt es in meinem Weblog noch die Unterkategorie Wiedergelesen. Das kommt natürlich nicht von ungefähr. Wer viel liest, der wird irgendwann auch wiederlesen. So wie man sich einen guten Film gern ein zweites Mal anschaut, so liest man auch ein gutes Buch, vielleicht erst nach Jahren, gern ein weiteres Mal.

In der letzten Woche hatte ich mir eine Sommergrippe eingehandelt. So habe ich mir einige Zeit zum Lesen und Wiederlesen genommen. In einem Lesebuch mit Kurzgeschichten, Essays und mehreren Vorträgen von Jorge Luis Borges: Die zwei Labyrinthe (dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, München – Originalausgabe – Juli 1986) schrieb Borges in einem Vortrag über das Buch: „Ich habe mehr wiedergelesen denn zu lesen versucht, ich glaube, daß wiederlesen wichtiger ist als lesen – abgesehen davon, daß man gelesen haben muß, um wiederlesen zu können.“ (S. 260). Auf dieses und zwei weitere Bücher von Borges mit Kurzgeschichten usw., die ich jetzt erneut gelesen habe, komme ich noch einmal extra zu sprechen.

Inzwischen glaube auch ich, mehr wiederzulesen als neu zu lesen. Es sind einfach die kleinen literarischen Schätze, die einen das Leben lang begleiten und die nach einmaligem Lesen nicht so einfach im Bücherregal verschwinden können. Immer wieder, und wenn auch erst nach längerer Zeit, nimmt man sich so ein Buch wieder zur Hand. Ein Buch ist etwas Handfestes. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb ich mir immer noch keinen eBook-Reader zugelegt habe.

Für Borges ist wiederlesen zudem wichtiger als lesen. Das Wiederlesen verstärkt die Wirkung eines Buches. Wie in einem Film, den wir ein zweites Mal sehen, entdecken wir auf einmal Details, die wir beim ersten Mal übersehen haben. Und gerade diese Details brennen sich jetzt verstärkt ins Gedächtnis.

Ich persönlich habe es nie so ganz verstanden, wie manche Menschen Bücher, eins nach dem anderen, geradezu verschlingen können. Ich lese auch viel. Aber ein gutes Buch muss bei mir auch nachwirken können. Und wenn es gut war, lese ich es mit Sicherheit erneut. Ein gutes Buch zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es ein weiteres Mal gelesen wird. Ein Buch ist keine Zeitung, die heute aktuell ist, morgen dagegen bereits überholt. Selbst ein altes Buch wird auch heute noch sehr aktuell sein.

Heute Ruhetag (18): Theodor Strom – Der Schimmelreiter

Der Schimmelreiter zog vor allem an den norddeutschen Küsten durch die stürmischen Dezembernächte. Sein Ursprung dürfte in der germanischen Mythologie (Pferdekult) stammen. Bekannt geworden ist er durch die gleichnamige Erzählung von Theodor Storm (siehe meinen Beitrag: Weihnachten von A bis Z: S wie Schnee & Silvester)

„Die Novelle, in deren Zentrum der fiktive Deichgraf Hauke Haien steht, basiert auf einer Sage, mit der Storm sich über Jahrzehnte befasste. Mit der Niederschrift der Novelle begann er jedoch erst im Juli 1886 und beendete seine Arbeit daran im Februar 1888, wenige Monate vor seinem Tod.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Wer in Norddeutschland lebt, kommt um diese Novelle kaum herum, wenn er hier auch noch zur Schule gegangen ist. Im August 2000 war ich mit meiner Familie zwei Wochen auf Sizilien. Der älteste meiner beiden Söhne war damals noch nicht ganz 10 Jahre alt. Auf einem Buchbazar in Marina di Ragusa fanden wir eine Ausgabe in deutscher Sprache mit eben dieser Erzählung. Wie das Buch wohl nach Sizilien gekommen ist? Und mein Sohn stürzte sich förmlich auf das Buch und las den Schimmelreiter während der letzten Tage am Strand bis zum Ende. Sicherlich etwas außergewöhnlich für einen Neunjährigen. Aber er war fasziniert von der Geschichte.

Heute Ruhetag!

Was ich zu berichten beabsichtige, ist mir vor reichlich einem halben Jahrhundert im Hause meiner Urgroßmutter, der alten Frau Senator Feddersen, kundgeworden, während ich, an ihrem Lehnstuhl sitzend, mich mit dem Lesen eines in blaue Pappe eingebundenen Zeitschriftenheftes beschäftigte; ich vermag mich nicht mehr zu entsinnen, ob von den »Leipziger« oder von »Pappes Hamburger Lesefrüchten«. Noch fühl ich es gleich einem Schauer, wie dabei die linde Hand der über Achtzigjährigen mitunter liebkosend über das Haupthaar ihres Urenkels hinglitt. Sie selbst und jene Zeit sind längst begraben; vergebens auch habe ich seitdem jenen Blättern nachgeforscht, und ich kann daher um so weniger weder die Wahrheit der Tatsachen verbürgen, als, wenn jemand sie bestreiten wollte, dafür aufstehen; nur so viel kann ich versichern, daß ich sie seit jener Zeit, obgleich sie durch keinen äußeren Anlaß in mir aufs neue belebt wurden, niemals aus dem Gedächtnis verloren habe.

