Archiv für den Monat: November 2011

Kleist (nicht) für die Schule

Wie ich bereits berichtete, hatte ich das „Glück“, in der Schule von Heinrich von Kleist, dessen 200. Todestag wir in diesem Jahr feiern, verschont geblieben zu sein. Gibt es etwas Schlimmeres als Kleists ‚Michael Kohlhaas’, diese Bandwurmsätze, bei denen man am Ende nicht mehr weiß, was man am Anfang gelesen hat? Eine Sprache, die antiquierter nicht sein kann?

Meine heutige Frau, die 1983 die Abendschule besuchte, hatte da weniger ‚Glück’ und
musste eine Interpretation über diese Erzählung schreiben. Und dann auch noch einen dieser für Kleist typischen, scheinbar nie enden wollenden Schachtelsätze grammatikalisch auseinanderpflücken sollte.

    Heinrich von Kleist, Reproduktion einer Illustration von Peter Friedel

Ich habe mich freiwillig mit Kleist beschäftigt. Sicherlich ist Freiwilligkeit ein besserer Ansatz. Vor allem, wenn man sich nicht um grammatikalische Fragen zu sorgen hat. Was schwer wiegt, ist „die quasi-juristische Umständlichkeit der Sätze, deren eigentliches Wunder darin liegt, dass sie dennoch so kraftvoll, federnd und lesbar sind: jeder einzelne eine Illustration des Widerstreits von Gesetz und Freiheit.“ (nachzulesen in: Grammatik und Freiheit von Daniel Kehlmann).

Und es ist der Plot selbst, der den Leser in Spannung hält. Da mag manches altmodisch klingen oder vom Satzaufbau zu lang geraten sein. Beginnen wir mit der Zeichensetzung:

Kleist setzt oft Kommata dort, wo sie nach der Grammatik entbehrlich zu sein scheinen; umgekehrt fehlen sie nicht selten, wo man sie erwartet. Man spricht hier gern von einer akustischen bzw. Vortragsinterpunktion. Und liest man z.B. den Kohlhaas einmal laut vor, so versteht man plötzlich, warum dort ein Komma steht und an anderer Stelle vielleicht nicht. Kleist soll musikalisch gewesen sein. Und Lyriker war er sowieso, da geht’s nicht ohne Sprachrhythmus.

Kleist ist (fast) ohnegleichen. So auch seine Schachtelsätze, also Haupt- mit Nebensätze, die weitere Nebensätze enthalten können. Hier einmal ein Beispiel (und auch schon gleich mit einer ‚Lesehilfe’ versehen):

Kohlhaas, der inzwischen, wie schon gesagt, in Berlin angekommen, und, auf einen Spezialbefehl des Kurfürsten, in ein ritterliches Gefängnis gebracht worden war, das ihn mit seinen fünf Kindern, so bequem als es sich tun ließ, empfing, war gleich nach Erscheinung des kaiserlichen Anwalts aus Wien, auf den Grund wegen Verletzung des öffentlichen, kaiserlichen Landfriedens, vor den Schranken des Kammergerichts zur Rechenschaft gezogen worden; und ob er schon in seiner Verantwortung einwandte, daß er wegen seines bewaffneten Einfalls in Sachsen, und der dabei verübten Gewalttätigkeiten, kraft des mit dem Kurfürsten von Sachsen zu Lützen abgeschlossenen Vergleichs, nicht belangt werden könne: so erfuhr er doch, zu seiner Belehrung, daß des Kaisers Majestät, deren Anwalt hier die Beschwerde führte, darauf keine Rücksicht nehmen könne: ließ sich auch sehr bald, da man ihm die Sache auseinandersetzte und erklärte, wie ihm dagegen von Dresden her, in seiner Sache gegen den Junker Wenzel von Tronka, völlige Genugtuung widerfahren werden, die Sache gefallen.“

Nun macht Euch daran, und zerpflückt diesen einen Satz in Haupt- und Nebensätze?! Nein, bitte nicht! Wenn ich am Deutsch-Unterricht etwas gehasst habe, dann dieses theoretische Herumgewürge an solchen Sätzen. Man würgt solange, bis der Satz dem Schüler unter der Hand gestorben ist. Sicherlich sollte man schon wissen, was Attribut- und was Adverbialsätze sind und verkürzte Nebensätze wie Infinitiv- und Partizipialsätze (hier eine Webseite, die die Nebensatztypen anschaulich erklärt). Und wenn man die auch noch halbwegs voneinander unterscheiden kann, um so besser. Aber Kleist sollte dafür nicht herhalten müssen (das ist nur etwas für Grammatikfreaks bzw. –fetischisten).

