Parallel zur Fußball.Europameisterschaft läuft seit Mittwoch die 21. Leichtathletik-Europameisterschaft in der finnischen Hauptstadt Helsinki und endet wie der Fußball am 1. Juli 2012. Die fünftägigen Wettkämpfe finden im Olympiastadion statt.
Nach den ersten drei Wettkampftagen haben die deutschen Sportler drei Gold- (Pascal Behrenbruch im Zehnkampf, Nadine Kleinert, Frauen, und David Storl, Männer, im Kugelstoßen), zwei Silbermedaillen (Arne Gabius über 5000 m Herren und Christina Obergföll, Sperrwerfen Frauen) und eine Bronzene (Linda Stahl, ebenfalls Sperrwerfen Frauen) gewonnen. Bisher also eine gute ‚Ausbeute‘. Weitere Medaillenchancen bestehen traditionell in den technischen Wurfdisziplinen (Hammerwurf und Diskus).
In knapp fünf Wochen, am 03.08.2012, starten dann die Wettbewerbe in der Leichtathletik während der Olympischen Spiele 2012 in London (vom 27.07. – 12.08.).
Sport gibt es in diesem Sommer, der sich bisher von seiner schlechten Seite zeigt, also zur Genüge …
Offizielle Website der Leichtathletik-Europameisterschaften 2012 (Englisch)
Nun dürfen früher als gewollt die Deutschland-Fähnchen eingerollt und die sieben Meisterbiere ausgetrunken werden – und Jürgen Klopp und all die bärtigen Herren in deutschen Landen rasieren sich wieder. Der Alltag kehrt ein. Es ist aus und vorbei. Wieder hat es nicht sollen sein. Und schon wieder gegen Italien.
Als ich gestern von der Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft im Halbfinale bei der Fußball-Europameisterschaft erfuhr, überkam mich geradezu Entsetzen: Wieder mit Podolski und wieder mit Gomez. Des Bundestrainers Löw bescheidenes Fazit nach dem Spiel: „In den ersten drei Spielen haben wir auch gewonnen mit Mario Gomez und Lukas Podolski.“ Und was war mit dem vierten Spiel gegen Griechenland mit den Einsätzen und Toren von Klose und Reus? Warum also wieder diese beiden Spieler, die wie Fremdkörper in einer ansonsten eher homogenen Mannschaft wirken. Warum diese hohen, meist unpräzisen Pässe in den Strafraum, in dem ein unbeweglicher Mittelstürmer alter Prägung nicht so recht wusste, was er tun sollte. Nein, Herr Löw, es mag ja sein, dass sie Herrn Gomez zu einem vierten Tor und damit vielleicht zur Torschützenkrone verhelfen wollten. Es mag ja sein, dass sie glaubten, Herr Podolski würde in seiner alten Heimat zu alter Form auflaufen. Ihren Fehler haben Sie korrigiert – allerdings zu einer Zeit, als so gut wie nichts mehr zu retten war. Einen Zwei-Tore-Vorsprung lassen sich die Italiener so schnell nicht aus der Hand nehmen.
Für die Mannschaft tut es mir schon etwas Leid. Aber wer so hohe Ansprüche an sich stellt und diese nicht zu erfüllen im Stande ist, macht sich nun einmal zum Deppen. In zwei Jahren geht es dann nach Brasilien zur Weltmeisterschaft. Vielleicht klappt es dann. Die Mannschaft ist noch jung, nur im Sturmbereich muss nun auch endlich ein Durchbruch geschehen. Gomez passt, wie Mehmet Scholl, Co-Kommentator bei der ARD, anfangs richtig festgestellt hat, nicht in ein ‚spielendes’ Team – so wie Klose. Nur der ist inzwischen 34 Jahre alt. Wer käme da also in Frage? Wahrscheinlich sollte man fast ganz auf einen typischen Mittelstürmer verzichten und einen Spieler wie Reus verstärkt zentral agieren lassen.
Italien also im Endspiel – und gegen Spanien wie bereits in der Gruppenphase, als sich beide Mannschaften nach gutem Spiel 1:1 trennten. Überhaupt haben die Italiener durch einen für sie ungewohnten Offensivfußball überzeugt. Ich bin nun wirklich kein Freund des italienischen Fußballs, aber was die Italiener während dieser EM spielen, kann sich durchaus sehen lassen.
Die Spanier taten sich gegen wild entschlossene Portugiesen im ersten Halbfinalspiel recht schwer, obwohl sie wie gewohnt mehr Ballbesitz hatten. Das Team von Paulo Bento unterband in einer intensiven Partie konsequent das spanische Kurzpassspiel. In der Verlängerung war den Portugiesen der Kräfteverschleiß und später die Erleichterung über den Schlusspfiff anzumerken. Im Elfmeterschießen setzte sich dann das glücklichere Team durch.
Hier noch einmal meine Tipps zum Halbfinale und die tatsächlichen Ergebnisse:
27.06. 20:45 Donezk Portugal – Spanien Tipp 1:2 (Ergebnis: 2:4 n.E., 0:0)
28.06. 20:45 Warschau Deutschland – Italien Tipp 2:0 (Ergebnis 1:2)
Und mein Tipp zum Endspiel? Die Spanier sind meilenweit von ihrer früheren Klasse entfernt. Es mangelt besonders am Abschluss. Gegen Portugal versuchte man dies zu beheben. Aber ohne großen Erfolg. Die Spanier hätten lieber gegen die deutsche Mannschaft gespielt. Jetzt wissen wir in Deutschland, warum … Ich denke, es wird ein interessantes, wenn auch nicht spielerisch hochklassisches Endspiel. Die Taktik wird das Spiel beherrschen – und am Ende gewinnt vielleicht wieder das glücklichere Team …
01.07. 20:45 Uhr Kiew Spanien – Italien Tipp 2:1 n.V.
Albert Camus war Schriftsteller und Philosoph des Existenzialismus und gilt als einer der bekanntesten und bedeutendsten französischen Autoren des 20. Jahrhunderts. 1957 erhielt er für sein Gesamtwerk den Nobelpreis für Literatur.
Den Philosophen Camus habe ich hier schon in mehreren Beiträgen vorgestellt. In dem Beitrag Albert Camus: Der Fremde zu der Erzählung Der Fremde schrieb ich: „Leben heißt Miterleben […]. Ausgangspunkt der Philosophie Camus’ ist das Absurde des Lebens, die Sinnlosigkeit. Dem kann der Mensch nur durch die Revolte, durch ein tägliches sich Aufbäumen, entgehen. Morgens, wenn ich aufstehe, so lebe ich trotzdem (trotz der Sinnlosigkeit) und mühe mich um menschliche Solidarität.“
Neben Camus ist es Sartre, der gegen die „Sinnlosigkeit des Lebens“ revoltierte. Für den Marxisten Sartre endet die Revolte allerdings im Endziel Kommunismus, bei Camus ist die Revolte ‘endlos’. Außerdem spielt für den Mittelmeermensch Camus vor allem Licht und Schatten eine wichtige Rolle. In dem Schauspiel „Das Mißverständnis“ ist es die Sehnsucht der Schwester nach dem Meer und nach Sonne.