[…]

Franz Karl Basler-Kopp: Schimmelreiter I; Kreide auf Papier
Franz Karl Basler-Kopp: Schimmelreiter I; Kreide auf Papier

Ich blickte neben ihm hinaus; die Fenster hier oben lagen über dem Rand des Deiches; es war, wie er gesagt hatte. Ich nahm mein Glas und trank den Rest. »Haben Sie Dank für diesen Abend!« sagte ich; »ich denk, wir können ruhig schlafen!«

»Das können wir«, entgegnete der kleine Herr; »ich wünsche von Herzen eine wohlschlafende Nacht!«

– – Beim Hinabgehen traf ich unten auf dem Flur den Deichgrafen; er wollte noch eine Karte, die er in der Schenkstube gelassen hatte, mit nach Hause nehmen. »Alles vorüber!« sagte er. »Aber unser Schulmeister hat Ihnen wohl schön was weisgemacht; er gehört zu den Aufklärern!«

– »Er scheint ein verständiger Mann!«

»Ja, ja, gewiß; aber Sie können Ihren eigenen Augen doch nicht mißtrauen; und drüben an der andern Seite, ich sagte es ja voraus, ist der Deich gebrochen!«

Ich zuckte die Achseln: »Das muß beschlafen werden! Gute Nacht, Herr Deichgraf!«

Er lachte: »Gute Nacht!«

– – Am andern Morgen, beim goldensten Sonnenlichte, das über einer weiten Verwüstung aufgegangen war, ritt ich über den Hauke-Haien-Deich zur Stadt hinunter.

Theodor Storm: Der Schimmelreiter – Novelle (1888)

Bürokratie vor Betreuung

Weil es weiterhin an Kita-Plätzen fehlt, sind Tagesmütter (und Tagesväter) gefragt. So wurden im letzten Jahr rund 124.000 Kinder im Rahmen der Kindertagespflege betreut. Besonders für Kinder unter drei Jahre werden Tagesmütter gesucht, da es hier weiterhin große Engpässe bei Kitas (Kindertagesstätten) gibt. Nach dem Sozialgesetzbuch VIII ist diese Betreuungsform im familiennahen Umfeld übrigens gleichrangig mit der Betreuung in einer anderen Kindertageseinrichtung.

    Tagesmütter und Tagesväter

Wer nun glaubt, der Staat und besonders Brüssel unterstütze die Tagesmütter und –väter, muss sich getäuscht sehen. Immer mehr bürokratische Hürden werden aufgestellt, über die die Kindertagespflege für die Hunde geht.

Begonnen hat das bereits zu Zeiten der großen Koalition als der damalige Bundesfinanzminister, Peer Steinbrück, meinte, die bisher einkommensteuerfreie Kostenübernahme der Kommunen für die Tagespflege, die als Aufwandsentschädigung gezahlt wurde, zur Einkommensteuer heranzuziehen.

Daneben sind Tagesmütter und –väter sozialversicherungspflichtig. Wer nicht gerade unter 365 € im Monat (nach Abzug der Betriebskosten) Einnahmen hat und beim Ehegatten familienversichert ist, darf sich so u.a. auch noch krankenversichern (gilt nach meinem Wissen allerdings nur für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2013).

Seit 1. Januar 2012 gilt zudem eine EU-Richtlinie, die Tagesmüttern strenge Hygieneregeln auferlegt. Das geht soweit, dass im zeitlichen Abstand die Kühlschranktemperatur zu messen ist. Welchen Sinn das macht, sollte man die Bürokraten in Brüssel fragen. Das Land Niedersachsen hat sich bisher gesträubt, diese Richtlinie umzusetzen.

Und was ist nun der Dank und Lohn? Für jedes Kind bekommt die Tagesmutter 3 € pro Stunde. Es dürfen maximal fünf Kinder betreut werden. So ‚verdient’ eine Tagesmutter also maximal 15 € die Stunde. Die Betriebskosten, also der Sachaufwand für Spielzeug, Bücher, zusätzliche Heizkosten, zusätzliche Haftpflichtversicherung und Lehrgänge– und natürlich die angesprochenen Sozialabgaben und Steuern müssen von diesen Einnahmen bestritten werden. Aber welche verantwortungsvolle Tagesmutter hat schon fünf Kinder?

Und seit einigen Tagen gibt es nun auch noch ein Urteil des Bundesgerichthofes, nachdem bezahlte Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden gewerbliche Nutzung entspricht. Daher benötigen Tagesmütter eine Erlaubnis des Verwalters oder Vermieters, wenn sie die Tagespflege in einer Wohnung ausüben. Ob der Verwalter oder Vermieter die Genehmigung mit dem Argument verweigern darf, die Kinder seien zu laut, ließ der BGH allerdings aus prozessualen Gründen offen. Eigentlich wurde aus diesem Streitpunkt das Gerichtsverfahren geführt.

Deutschland war und ist weiterhin ein wenig kinderfreundliches Land. Was sich da Bürokraten in Brüssel und Berlin ‚zum Wohle der Kinder’ ausdenken, ist hanebüchen. Die Spitze ist natürlich jetzt dieses Gerichtsurteil, dass Kinderbetreuung als gewerblich einstuft und damit z.B. einer Werkstatt gleichstellt, in der gehämmert, gestanzt und gebohrt wird.

siehe auch. Tagesmütter und-väter e.V. des Landkreises Harburg