Kleists Sprache ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Aber seine Gedanken sind es auch 200 Jahre nach seinem Tode noch. Und irgendwie ist es ein doppeltes Abenteuer, sich auf Kleist einzulassen: Einmal der Gedanken wegen – und dann durchaus auch wegen dieser Sprache. Franz Kafka, ein Meister der klaren Prosa, hat Kleist für beides geliebt. Sie waren Blutsverwandte im Geiste.

Bühnenstücke, Erzählungen und weitere Werke im Projekt Gutenberg und als Bücher/Audio-CD Heinrich von Kleist

Heinrich von Kleist zum 200. Todestag: Michael Kohlhaas

Während unseres diesjährigen Urlaubs im Brandenburgischen machten wir auch einen Abstecher nach Frankfurt/Oder. Und es war nicht zu übersehen: 2011 ist Kleist-Jahr anlässlich seines 200. Todestages am 21. November. Kleist wurde 1777 in Frankfurt/Oder geboren.

Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist (* 18. Oktober, nach Kleists eigenen Angaben 10. Oktober 1777 in Frankfurt (Oder); † 21. November 1811 am Stolper Loch, heute Kleiner Wannsee (Berlin)) war ein deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist. Kleist stand als „Außenseiter im literarischen Leben seiner Zeit […] jenseits der etablierten Lager“ und der Literaturepochen der Weimarer Klassik und der Romantik. Bekannt ist er vor allem für das „historische Ritterschauspiel“ „Das Käthchen von Heilbronn“, seine Lustspiele „Der zerbrochne Krug“ und „Amphitryon“, das Trauerspiel „Penthesilea“ sowie für seine Novellen „Michael Kohlhaas“ und „Die Marquise von O…“

Heinrich von Kleist war ein leidenschaftlicher Dichter mit einem überschäumenden Temperament, ein Querdenker und Revolutionär mit einem „Hang“ zu sinnloser Gewalt – und ein Stotterer. Er war unstet, ruhelos, ohne festen Wohnsitz. Und er war angetan vom Gedanken der Freiheit. Am 21. November 1811 nahm er sich mit seiner Freundin Henriette Vogel das Leben, denn „die Wahrheit ist, daß mir auf Erden nicht zu helfen war.“ So Kleist in seinem Abschiedsbrief.

Video auf zdf.de: Vor 200 Jahren erschoss sich Kleist

    Heinrich von Kleist, Reproduktion einer Illustration von Peter Friedel

Ich hatte das „Glück“, in der Schule von Kleist verschont geblieben zu sein. Gibt es etwas Schlimmeres als Kleists ‚Michael Kohlhaas’, diese Bandwurmsätze, bei denen man am Ende nicht mehr weiß, was man am Anfang gelesen hat? Eine Sprache, die antiquierter nicht sein kann?

Ich bin über die Lektüre von Franz Kafka zu Heinrich von Kleist gekommen. Kafka war ein großer Verehrer der Erzählungen von Kleist. Und so habe ich mich zum ersten Mal vor über 40 Jahren an den Michael Kohlhaas, die Marquise von O. und all die anderen Erzählungen gewagt. Nur drei Jahre später las ich dann den ‚Michael Kohlhaas’ erneut. Meine heutige Frau, die damals die Abendschule besuchte, musste eine Interpretation über diese Erzählung schreiben. Und dann auch noch einen dieser für Kleist typischen Schachtelsätze mit einer Länge von mehr als einer Seite grammatikalisch auseinanderpflücken. Dazu morgen etwas mehr. Hier zum Inhalt der Erzählung:

„Der im Brandenburgischen lebende, angesehene Rosshändler Michael Kohlhaas reitet mit einer Koppel Pferde nach Sachsen. Unterwegs wird er jedoch an der Burg des Junkers Wenzel von Tronka mit der willkürlichen Forderung nach einem Passierschein aufgehalten. Nachdem Kohlhaas in Dresden feststellt, dass es einen solchen Passierschein nicht gibt, erfährt er bei seiner Rückkehr, dass seine beiden als Pfand zurückgelassenen Pferde durch den Einsatz in harter Feldarbeit abgemagert und damit wertlos geworden sind.“ (Quelle: de.wikipedia.de)