In meinem kleinen Philosophie-Modell berief ich mich übrigens auch auf Camus und schrieb zusammenfassend: „Es gibt keinen eigentlichen, allgemeingültigen Sinn des Lebens. Man muss sich und seinem Leben ‚selbst’ einen Sinn geben. Ähnlich dachte auch Buddha, der das Leben für leidvoll hielt. Man muss gegen diese allgemeine Sinnlosigkeit, gegen das Leid revoltieren. Diese Revolte ist ein tägliches sich Aufbäumen gegen die Absurdität des Lebens.“
Albert Camus war nun nicht nur Philosoph und Verfasser von Romanen und Erzählungen. Er war auch ein begeisterter Theaterfreund und als solcher Schauspieler und Regisseur eines kleinen Theaters in Algier – und natürlich Dramatiker. Zwischen 1938 und 1950 verfasste er vier Schauspiele. 1959 dramatisierte er mit dem Stück „Die Besessenen“ den Roman Dämonen von Dostojewski.
Die Dramen von Albert Camus sind in einem gut 340 Seiten umfassenden Buch erhältlich. Ich selbst zitiere hier aus der folgenden Ausgabe: Albert Camus: Dramen – ins Deutsche übertragen von Guido G. Meister – Rowohlt Verlag, Hamburg – 128. – 131. Tausend, April 1982 (14. Auflage) – Sonderausgabe
Vorweg: Natürlich werden Camus’ Stücke auch heute noch aufgeführt und sind nicht ‚vergessen’. Seine Themen haben nicht an Aktualität eingebüßt. Wie sollten sie auch. Was hat sich schon wesentlich auf unserer Erdenkugel geändert.
Scipio: … Leiden verursachen sei die einzige Art, sich zu irren. (S: 23)
Cherea: Man muß wohl zuschlagen, wenn man nicht widerlegen kann. (S. 32)
Caesonia: … gieße über unsere Gesichter deine unparteiliche Grausamkeit, deinen ganz und gar sachlichen Haß. (S. 48)
Caligula: Das Schicksal kann man nicht begreifen, und darum habe ich mich zum Schicksal gemacht … (S. 51)
Cherea: … die Unsicherheit veranlaßt einen, zu denken. (S. 60)
Caligula: Nun, ich trete gewissermaßen an die Stelle der Pest. (S. 64)
Caligula: Die anderen schaffen aus Machtlosigkeit. Ich jedoch habe kein Werk nötig. Ich lebe. (S. 66)
Calugula: Wenn ihr alle da seid, verspüre ich eine Leere ohne Maß, in die ich nicht blicken vermag. Nur unter meinen Toten ist mir wohl. (S. 69)
Calugula: Die Dummheit […] ist mörderisch. Sie wird zum Mörder, wenn sie sich beleidigt fühlt. (S. 69)
Caligula: Einen Menschen lieben, heißt einwilligen, mit ihm alt zu werden. Dieser Liebe bin ich nicht fähig. Eine alte Drusilla, das war viel schlimmer als eine tote Drusilla. (S. 71)
Caligula: Ich lebe, ich töte, ich übe die sinnverwirrende Macht des Zerstörers, mit der verglichen die Macht des Schöpfers als billiger Abklatsch erscheint. Das heißt glücklich sein! (S. 71)
Caligula: Aber wer wagte es, mich zu richten in dieser Welt ohne Richter, da niemand ohne Schuld ist! (S. 72)
Das Schauspiel Caligula, ein Schauspiel in vier Akten, entstand 1938, nachdem Camus, damals gerade 25 Jahre alt, SuetonsDe vita Caesarum gelesen hatte. Es ist die Tragödie maßlosen Machtwillens. Der vom Drang nach dem Absoluten besessene Caligula glaubt, die Treue zu sich durch die Untreue gegen die anderen gewinnen zu können. Caligula ist kein brutaler Despot, sondern ein raffinierter, intellektueller Verbrecher, der seine Untertanen immer weitertreibt, wie in einem Experiment, um zu prüfen, was sie alles erdulden. Als er endlich unter den Dolchen der Verschwörer zusammenbricht, sind seine letzten Worte: „Ich lebe immer noch.“ – Eine indirekte Aufforderung, dass die Verpflichtung zum Widerstand nie erlischt.
„Historisch setzt es nach dem Tod der Drusilla und der damit verbundenen Krise des Kaisers ein, der die Sinnlosigkeit des Lebens erkennt und damit Camus’ philosophische Konzeption des Existentialismus versinnbildlicht.“
Wuppertaler Bühnen: CALIGULA (Trailer) von Albert Camus
„Caligula, das ist der Spieler ums Absolute, der Tyrann, dessen uneingeschränkte Macht ihn verleitet, sich auf die Suche nach der vollkommenen Freiheit zu begeben, um sich neben die Götter einzureihen. Caligula ist der launische Despot, der zwischen Wahn und Willenskraft seine Untertanen wie Fliegen auslöscht, wenn ihm danach ist, und befiehlt, den Mond für ihn vom Himmel zu holen.
Der als Sohn französischer Eltern in Algerien geborene Albert Camus (1913–1960) popularisierte in seinem kurzen Leben, das mit einem Autounfall endete, die Philosophie gemeinsam mit Jean Paul Sartre, was bis heute nachwirkt. Die beiden waren weit über Frankreich hinaus und auch außerhalb der Intellektuellenszene moralische Instanzen in einem Europa, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg entsetzt die Frage stellte: Wie konnte das geschehen? Was ist die Essenz, was ist die Existenz des Menschen, worin besteht seine Freiheit, was macht die Macht mit ihm? Um all diese Dinge geht es in ‚Caligula’, der in der Nachkriegszeit oft aufgeführt wurde; Camus hatte das Stück unter dem Eindruck Hitlers umgeschrieben und verschärft.“ (Quelle: diepresse.com)
„Der Mensch, zumindest der herrschende, ist so grausam wie Gott.
Grotesk der Konflikt. Ausgerechnet einen Kaiser läßt Camus erkennen, daß die Welt schlecht eingerichtet ist! Derlei Erkenntnis gewinnen üblicherweise Unterdrückte. Oder weiß mir jemand einen Regenten zu nennen, dem die »Weltordnung« ungelegen gewesen wäre? Camus‘ Geschichte gipfelt in des Kaisers Entschluß, das Unmögliche möglich zu machen. Beispielsweise will dieser sich von Helicon, einem ehemaligen Sklaven, den Mond holen lassen. Im übrigen hofft er, eigene unumschränkte Freiheit dadurch zu erringen, daß er Untergebene foltert, vergewaltigt und mordet. Ein Irrer an den Hebeln der Macht also. Verheerend die Folgen.“ (Quelle: berliner-schauspielschule.de)
Camus selbst schrieb in einem Vorwort zu seinen Dramen: „Caligula, ein bis dahin eher liebenswerter Kaiser, entdeckt beim Tod seiner Schwester und Geliebten, Drusilla, daß die Welt schlecht eingerichtet ist. Von diesem Tag an versucht er, vom Verlangen nach dem Unmöglichen besessen, von Verachtung und Grauen vergiftet, durch Mord und systematische Umkehrung aller Werte eine Freiheit zu üben, die er letzten Endes als falsch erkennen wird. […] während seine Wahrheit darin besteht, die Götter zu leugnen, besteht sein Irrtum darin, die Menschen zu leugnen [so sagt Cherea: ‚Gewiß kommt es bei uns nicht zum erstenmal vor, daß ein Mensch unumschränkte Macht verfügt, aber es geschieht zum erstenmal, daß jemand sich ihrer unumschränkt bedient, daß er so weit geht, den Menschen und die Welt zu leugnen.’ (S. 31)]. Es ist nicht möglich, alles zu vernichten, ohne sich selbst mit zu zerstören.“
Personen:
Caligula
Caesonia
Helicon
Scipio
Cherea
Senectus, der alte Patrizier
Metellus, Patrizier
Lepidus, Patrizier
Octavius, Patrizier
Patricius, Oferhofmeister
Mucius
Die Frau des Mucius
Wachen
Sklaven
Dichter
Der erste, dritte und vierte Akt spielen in Calugulas Palast, der zweite in Chereas Haus. Zwischen dem ersten und den drei folgenden Akten liegen drei Jahre.
Caligula wurde 25.09.1945 im Théâtre Hébertot, Paris (Leitung Jacques Hébertot) uraufgeführt (R: Paul Oettly)
DSE: 29.1.1947 Staatstheater Stuttgart (R: Helmut Henrichs)
Martha: Was sollte aus der Welt werden, wenn die Verurteilten anfingen, dem Henker ihre Herzensnöte anzuvertrauen? (S. 92)
Maria: Von nun an muß ich in jener fürchterlichen Einsamkeit leben, da die Erinnerung eine Folter ist. (S. 113)
Das Mißverständnis (franz.: Le Malentendu), ein Schauspiel in drei Akten, wurde von Albert Camus 1941 im besetzten Paris geschrieben.
Ein Mann, der viele Jahre in Übersee war, kommt heim. Dort leben seine Schwester und seine verwitwete Mutter davon, Untermieter aufzunehmen und zu ermorden. Weil sie ihn nicht erkennen, wird er selber zum Untermieter, ohne seine Identität preiszugeben, und schlussendlich getötet.
Das Missverständnis im Cuvilliés Theater, München
Camus schriebt dazu in seinem Vorwort: „Ein Sohn, der erkannt werden will, ohne seinen Namen nennen zu müssen, und der infolge eines Mißverständnisses von Mutter und Schwester umgebracht wird – das ist das Thema des Stücks. Gewiß verrät es eine sehr pessimistische Auffassung des menschlichen Daseins, die aber sehr wohl mit einem gemäßigten Optimismus in bezug auf den Menschen vereinbar ist. Denn eigentlich will das besagen, daß alles anders gekommen wäre, wenn der Sohn gesagt hätte: ‚Ich bin’s, dies ist mein Name.’ Er will besagen, daß der Mensch in einer ungerechten oder gleichgültigen Welt sich selbst und seine Mitmenschen erretten kann, wenn er sich an die einfachste Aufrichtigkeit, das treffendste Wort hält.“
Personen:
Martha, Jans Schwester
Maria, Jans Ehefrau
Die Mutter
Jan
Der alte Knecht
Das Mißverständnis wurde 1944 im Théâtre des Mathurins uraufgeführt.
Die Pest: … in Tat und Wahrheit bin ich ein Idealist […] Ich bringe euch das Schweigen, die Ordnung und die unbedingte Gerechtigkeit. (S. 146)
Der Richter: Wenn das Verbrechen Gesetz wird, hört es auf, Verbrechen zu sein. (S. 158)
Der Belagerungszustand (französisch L’état de siège) ist ein Theaterstück in drei Teilen von Albert Camus. Es wurde 1948 in Paris uraufgeführt. Das Stück entstand unter dem Einfluss der deutschen Teilung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg. Er zeigt damit die Grausamkeiten, welche tyrannische menschenfeindliche Regimes nach sich ziehen und macht vor allem die Bürokratie als eines der wirkungsvollsten Instrumente der Despotie aus.
Der Belagerungszustand – Schauspielhaus
Zu diesem Stück äußert sich Camus selbst: „Es ist jedoch von Vorteil, zu wissen
1. daß Der Belagerungszustand in keiner Weise eine Bearbeitung meines Romans Die Pest darstellt. Allerdings habe ich einer meiner Personen diesen symbolischen Namen gegeben. Aber da es sich um einen Diktator handelt, ist die Bezeichnung zutreffend;
2. daß Der Belagerungszustand kein nach klassischem Muster verfaßtes Stück ist. […] Ich habe für mein Schauspiel das als Mittelpunkt gewählt, was mir in unserem Jahrhundert der Tyrannen und der Sklaven die einzige lebendige Religion zu sein scheint, nämlich die Freiheit. […] Es war eingestandenermaßen meine Absicht, das Theater den psychologischen Grübeleien zu entreißen und auf unseren von gedämpften Murmeln erfüllten Bühnen die lauten Schreie ertönen zu lassen, die heute ganze Menschenmassen ins Joch beugen oder befreien.“
Personen:
Die Pest
Die Sekretärin
Nada
Victoria
Der Richter (Viktorias Vater)
Die Frau des Richters
Diego
Der Gouverneur
Der Alkalde (Strafrichter, Bürgermeister in Spanien)
Die Frauen von Cádiz
Die Männer von Cádiz
Die Wachen
Der Belagerungszustand wurde am 27. Oktober 1948 im Théâtre Marigny uraufgeführt. Bühnenmusik von Arthur Honegger.