Kohlhaas versucht zunächst sein Recht durch Klage zu erlangen. Doch dank der Vetternwirtschaft der Tronkas („Hinz und Kunz“) wird diese abgewiesen. Als auch noch seine Frau beim Versuch, ihrem Mann Gehör zu verschaffen, den Tod findet, greift Michael Kohlhaas zur Selbstjustiz und beginnt einen Rachefeldzug gegen den Junker. Dieser kann aber immer wieder entkommen. So legt Kohlhaas mit seinem wachsenden Heerhaufen Wittenberg in Schutt und Asche, weil die Stadt den Junker nicht ausliefern will.

Die verwickelte Geschichte endet damit, dass in einem erneuten Prozess der Junker von Tronka zwar auf Schadensersatz, Kohlhaas aber zugleich wegen Landfriedensbruch zum Tode verurteilt wird.

Wer war nun dieser Michael Kohlhaas, was stellt er dar? War er nur ein unverbesserlicher Querulant, der sogar über Leichen zu gehen bereit ist, um zu seinem Recht zu kommen? Ernst Bloch nennt ihn in seinem Aufsatz „Über den Begriff Weisheit“ (1953) den „Don Quijote rigoroser bürgerlicher Moralität“. In ihm glühe „der Paragraph eines vorhandenen Gesetzes so, als wäre göttliches Recht darin“. Kohlhaas sei nur deshalb anderes als ein neurotischer Querulant, weil er „auf die Befolgung eines Paragraphen so rebellisch“ dränge, „als wäre hier Naturrecht, ja ein Glanzstück von Naturrecht“. So will der Pferdehändler sich für die erlittene Kränkung seines Rechts nicht Genugtuung um ihrer selbst willen verschaffen, sondern fühlt sich „der Welt in der Pflicht verfallen“, will „Sicherheit für zukünftige“ – vor zukünftigen Rechtsbeugungen – „seinen Mitbürgern verschaffen“. Noch im Zustand der „Verrückung“ ist es Kohlhaas um die „Errichtung einer besseren Ordnung der Dinge“ zu tun. Und am Ende geht seine Sehnsucht nach „anderen Menschen, als die er kannte.“ (aus dem Nachwort von Rolf Tiedemann: Ein Traum von Ordnung –
Ausgabe: Insel-Verlag Frankfurt am Main – insel taschenbuch 247 – 1. Auflage 1977)

Franz Kafka, Jurist im Brotberuf und als solcher in der „Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen“ tätig, schrieb in einem seiner Briefe (wohl in „Briefe an Felice“):

„Gestern abend habe ich Dir nicht geschrieben, weil es über Michael Kohlhaas zu spät geworden ist, den ich in einem Zug gelesen habe. Wohl schon zum zehnten Male. Das ist eine Geschichte, die ich mit wirklicher Gottesfurcht lese, ein Staunen faßt mich über das andere, wäre nicht der schwächere Schluß, es wäre etwas Vollkommenes, jenes Vollkommene, von dem ich gern behaupte, daß es nicht existiert.“

Der schwächere Schluss wird sich wohl auf das Eingreifen der geheimnisvollen Zigeunerin, in der Kohlhass’ tote Frau wiederkehrt, beziehen. Diese sorgt auf geheimnisvolle Weise für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit und für das Abgleiten der Erzählung ins Märchenhafte.

Sicherlich ist Selbstjustiz nie zeitgemäß gewesen. Kohlhaas schöpft bis zuletzt alle Möglichkeiten aus, um zu seinem Recht zu kommen. Erst als der Staat seiner Pflicht, Gerechtigkeit zu schaffen, nicht nachkommt, nimmt Kohlhaas selbst das Gesetz in die Hand. Da es dabei längst nicht mehr allein um Schadensersatz, sondern um Gerechtigkeit, ja um die „Errichtung einer besseren Ordnung der Dinge“ geht, ist das Tun Kohlhaas’ auch als revolutionärer Akt zu verstehen. Lässt sich Kohlhaas so vielleicht mit der RAF vergleichen?

Bühnenstücke, Erzählungen und weitere Werke im Projekt Gutenberg und als Bücher/Audio-CD Heinrich von Kleist

Verdient, aber glanzlos

Man mag es kaum glauben, aber nach dem 14. Spieltag in der Fußball-Bundesliga liegt der SV Werder Bremen nur drei Punkte hinter dem Tabellenführer, der Borussia aus Dortmund, und zwei Punkte hinter den Bayern (am 9. Spieltag waren es noch sechs Punkte Abstand) auf Platz vier. Und das, nachdem die Bremer letzte Woche in Mönchengladbach eine 5:0-Schlappe einstecken mussten.

Der sicherlich verdiente, wenn auch wieder etwas glanzlose Sieg gegen den VfB Stuttgart zeigte zumindest, dass man auch ohne einen verletzten Claudio Pizarro und gegen einen direkten Mitkonkurrenten gewinnen kann. Die Wiedergutmachung ist gelungen. Und endlich musste Werder keinem frühen Rückstand hinterherlaufen und schaffte es, ohne Gegentor auszukommen.

So recht weiß wohl keiner, wie man die Mannschaft einzuschätzen hat. Attraktiver Offensivfußball, wie wir ihn aus früheren Jahren kennen, sieht anders aus als das, was der Zuschauer heute zu sehen bekommt.

Und jetzt geht es gegen die Bayern, die in den letzten zwei Wochen auch Federn lassen mussten und einen Fünf-Punkte-Vorsprung vom 12. Spieltag einbüßten. Am letzten Spieltag geht’s dann gegen Herne-West (Schalke 04), die gegen Lüdenscheid-Nord (Borussia Dortmund) am letzten Wochenende auch nicht gerade brillierten.

Also, Jungs, rafft euch jetzt auf. Mindestens vier von den neun Punkten solltet ihr einfahren. Dann kann getrost die Rückrunde kommen.

Wim Wenders/Ry Cooder: The End of Violence

Wenn der Klang-Archivar und -Archäologe Ry Cooder nicht gerade dabei ist, alte, längst in Vergessenheit geratene Klangschätze auszugraben und unseren verblüfften Ohren zuzuführen, dann geht der Maestro der Slide-Gitarre auch gerne seinem einträglichen Broterwerb nach und spielt mal den einen oder anderen herausragenden Film-Soundtrack ein.

So hat er bei mehreren Filme für den Regisseur Walter Hill, z.B. Long Riders (1980) und Crossroads – Pakt mit dem Teufel (1986), dafür gesorgt, dass die Hintergrundmusik stimmt. Und nach dem vielgelobten Soundtrack zu Paris, Texas von 1985 ist The End of Violence (Am Ende der Gewalt) aus 1997 bereits die zweite Arbeit von Ry Cooder für einen Film von Wim Wenders. Ebenfalls 1997 arbeiteten die beiden Künstler in der Musikdokumentation Buena Vista Social Club zusammen.

Dass dieser instrumentale Original-Score zu The End of Violence mit diversen Selbstzitaten, getragenem Jazz und klassischen Elementen doch ein gehöriges Maß anders klingt als erwartet, liegt nicht zuletzt an der glücklichen Mitwirkung von Ausnahmemusikern wie Jon Hassel, Jacky Terrasson, Howie B., James Blood Ulmer, Flaco Jimenez und Sohnemann Joachim Cooder, die der vorliegenden CD auch ohne Filmbilder zu einem eindrucksvollen Eigenleben verhelfen. Zudem ist diese Musik in erster Linie eine reine Filmmusik, die man beim Betrachten des Films nicht so richtig wahr zunehmen scheint. Wäre der Film aber ohne diese Musik, so verlöre dieser enorm an Spannung und Emotion. Zudem tauchen bestimmte musikalische Themen immer wieder auf.

Ry Cooder: The End of Violence

Zu diesem Film sind zwei Soundtracks erschienen. Ein Sampler und ein Score-Album. Auf dem Score sind Ry Cooders Instrumentalstücke zu hören.