„Albert Camus’ ‚Théâtre’ umfaßt einen imponierenden Band, in dem der Kern seiner Dramatik deutlich wird : ‘In der heutigen Zeit lebende Gestalten die Sprache der Tragödie sprechen zu lassen’.“ Stuttgarter Zeitung
„Die hohe Moral seiner Kunst verbietet Camus das Zweideutige und das Allzubrillante, denn es soll und will den Leser, das Publikum zur Entscheidung zwingen. Sie appelliert an unsere Urteilsfreiheit, die von Camus als jene Freiheit erkannt wird, die dem sittlichen Individuum die Verantwortung für Gut und Böse in ihrem vollen Gewicht aufbürdet.“ Bayerischer Rundfunk, München
„Camus unterscheidet sich in wesentlichen Dingen von den Existentialisten Sartrescher Prägung, indem er der Hoffnungslosigkeit jener seinen starken, männlichen Humanismus entgegensetzt, wie er auch immer jene höchst kunstvolle Klarheit und Einfachheit erreicht, mit der er sofort den Zugang zum Hörer findet.“ Westdeutsche Allgemeine, Essen
Bevor heute mit dem Spiel Portugal gegen Spanien das erste Halbfinalspiel bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 angepfiffen wird und morgen die deutsche Nationalmannschaft ihr Halbfinalspiel gegen den ‚Angstgegner’ Italien (die Bilanz bei WM- und EM-Spielen zwischen Deutschland und Italien: 7 Spiele: 0 Siege, 4 Unentschieden. 3 Niederlagen – zuletzt am 04.07.2006 bei der WM in Deutschland im Halbfinale: Deutschland – Italien 0:2 n.V.) bestreitet, möchte ich mich einwenig zu den taktischen Finessen im Fußball äußern.
Da gibt es erst einmal die Spielsysteme ausgehend von der Anzahl der Spieler, die in der Verteidigung, im Mittelfeld und im Angriff spielen. Das 4-4-2-System war traditionell eine der häufigsten Aufstellungen im Fußball (4 Verteidiger, meist als Viererkette bezeichnet – 4 Mittelfeldspieler – 2 Stürmer), wird aber heute nicht mehr ganz so oft gespielt. In dieser Konstellation agieren die Mittelfeldspieler meistens als Raute, d.h. es gibt einen defensiven, zwei zentrale und einen offensiven Mittelfeldspieler. Heute wird oft ein 4-2-3-1-System gespielt, wobei man das Mittelfeld noch einmal in defensive und offensive Mittelfeldspieler aufteilt. Die zwei defensiven Mittelfeldspieler werden dabei Doppelsechs (nach der früheren Rückennummer eines entsprechend agierenden Spielers) genannt. Dieses System finden wir z.B. bei der deutschen Mannschaft: in der Abwehr die Viererkette mit Lahm (linker Verteidiger), Badstuber und Hummels in der Innenverteidigung und Boateng (Lars Bender) auf rechts. Die Doppelsechs bilden Schweinsteiger und Khedira, im offensiven Mittelfeld finden wir links Schürrle (Podolski oder Reus), in der Mitte Özil und rechts Müller (Reus) – im Sturm Klose (Gomez).
Natürlich dient ein solches Spielsystem der Orientierung und ist nicht starr. Besonders die beiden Außenverteidiger schalten sich bei Ballbesitz in den eigenen Angriff mit ein und besetzen zusammen mit offensiven Mittelfeldspieler die Flügel, um den Stürmer mit Flankenbällen zu bedienen. Auch die Doppelsechs rotiert oft während des Spiels, wobei sich einer der beiden defensiv, der andere dann offensiv verhält.
Etwas offensiver als das 4-4-2-System ist das 4-3-3-System, das vorwiegend von Portugal gespielt wird. An diesem System lassen sich auch ganz gut die Rückennummern erklären (das so genannte WM-System aus alten Zeiten lasse ich einmal außen vor, da gab es neben drei Stürmern noch zwei Halbstürmer …). Die 1 hat traditionell der Torwart. Die Vierer-Abwehr-Kette hat die Nummern 2 bis 5. Die Mittelfeldspieler haben dann die weiteren geraden Zahlen (6, 8 und 10), die Stürmer die ungeraden (7, 9, 11). Cristiano Ronaldo hat die Numero sieben, ist also das, was man früher als Linksaußen bezeichnete. Die 10 hat in der Regel der Spielmacher. Mesut Özil (Nummer acht) scheint seiner Nummer eine neue Interpretation zu geben (neben der Zentralen im Mittelfeld der kreative Spielmacher oder so).
Aber zurück zu den Spielsystemen: Die Spanier spielen ein 4-1-4-1-System, das durch schnelle Positionswechsel dem Spiel eine hohe Dynamik verleiht. Die Risiken der offensiveren Aufstellung werden dabei durch eine enorme Ballsicherheit und einem hohen Anteil am Ballbesitz durch Kurzpassspiel ausgeglichen, jenem Tiki-Taka (auch Tiqui-taca) – der spanischen Bezeichnung für Klick-Klack-Kugeln -, wie es in dieser Perfektion zz. nur die Spanier beherrschen (spanische Nationalmannschaft und der FC Barcelona). Diese Art des Spiels hat für den Gegner zur Folge, dass er sich die Lungen aus dem Hals läuft.
„Angriff ist die beste Verteidigung“ versus Catenaccio
Offensiver Fußball ist meist sehr attraktiv, verheißt er viele Tore. Oft leider auch für den Gegner, der durch schnelle Konter die ‚freigewordenen Räume’ nutzen kann. Den Offensivfußball kann man in Aufbauspiel (z.B. das bereits erwähnte Tiki-Taka) versus Kick and Rush unterteilen. Der erste ist ein systematisches, eher geruhsam aufbauendes Angriffsspiel mit vielen Ballkontakten. Erst wenn sich ‚freie Räume’ beim Gegner auftun, versucht man in diese überfallartig vorzustoßen. Hohe Bälle sind meist verpönt. Beim Kick and Rush geht alles dagegen ganz schnell. Besonders im britischen Fußball fand man oft, zumindest früher, diese Angriffsspielweise. Dabei wird der Ball aus der Verteidigung hoch und weit nach vorne in den gegnerischen Strafraum geschlagen, um einen schnellen Abschluss zu erreichen. Der Vorteil ist, dass dabei kein langwieriges Aufbauspiel nötig ist. Die Engländer selbst kennen diesen englischen Ausdruck nicht und sprechen von „the long ball”. In den Schlussminuten bei knappen Rückstand mag dieses Kick and Rush Sinn ergeben, ansonsten ist es eher ineffizient.