In den Anmerkungen auf dem Plattencover äußert sich Wim Wenders zu Ry Cooders Arbeit wie folgt:

Ry had done the score of „Paris, Texas“ for me twelve years ago. The images of that film are inseparable from the haunting sounds of his guitar ever since. More so, it’s like they never even existed without them. Could that be? Ry’s approach to producing music for a movie is unique. He doesn’t sit down and write it. He watches. He watches over and over. And then he plays, in front of the screen. Over and over. Until he uncovers the music that the faces and the landscapes and the things on the screen are making deep down in themselves. He brings that silent score up to the surface, so we can all hear it, thereby rendering those faces, landscapes, objects more visible. His guitar not only produces all those tender, caring, scaring sounds, it also works as a camera, – yes, I’m serious! – as a new and so far unknown instrument of photography. It makes us see better. It’s as if you could take the bottleneck from Ry’s finger, look through it like a viewfinder and rediscover the world. Here, in „The End of Violence“, Ry improves our understanding of Los Angeles, of the people who live there and work there, whether they are movie producer or gardener, stunt woman or cleaning lady. „Magic“ like Howie B. would say.

Musik-CD The End of Violence


Ry Cooder: Define Violence (from the original score „The End of Violence”, composed by Ry Cooder)


Wim Wenders: End of Violence (Trailer)

Ich bin kein unbedingter Fan von Wim Wenders’ Filmen. Sie sind mir oft zu kopflastig, wenn auch in beeindruckenden Bildern fotografiert.

„Es gibt einige schöne, wasserklare Bilder und Bewegungen in diesem Film, es gibt schöne Sets und auch ein paar erstaunlich komisch-kluge Dialoge. Aber über all das fällt wieder wie ein großer Schatten Wenders· missionarischer Moralismus.“

Und Andreas Kilb schrieb zum Film in Die Zeit: „So verzettelt er sich in Nebengeschichten, Nebenfiguren, die aus der hinreichend simplen Grundidee ein allzu kompliziertes Allerlei machen. Man spürt, daß der Regisseur seine Sache ernst meint, aber immer, wenn es darauf ankommt, behält die Geschichte gleichsam die Unterwäsche an. Wenders schreckt vor den Konsequenzen seiner eigenen Phantasie zurück. Statt Gewalt, Schmerz und Verlorenheit zu zeigen, deckt er sie mit Drehbuchphrasen zu.“

Mit den Geschichten von Mike Max und Ray Bering kann Wim Wenders klassische Hollywood-Genres wie das Liebesmelodram, den Verschwörungsthriller und den Krimi zitieren und variieren. Zugleich ermöglichen sie ihm aber auch einen Diskurs über das Kino und die Gesellschaft, die Gewalt in den Medien und die Gewalt auf den Straßen, der in seiner Komplexität seinesgleichen sucht.

Ein wesentlicher Pfeiler des Films ist ohne Zweifel die Musik von Ry Cooder. Beim Film-Dienst hieß es: Neben dem Darstellerensemble ist es Ry Cooders Gitarren-Teppich, der manche Ungereimtheit verschleift bzw. überspielt.

Zuletzt: In einer Episode besucht der Polizist Doc die Stuntfrau Cat an einem Filmset. Das Bühnenbild ist eine Nachbildung des Lunchrooms von Edward Hoppers berühmtesten Gemälde „Nighthawks“ (siehe meinen Beitrag: Edward Hopper im Bucerius Kunst Forum, Hamburg).

Ry Cooder: Crossroads – Pakt mit dem Teufel (Das Gitarrenduell)

Es ist eigentlich die alte Geschichte, die wir von Faust her kennen: Ein Mann verkauft seine Seele an den Teufel, um sich einen bisher unerfüllten Wunsch zu erfüllen. Willie, ein schwarzer Bluesharp-Spieler, ist ein alter Mann und lebt in einem Altenheim für Strafgefangene. Eugene ist ein junger Musiker. Beide verbindet die Liebe zum Blues. Auf der Suche nach einem verschollenen Song von Blueslegende Robert Johnson kommen beide zusammen. Willie möchte zurück zu der Wegeskreuzung, an der er als Jugendlicher seine Seele an den Teufel verkauft hatte, um von ihm den Blues zu lernen.

Schließlich gelangen beide zu der Wegeskreuzung, wo sie auf einen Mann namens Legba (Hüter der Wegeskreuzungen aus der Voodoo-Religion) treffen. Willie verlangt von Legba, dass er den Vertrag rückgängig macht, damit er seine Seele retten kann. Dieser bietet ihm einen Wettstreit an. Eugene soll sich mit einem anderen Gitarristen duellieren. Sollte er gewinnen, erlischt der Vertrag mit Willie. Sollte er verlieren, muss auch Eugene seine Seele dem Teufel versprechen.

Es geht um den Film „Crossroads“ aus dem Jahre 1986 in der Regie von Walter Hill. Die Filmmusik stammt (zum größten Teil) von Ry Cooder, der auch schon bei vielen anderen Filme für die Musik verantwortlich zeichnete. Also doch schon wieder Ry Cooder und wieder der Blues (Zu den Wurzeln des Blues).

Der andere (namenlose) Gitarrist ist kein anderer als Steve Vai, der in der 80er Jahren lange Zeit als „Stunt-Gitarrist“ (O-Ton Zappa) bei Frank Zappa spielte und jetzt auch im Projekt „Zappa plays Zappa“ zu sehen und zu hören ist (siehe auch: Nachtrag zur Grammy-Verleihung 2009).

Steve Vai spielte für den Soundtrack beide Gitarrenparts des Duells ein, nur der Slidegitarrenpart wurde von Ry Cooder aufgenommen. Der Schauspieler Ralph Macchio (Eugene) war zwar auch Gitarrist und spielte während der Filmaufnahmen die zuvor aufgenommenen Stücke nach, seine Aufnahmen wurden jedoch nicht verwendet.

Das Stück, mit dem Protagonist Eugene am Ende das Duell gegen den Gitarristen des Teufels gewinnt, ist als Eugene’s Trick Bag berühmt geworden. Bekannt ist vor allem das Bending (Dehnen der Saite) in die Tonlage eines imaginären 29. Bundes einer Gitarre.

Tabulatur: Eugene's Trick Bag aus Crossroads

(wenn es mit dem Bending nicht klappt, soll man beim letzten Ton die Saite gegen den Tonabnehmer drücken bzw. „… fretting the string against the bridge position pick-up on a Tele …)


Gitarrenduell aus “Crossroads” 1986 (Steve Vai versus Ry Cooder)

Film-DVD Crossroads – Pakt mit dem Teufel

Musik-CD von Ry Cooder Crossroads

Anthony Burgess: A Clockwork Orange

Nachdem ich endlich zuerst die Verfilmung von Stanley Kubrick aus dem Jahre 1971 und dann das Theaterstück am Altonaer Theater in Hamburg gesehen habe, bin ich endlich auch dazu gekommen, die Vorlage von Anthony Burgess in einer Neuübersetzung zu lesen: A Clockwork Orange

„Alex DeLarge und seine Gang, die Droogs, sind jung, charismatisch, brutal und gewissenlos. Sie treffen sich in einer Milchbar, trinken ‚Moloko’ – Milch mit Drogen – und ziehen los, um wahllos Menschen zu überfallen, zu berauben, zu quälen, zu vergewaltigen. Sie zelebrieren ihre abendlichen Gewaltstreifzüge aus purer Freude an der Gewalt. Der Bewährungshelfer ist machtlos, Alex gelingt es jedes Mal sich die Hände reinzuwaschen. Doch bei einem Einbruch wird Alex von einem seiner Droogs außer Gefecht gesetzt und von der Polizei verhaftet. Er fühlt sich verraten und selbst als Opfer.

Im Gefängnis wird er einer neuartigen Therapie unterzogen und fortan wird ihm beim geringsten Gedanken an Sex und Gewalt übel. Zu eigenen gewalttätigen Handlungen ist er nicht mehr fähig.“ (Quelle: altonaer-theater.de)

„Das war’s. Da hatte ich mir was eingebrockt! Und ich war noch keine sechzehn …“
Alex und seine drei Freunde haben einen netten Abend: Sie trinken eine Milch mit Schuß in einer Milchbar, suchen sich dann einen alten Mann, schlagen ihn zusammen und nehmen ihm sein Geld ab … oder, um es mit Alex’ Worten zu Sagen: Er trifft sich mit seinen Droogs auf einer Molocke im Milchplus-Mesto, tollschockt einen starrigen Fecken und klaut ihm seinen letzten Deng.
(aus dem Klappentext – Wilhelm Heyne Verlag, München – 13. Auflage 2011)