Die Gegenmethode ist das massive Verteidigen. Dabei werden oft zwei Viererketten eingesetzt, d.h. auch das Mittelfeld agiert im Wesentlichen defensiv (auch Doppelriegel genannt). Höhepunkt dieser ergebnisorientierten Taktik ist der Catenaccio, ein Abwehrbollwerk mit zumeist fünf Verteidigern (5-4-1 oder als 4-5-1). Der Name verrät die Herkunft: Italien. Man spricht von dieser Spielweise auch als ‚mauern’. Nun die Italiener bevorzugen zz. durchaus einen offensiv ausgerichteten Fußball, der sie immerhin ins Halbfinale gebracht hat. Nach einem Führungstreffer ziehen sie sich dann aber gern zurück (Doppelriegel). Und die Abwehrreihen der Italiener haben es dann in sich. Für die deutsche Mannschaft ist also zu hoffen, dass sie möglichst früh zu einem Tor kommt, dann allerdings nicht so schnell wie gegen die gleichfalls defensiv ausgerichteten Griechen den Ausgleichstreffer hinnimmt. Denn sonst winken Verlängerung und sogar Elfmeterschießen.
Heute Abend müssen aber zuerst die Spanier beweisen, ob ihr Tiki-Taka nicht oft ein Schnörkel zu viel beinhaltet. Allein gegen Irland ging ihre Rechnung auf. Ansonsten schienen sie nur das Nötigste getan zu haben, um weiterzukommen. Aber das kann natürlich auch eine Täuschung gewesen sein. Vielleicht funktioniert ihr Kurzpassspiel gegen starke Gegner nicht immer so gut wie gewünscht. Zudem fehlt mit David Villa der Stürmer, der für das entscheidende Tor zuständig ist. Fernando Torres scheint mir noch seiner Form früherer Jahre hinterherzulaufen. Schon allein aus taktischer Sicht ist es auf jeden Fall ein interessantes Spiel.
Übrigens: Auf sportschau.de sind noch einmal alle Tore dieser EM zu sehen.
Und zuletzt hier noch einmal meine Tipps fürs Halbfinale:
27.06. 20:45 Donezk Portugal – Spanien Tipp 1:2
28.06. 20:45 Warschau Deutschland – Italien Tipp 2:0
… wenn man da oben ist, so hoch über aller Vegetation und Kultur, über aller Habsucht und Torheit der Menschen, so möchte man aufjubeln, lachen, weinen, fliegen, sich in den Himmel stürzen oder auf die Knie werfen!
In den Osterferien weilte ich mit meiner Familie für 9 Tage (31.03. – 08.04.2012, dem Ostersonntag) zum inzwischen 3. Mal unterhalb der Zugspitze in Grainau. Diese wenigen Tage der Ruhe und Entspannung wirkten lange nach. Wir haben unsere Unternehmungen dort in Grainau, in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung in Bildern (stehenden und laufenden) festgehalten – inzwischen habe ich die schönsten davon hier in meinem Blog veröffentlicht. Für sechs Tage hatten wir uns eine ZugspitzCard Gold gekauft, mit der alle Fahrten und sonstigen Unternehmungen abgedeckt waren, so die ganzen Fahrten mit der Zugspitzbahn.
Hier noch einmal alle Beiträge (mit Fotos und Videos) zu unserem Grainau-Urlaub 2012 in einer Übersicht:
Bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine geht es in die vorletzte Runde. Am Mittwoch und am Donnerstag sind die Halbfinals – und dann am kommenden Sonntag erfolgt in Kiew das Endspiel. Vor der EM hatte ich im Halbfinale neben dem deutschen Team und Spanien eigentlich Russland (vielleicht doch die Niederlande) und Frankreich gesehen. Lediglich mit Deutschland und Spanien lag ich richtig. Nach der Gruppenphase hatte ich dann noch einmal getippt – und jetzt wurde mein Fußballerverstand von der Wirklichkeit nicht enttäuscht. Die vier besten Mannschaften dieser EM haben sich durchgesetzt:
Viertelfinale
21.06. 20:45 Tschechien – Portugal Tipp 1:2 (Ergebnis: 0:1)
22.06. 20:45 Deutschland – Griechenland Tipp 1:0 (Ergebnis 4:2)
23.06. 20:45 Spanien – Frankreich Tipp 2:0 (Ergebnis 2:0)
24.06. 20:45 England – Italien Tipp 1:2 (Ergebnis 2:4 n.E. – 0:0)
Überzeugend war dabei die Vorstellung der deutschen Mannschaft. Es dauert zwar etwas länger, bis der Sieg feststand. Aber in kaum einer Phase des Spiels (außer kurze Zeit beim Ausgleich für die Griechen) war erkennbar, das Deutschland das Spiel aus der Hand geben würde. Sicherlich lief noch nicht alles rund. Mancher Pass in die Spitze war anfangs zu steil, manches Abspiel landete noch beim Gegner. Aber die Umstellung (Klose statt Gomez, Reus und Schürrle für Podolski und Thomas Müller) rentierte sich auf jeden Fall.
Spanien tat sich gegen Frankreich etwas schwer, tat aber wahrscheinlich nicht mehr, als notwendig war (an dem Abend wurde immer wieder „das gute Pferd“ zitiert, „das nicht höher springt als es muss“), um am Ende gegen (wenigstens für mich) enttäuschende Franzosen zu gewinnen. Lediglich Franck Ribéry von den Bayern vermochte zu überzeugen.
Hier erst einmal mein Tipp fürs Halbfinale:
27.06. 20:45 Donezk Portugal – Spanien Tipp 1:2
28.06. 20:45 Warschau Deutschland – Italien Tipp 2:0
Schon von Anfang an deutete alles daraufhin, dass Deutschland und Spanien das Finale bestreiten werden. Alles andere wäre eine dicke Überraschung. Dieser Meinung schließe ich mich gern an (obwohl ich mir anfangs beim deutschen Team nicht ganz so sicher war). Die Spanier werden das notwenige Mehr an Leistung abrufen, um auch Portugal (trotz eines Cristiano Ronaldo, der endlich „im Turnier angekommen“ ist und gegen die Niederlande und Tschechien überzeugen konnte) zu schlagen. Und die deutsche Mannschaft hat noch einige Rechnungen gegen Italien offen (zuletzt WM 2006 – Niederlage im Halbfinale in der Verlängerung).
Aber ich will nicht vorgreifen. Ich freue mich auf die Halbfinalspiele. Die Viertelfinalspiele waren insgesamt sehenswert – manchmal eher vom Taktischen, aber auch vom Spielerischen her (das Spiel England – Italien habe ich gestern Abend nicht gesehen, da ich richtigerweise mit einer Verlängerung gerechnet hatte; und heute am Montag musste ich wieder früh aufstehen). Und natürlich hoffe ich nicht allein, dass spätestens am Sonntag die fußballerische Feinkostabteilung geöffnet wird.
Ohne Zweifel ist Dostojewski einer der grandiosesten Literaten des 19. Jahrhunderts, dessen Werke noch heute wirken. Kaum ein anderer Schriftsteller jener Zeit verstand sich dermaßen auf die menschliche Psyche. Sein Roman „Die Dämonen“ wurde 1959, also vor etwas mehr als 50 Jahren, von Albert Camus dramatisiert: Die Besessenen (Les possédés). Da ich zz. Camus’ Dramen lese, möchte ich, bevor ich auf diese zu sprechen komme, den Roman von Dostojewski zum Lesen anempfehlen. Diesmal findet sich die Quelle nicht im Projekt Gutenberg DE, sondern in Zeno.org, einer weiteren deutschsprachigen Volltextbibliothek.
Indem ich mich anschicke, die sehr merkwürdigen Ereignisse zu schildern, die sich kürzlich in unserer, bis dahin durch nichts ausgezeichneten Stadt zugetragen haben, sehe ich mich durch meine schriftstellerische Unerfahrenheit genötigt, etwas weiter auszuholen und mit einigen biographischen Angaben über den talentvollen, hochgeachteten Stepan Trofimowitsch Werchowenski zu beginnen. Diese Angaben sollen nur als Einleitung zu der in Aussicht genommenen Erzählung dienen; die Geschichte selbst, die ich zu schreiben beabsichtige, soll dann nachfolgen.
Ich will es geradeheraus sagen: Stepan Trofimowitsch hat unter uns beständig sozusagen eine bestimmte Charakterrolle, die Rolle eines politischen Charakters, gespielt und sie leidenschaftlich geliebt, dermaßen, daß er meines Erachtens ohne sie gar nicht leben konnte. Nicht, daß ich ihn mit einem wirklichen Schauspieler vergleichen möchte: Gott behüte; das kommt mir um so weniger in den Sinn, als ich selbst ihn sehr hoch achte. Es mochte bei ihm alles Sache der Gewohnheit sein oder, richtiger gesagt, Sache einer steten, schon aus dem Jugendalter herrührenden wohlanständigen Neigung, sich vergnüglichen Träumereien über seine schöne politische Haltung hinzugeben. Er gefiel sich zum Beispiel außerordentlich in seiner Lage als »Verfolgter« und sozusagen als »Verbannter«. Diese beiden Worte umgibt ein eigenartiger klassischer Glanz, der ihn seinerzeit verführt hatte, ihn dann allmählich im Laufe vieler Jahre in seiner eigenen Meinung gehoben und ihn schließlich auf ein sehr hohes und für seine Eigenliebe sehr angenehmes Piedestal gestellt hatte. In einem satirischen englischen Romane des vorigen Jahrhunderts kehrte ein gewisser Gulliver aus dem Lande der Liliputaner zurück, wo die Menschen nur vier Zoll groß waren, und hatte sich während seines Aufenthaltes unter ihnen so daran gewöhnt, sich für einen Riesen zu halten, daß er, auch wenn er in den Straßen Londons umherging, unwillkürlich den Fußgängern und Wagen zurief, sie sollten sich vorsehen und ihm ausweichen, damit sie nicht zertreten würden; denn er bildete sich ein, er sei immer noch ein Riese und sie Zwerge. Man lachte ihn deswegen aus und schimpfte auf ihn, und grobe Kutscher schlugen sogar mit der Peitsche nach dem Riesen; aber ob mit Recht? Was kann nicht die Gewohnheit bewirken? Die Gewohnheit brachte auch Stepan Trofimowitsch zu einem sehr ähnlichen Verhalten, das sich aber in einer noch unschuldigeren und harmloseren Weise zeigte, wenn man sich so ausdrücken kann; denn er war ein ganz prächtiger Mensch.
Ich Steppenwolf trabe und trabe,
Die Welt liegt voll Schnee,
Vom Birkenbaum flügelt der Rabe,
Aber nirgends ein Hase, nirgends ein Reh!
In die Rehe bin ich so verliebt,
Wenn ich doch eins fände!
Ich nähm’s in die Zähne, in die Hände,
Das ist das Schönste, was es gibt.
Ich wäre der Holden so von Herzen gut,
Fräße mich tief in ihre zärtlichen Keulen,
Tränke mich satt an ihrem hellroten Blut,
Um nachher die ganze Nacht einsam zu heulen.
Sogar mit einem Hasen wäre ich zufrieden,
Süß schmeckt sein warmes Fleisch in der Nacht –
Ach, ist denn alles von mir geschieden,
Was das Leben ein bißchen fröhlicher macht?
An meinem Schwanz ist das Haar schon grau,
Auch kann ich nicht mehr ganz deutlich sehen,
Schon vor Jahren starb meine liebe Frau.
Und nun trab ich und träume von Rehen,
Trabe und träume von Hasen,
Höre den Wind in der Winternacht blasen,
Tränke mit Schnee meine brennende Kehle,
Trage dem Teufel zu meine arme Seele.
Dieses Gedicht steht in Hesses Roman „Der Steppenwolf”. Wie Harry Haller, der Steppenwolf, so bin auch ich in die Jahre gekommen („An meinem Schwanz ist das Haar schon grau, auch kann ich nicht mehr ganz deutlich sehen …“). Inzwischen habe ich das, was man die Krise der Lebensmitte zu nennen pflegt, sachte überwunden und freue mich auf einen geruhsamen Lebensabend. Oder nicht? Manchmal möchte ich doch noch einmal ‚traben’ und mich ‚in die Rehe verlieben’ …
Ich habe nie so ganz verstanden, warum „Der Steppenwolf“ gerade soviel Anklang bei jungen Menschen findet. Der Roman war in der 60-er Jahren gewissermaßen das Manifest der Hippie-Bewegung. Denn eigentlich ist es nichts anderes als der Bericht über einen schöpferischen Menschen in der Lebensmitte, den Zweifel an seiner Existenz, an Leben und Tun überkommen – den oberflächlich betrachtet die Midlife Crisis plagt. Harry Haller, der Steppenwolf des Romans, steht vor einem Scherbenhaufen. Sein Leben ist zerrissen, ohne Sinn. Sein Ziel, die Selbstverwirklichung, hat er nicht erreicht. So sieht er nur noch die Selbstauflösung. Aber gerade, weil es die Möglichkeit gibt, sich selbst zu töten, erwächst aus dieser Möglichkeit so etwas wie Lebensstütze („‚… daß die Zeit und die Welt, das Geld und die Macht den Kleinen und Flachen gehört, und den andern, den eigentlichen Menschen, gehört nichts. Nichts als der Tod.’ ‚Sonst gar nichts?’ ‚Doch, die Ewigkeit.’“ S. 167). Und ist die Krise erst einmal überwunden, so kann das Bürgerliche durchaus als „Streben nach einer ausgeglichenen Mitte zwischen den Extremen menschlichen Verhaltens“ werden (Material zum Traktat).