Der Roman Clockwork Orange von Anthony Burgess beschäftigt sich gleich mit mehreren Themen, die auch heute nach fast 50 Jahren äußerst aktuell sind. Zum einen geht es um Jugendgewalt, um Jugendkriminalität, wie sie alltäglich geschieht. Passanten auf der Straße werden von Jugendlichen niedergemacht, einfach so ohne triftigen Grund, vielleicht nur, weil ein falsches Wort gefallen ist. Oder schauen wir zurück nach England in den Sommer dieses Jahres: Wie aus dem Nichts entstehen Jugendkrawalle, ganze Häuserzellen brennen. Burgess gibt uns dafür keine Antwort, lässt aber seinen Protagonisten erzählen, Alex, der noch keine 16 Jahre alt ist. Können wir uns in ihn hineinversetzen? Empathie, das menschliche Mitgefühl, so las ich, „man lernt es oder man lernt es nicht.“ Alex hat es nicht gelernt.

Ein anderes Thema ist die Frage, ob es schlechter ist, den Menschen zum Gutsein zu konditionieren oder ihm die Freiheit zu lassen, böse zu sein. Burgess steht auf der Seite der Freiheit: „Wenn ein Mensch nicht wählen kann, hört er auf, Mensch zu sein“, lässt er den Gefängnispfarrer sagen. Wer darf sich das Recht herausnehmen, einen Verbrecher wie Alex als Versuchsobjekt der Wissenschaft zu missbrauchen? Bei der fiktiven Ludovico-Technik, einer Aversionstherapie, muss sich Alex „Gewalt- und Sexvideos ansehen, gleichzeitig bekommt er ein Mittel verabreicht, das Übelkeit verursacht. Die Prozedur wird so lange wiederholt, bis ihm beim alleinigen Anblick von Gewalt – auch ohne Medikament – schlecht wird.“ Der Pawlowsche Hund in Menschengestalt.

„Anthony Burgess ist es mit diesem Buch gelungen, einen neuen Weg radikaler Offenheit zu bestreiten.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Witzig und unterhaltsam ist der Roman trotz aller Brutalität vor allem durch die Sprache und die Art, wie der Held aus der Ich-Perspektive dargestellt wird. Alex hat überhaupt keine innere moralische Instanz und ist unfähig zur Empathie. Er ist intelligent und liebt Musik, vor allem Ludwig van Beethoven. In einem Zeitungsartikel liest Alex, dass ein Theoretiker meint, man könne die heutige Jugend besser in den Griff bekommen, wenn man sie für Künste interessiere. Alex kann darüber nur lachen, denn Musik (und gerade in seinem Fall die als kultivierter als die Rock-Musik eingestufte klassische Musik) erweckt in ihm umso mehr bestialische Gelüste (vgl. Kapitel I, 4).“

Und noch ein Thema des Romans: Alex benutzt einen Jargon, eine Szene- oder Jugendsprache, die er selbst Nadsat nennt. „Nadsat ist in Burgess’ Original eine verballhornende Mischung von russischen Vokabeln mit dem Londoner Cockney Rhyming Slang. Dazu kommen Begriffe aus der englischen Zigeunersprache (Gypsy Slang) sowie Elemente der Kindersprache. Ins Deutsche wurde Nadsat zuerst von Walter Brumm übertragen und dem Original durch Verwendung deutscher Wörter nachgebildet.“

Jede Generation hat in ihrer Jugend ihren ganz eigenen Jargon. Dazu gibt es im Internet ein Wörterbuch der Szenesprache. Und selbst der Duden hat sich aufgemacht, um die Begriffe der heutigen Jugendsprache zu sammeln, ein Szenesprachenwiki; mehr siehe auch bei Google. Und neben dem Wort des Jahres, dem Unwort des Jahres und dem Satz des Jahres gibt es seit 2008 nun auch das Jugendwort des Jahres.

Zwischen Wahnsinn und Genie: Klaus Kinski

Gestern vor 20 Jahren starb Klaus Kinski im Alter von 65 Jahren in Kalifornien. Er war ein international bekannter Schauspieler und besonders auf die Darstellung psychopathischer und getriebener Charaktere spezialisiert. Als künstlerisch herausragend gilt seine jahrelange Zusammenarbeit mit dem deutschen Regisseur Werner Herzog, der ihn in seinen Filmen Aguirre, der Zorn Gottes (1972), Nosferatu – Phantom der Nacht (1978), Woyzeck (1978), Fitzcarraldo (1981) und Cobra Verde (1987) besetzte.