Und es ist der Humor, das Lachen, was hilft, die Krise zu überwinden: „…dies Lachen, […] es war das, was übrigbleibt …“ (S. 169). – „… Schule des Humors, Sie sollen lachen lernen. Nun, aller höhere Humor fängt damit an, daß man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt.“ (S. 193) – „Lernen Sie ernst nehmen, was des Ernstnehmens wert ist, und lachen über das andere!“ (S. 232)
Neben dem Lied Die Unsterblichen, einem weiteren Gedicht aus dem Roman, habe ich vor über 30 Jahren ein weiteres Lied, ausgehend von dem Steppenwolf-Gedicht, verfasst.
Steppenwolf
Der Steppenwolf, der zieht durch das Land
Sucht sich ein Reh, fängt es mit bloßer Hand
Süß schmeckt das Fleisch
In dunkler Nacht.
Auch mit Hasenblut er sehr zufrieden wär
Noch frisch und warm, das ist sein Begehr
Tränkt Blut ihn satt
Sein Herz ihm lacht.
So der Steppenwolf trabt mit dunkler Macht
Hört den Wind blasen in der Winternacht
Die Welt liegt voll von Schnee und ist bitterkalt
Der Steppenwolf, er heult, an Jahren ist er schon alt
Tränkt mit Schnee seine brennende Kehle
Trägt dem Teufel zu seine arme Seele
Oh, Steppenwolf
– Seelentier.
An seinem Schwanz ist das Haar schon grau
Schon vor Jahren starb seine liebe Frau
So ganz allein er
die Nacht durchwacht.
In die Rehe ist er dafür heut‘ verliebt
Das das Schönste ist, was es für ihn gibt
Zu ihrem Fleisch
Gier ist entfacht.
Der Steppenwolf, der einsam durchs Land trabt
Sich am Fleische und hellrotem Blute labt
Altgeworden
Trockene Kehle.
In der langen Zeit in Scherben zerbrochen
Zählt man schon des Steppenwolfs letzte Wochen
Trägt dem Teufel zu
seine Seele.
Willi singt: Steppenwolf
Musik, Text (nach dem Gedicht von Hermann Hesse), Gesang, Gitarre & Bass: Wilfried Albin – aufgenommen am 10.02.1979 bzw. 13.08.1980 in Bremen
Während unseres Urlaubs in Grainau bis zum Ostersonntag 2012 haben wir nicht nur jede Menge Fotos geschossen (die meisten davon der ältere meiner beiden Söhne), sondern vieles habe ich auch als Video festgehalten. Inzwischen habe ich eine kleine Auswahl der Videoaufnahmen zusammengeschnitten, in mehreren Videos bei YouTube eingestellt und zu einer Playlist zusammengefasst.
Grainau 2012: AlbinZ in den Bergen
Videothemen:
Grainau 2012: Entlang der Loisach (01.04.2012)
Grainau 2012: Garmisch Classic-Rundfahrt mit Alpspix (02.04.2012)
Grainau 2012: Zugspitzrundfahrt (03.04.2012)
Grainau 2012: Eibsee-Rundgang (05.04.2012)
Grainau 2012: Schnee auf dem Wank (06.04.2012)
Okay, der Tabellenmodus, der die Platzierung der Mannschaften in der Vorrunde (Gruppenphase) bestimmt, ist bei der Fußballeuropameisterschaft 2012 etwas kompliziert, aber durchaus nachvollziehbar. Ich will hier nicht den überschlauen Besserwisser spielen. Ich finde allerdings, wenn der Co-Kommentator bei der ARD, Mehmet Scholl, die Regeln nicht gekannt hat, dann ist das schlimm genug. Aber von dem bekannten Kommentator des ZDF, Béla Réthy, sollte man erwarten, dass er die Kriterien kennt und nicht, wie im Spiel Kroatien – Spanien geschehen, laufend Unsinn erzählt. Erst faselt er etwas vom UEFA-Koeffizienten, der erst wirklich am Ende zum Zuge kommt, korrigiert sich allerdings. Dann behauptet er, dass die Kroaten nach der Führung der Spanier kurz vor Schluss noch zwei Tore benötigten, um in die Finalrunde zu kommen. Das war natürlich völliger Quatsch. Ein Tor (zum 1:1-Unentschieden) hätte gereicht. Warum sonst sollte sich so kurz vor Schluss des Spiels auch der kroatische Torwart an einem Sturmlauf seiner Mannschaft beteiligen.
Hätten die Kroaten tatsächlich noch den 1 :1-Ausgleich geschafft, dann wären sie als Gruppenzweiter sogar nach der Regelung, die bei Weltmeisterschaften gilt, ins Viertelfinale eingezogen:
(hypothetischer) Endstand Tabelle Gruppe C
bei einem 1:1 zwischen Kroatien und Spanien
Bei Punktgleichheit zweier oder mehrerer Mannschaften entscheiden folgende Kriterien in dieser Reihenfolge:
1. Höhere Anzahl Punkte im direkten Vergleich. Ergebnis: wäre bei allen Mannschaften gleich
2. Bei mehr als zwei punktgleichen Mannschaften die bessere Tordifferenz im direkten Vergleich. Ergebnis: wäre bei allen Mannschaften gleich
3. Bei mehr als zwei punktgleichen Mannschaften die höhere Anzahl der erzielten Tore im direkten Vergleich. Ergebnis: wäre bei allen Mannschaften gleich
4. Wenn zwei Mannschaften nach der Anwendung der Kriterien 1 bis 3 immer noch denselben Platz belegen, werden die Kriterien 1 bis 3 zur Bestimmung ihrer endgültigen Platzierung erneut angewendet, jedoch ausschließlich auf die Direktbegegnungen zwischen den beiden betreffenden Mannschaften. Ergebnis: Kommt nicht zum Zuge
5. Bessere Tordifferenz aus allen Gruppenspielen. Ergebnis: Danach wäre Spanien 1.
6. Höhere Anzahl der erzielten Tore in allen Gruppenspielen. Ergebnis: Danach wäre Kroatien 2.
Punkt 7 (Höherer UEFA-Koeffizient zur Auslosung der Gruppenphase) spielt keine Rolle mehr.
Vielleicht hätte Herr Réthy sich das Video seines Senders zuvor einmal anschauen sollen, dann wäre er klüger gewesen: Rechenspiele für Gruppe C
Nachtrag:
Ganz so schlecht habe ich bei dieser Euro der Überraschungen dann doch nicht getippt. Hier meine Tipps und die tatsächlichen Ergebnisse. In Gruppe C mit Spanien als Gruppenerster und Italien als 2. lag ich am Ende sogar ‚total’ richtig. Nur in Gruppe D habe ich den Ersten (England) und Zweiten (Frankreich) vertauscht. Franck Ribéry & Co. haben aber auch ziemlich enttäuscht.
Gruppe C
18.06. 20:45 Kroatien – Spanien 1:3 (Ergebnis: 0:1)
18.06. 20:45 Italien – Irland 2:1 (Ergebnis: 2:0)
Gruppe D
19.06. 20:45 Schweden – Frankreich 1:2 (Ergebnis: 2:0)
19.06. 20:45 England – Ukraine 2:1 (Ergebnis: 1:0)
Und da wir gerade beim Tippen sind: Hier meine Tipps fürs Viertelfinale. Den Deutschen traue ich nur einen knappen Sieg zu (aber wer weiß), Italien schleicht sich wieder einmal ins Halbfinale:
Viertelfinale
21.06. 20:45 Tschechien – Portugal Tipp 1:2
22.06. 20:45 Deutschland – Griechenland Tipp 1:0
23.06. 20:45 Spanien – Frankreich Tipp 2:0
24.06. 20:45 England – Italien Tipp 1:2
„Haller kommen seine hymnischen Verse über die Unsterblichen in den Sinn, Mozart tritt in die Loge und bedient sich des Radios, um Händels Musik zu hören – für Haller fast ein Sakrileg, für Mozart nur ein Anlass zum Lachen über den Kampf zwischen göttlicher Idee und profaner Erscheinung: Haller müsse das Lachen lernen, den Humor, der immer nur Galgenhumor sein könne. Für sein Verbrechen der (angekündigten und doch nicht wirklich vollzogenen) Ermordung Hermines wird Haller zur Strafe des ewigen Lebens und des einmaligen Ausgelachtwerdens verurteilt, weil er mit Messern gestochen (und nicht über sich und seine Eifersucht gelacht) habe. Haller ist optimistisch, dieses Spiel beim nächsten Mal besser spielen zu können.“ (Quelle: de.wikipedia.org zur Inhaltsangabe von Hermann Hesses‘Der Steppenwolf’)
In Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ träumt Harry Haller, der Protagonist des Romans, von Goethe und Mozart, die ihm als Sendboten aus der Welt der Unsterblichen erscheinen. Das Ideal der Unsterblichkeit steht hierbei für die Realisierung des eigenen Selbst. (Nein, die rechtsextremistische Gruppe, die junge Leute für sich zu rekrutieren sucht, ist wahrlich nicht gemeint.)
1980, vor mehr als 30 Jahren, habe ich verschiedene literarische Texte (u.a. Albert Camus’ „Der Fremde“ und Kafkas Romane „Das Schloss“ und „Der Prozess“) musikalisch aufgearbeitet. Nichts Aufregendes, eigentlich nur für mich selbst gedacht. Eines der Lieder habe ich bereits vor längerer Zeit vorgestellt: Gegen Windmühlen kämpfen. Im Zusammenhang mit der Lektüre von Hesses Steppenwolf bin ich nochmals auf diese alten Lieder gestoßen. Und da gibt es ein sehr kurzes Lied mit nur wenigen Zeilen. Mein Neffe, damals gerade 14 Jahre alt, begleitete mich auf der Gitarre:
Die Unsterblichen sind unter uns
Sie sind Wissen, Zukunft und Kunst
Unser Geist
Wär schal und fad‘
Hätten kein Gewissen –
So skrupellos!
Die Unsterblichen sind unter uns.
Text, Musik, Gesang, Bassgitarre: Wilfried Albin
akustische Gitarre: Torsten Besch
Aufgenommen am 08./13.08.1980 in Bremen
Willi singt: Die Unsterblichen
Der Vollständigkeit halber hier das Gedicht aus Hesses Roman:
Immer wieder aus der Erde Tälern
Dampft zu uns empor des Lebens Drang:
Wilde Not, berauschter Überschwang,
Blutiger Rauch von tausend Henkersmählern,
Krampf der Lust, Begierde ohne Ende,
Mörderhände, Wuchererhände, Beterhände.
Angst- und lustgepeitschter Menschenschwarm
Dunstet schwül und faulig, roh und warm,
Atmet Seligkeit und wilde Brünste,
Frisst sich selbst und speit sich wieder aus,
Brütet Kriege aus und holde Künste,
Schmückt mit Wahn das brennende Freudenhaus,
Schlingt und zehrt und hurt sich durch die grellen
Jahrmarktsfreuden seiner Kinderwelt,
Hebt für jeden neu sich aus den Wellen,
Wie sie jedem einst zu Kot zerfällt.
Wir dagegen haben uns gefunden
In des Äthers sterndurchglänztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.
Eure Sünden sind und eure Ängste,
Euer Mord und eure geilen Wonnen
Schauspiel uns gleich wie die kreisenden Sonnen,
Jeder Tag ist uns der längste.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drehenden Sterne blickend,
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen;
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.
Hermann Hesse
Hierzu gibt es natürlich auch eine englische Fassung – nur zum Vergleich:
Ever reeking from the vales of earth
Ascends to us life’s fevered surge,
Wealth’s excess, the rage of dearth,
Smoke of death-meals on the gallow’s verge;
Greed without end, spasmodic lust;
Murderers‘ hands, usurers‘ hands, hands of prayer;
Exhales in fœtid breath the human swarm
Whipped on by fear and lust, blood raw, blood warm,
Breathing blessedness and savage heats,
Eating itself and spewing what it eats,
Hatching war and lovely art,
Decking out with idiot craze
Bawdy houses while they blaze,
Through the childish fair-time mart
Weltering to its own decay
In the glare of pleasure’s way,
Rising for each newborn and then
Sinking for each to dust again.
But we above you evermore residing
In the ether’s star-translumined ice
Know not day nor night nor time’s dividing,
Wear nor age nor sex for our device.
All your sins and anguish self-affrighting,
Your murders and lascivious delighting
Are to us but as a show
Like the suns that circling go,
Changing not our day for night;
On your frenzied life we spy,
And refresh ourselves thereafter
With the stars in order fleeing;
Our breath is winter; in our sight
Fawns the dragon of the sky;
Cool and unchanging is our eternal being,
Cool and star-bright is our eternal laughter.