Zum ersten Mal gesehen habe ich Klaus Kinski in den Filmen der Edgar Wallace-Reihe aus den 60er Jahren, in der er 16 Mal als zwielichtige Gestalt aufgetreten ist. Immer wieder wurde er als potentieller Täter dargestellt, um meist selbst als Opfer zu enden.

Bekannt wurde Kinski durch seine Verbalattacken, mit denen er die Aufmerksamkeit auf sich richten wollte. Oft verkörperte Kinski Schurken und Psychopathen und bestätigte dieses Image durch sein exzentrisches, aggressives Auftreten in der Öffentlichkeit. Legendär war die Berliner Vorstellung seiner polarisierenden „Jesus Christus Erlöser“-Bühneninszenierung, in der er Zwischenrufer aus dem Publikum wütend mit „Du dumme Sau“ und „Scheiß-Gesindel“ beschimpfte.

„Wie war ich?“ – Bildergalerie auf ard.de

In dem Dokumentarfilm Mein liebster Feind schildert der Regisseur Werner Herzog das Verhältnis zwischen sich und Kinski, mit dem er in seiner Jugend kurze Zeit in derselben Pension gelebt hatte. Herzog berichtet, dass er einerseits von Kinski verachtet und bei Dreharbeiten oft gedemütigt und wüst beschimpft wurde. Andererseits habe sich in ihrem Verhältnis eine kreative und künstlerische Kraft entwickelt, die sich auf ihre gemeinsamen Filme übertrug:


Werner Herzog: Mein liebster Feind (Deutschland, 1999, 95mn)

Wer war also dieser Klaus Kinski? Ohne Zweifel war er ein genialer Schauspieler, der sich in seine Rollen in ca. 170 Filmen voll und ganz hineinsteigerte (Kinski: „Ich spiele nicht. Ich bin es!“). Und er inszenierte mit Sicherheit auch sein Leben in der Öffentlichkeit als Rolle: Eitel, größenwahnsinnig und verletzlich. Er galt als rücksichtsloser Egomane und stellte sich selbst gern als Erotomanen dar (was er sicherlich auch war) – ziemlich durchgeknallt und dem Wahnsinn nahe. Wohl kein bekannter Schauspieler hat wie es verstanden, sich selbst so in Szene zu setzen – und zu vermarkten – wie Klaus Kinski. Privat, so sein Sohn Nikolai Kinski, sei er dagegen nie aggressiv oder ausfallend geworden: „Mein Vater war privat der sanfteste Mensch, den man sich vorstellen konnte“:

siehe ard.de: Klaus Kinski – Pionier der Selbstvermarktung

Zwanzig Jahre nach seinem Tod veröffentlicht Nachlassverwalter Peter Geyer einen opulenten Band mit bisher unveröffentlichten Erzählungen und Fotos aus dem Nachlass von Klaus Kinski.

In seinem Gedicht „Abschied“ schrieb Klaus Kinski: „Ich richte mich auf – ganz steil – wie es Bäume tun, wenn sie wissen, dass es Zeit zum Sterben ist – ich muss weg von hier!!“ Kinski starb vor 20 Jahren.

Filme, Bücher, Rezitationen und mehr von und über Klaus Kinski

Meine Zeit, meine Vergeudung …

Oft mokiere ich mich über die Verspätungen im Zugverkehr, von denen ich betroffen bin. Und manches Meeting, manche Gesprächsrunde (von mir als Laberrunde betitelt) ist für die Katz. Das Leben ist kurz genug, um es sich vergeuden zu lassen.

Ja, ich komme noch einmal auf Wole Soyinka zurück und auf einen Absatz aus seinem Roman „Die Ausleger“. Die Person, die hier spricht, ist nur eine Nebenfigur des Romans. Trotzdem finde ich interessant, was er hier über seine Zeit und die Vergeudung dieser zu sagen hat. In gewisser Hinsicht kann ich mich dem durchaus anschließen:

„ […] Manche nennen es meine Allüren.“
„Und das macht dir nicht aus?“
„Ich kümmre mich nicht um Idioten, warum sollte ich auch? Ich bin kein geselliger Mensch. Ich gehe nicht auf ihre Partys, und ich nehme nicht an ihren Versammlungen teil. Ich schätze den Wert meiner eigenen Zeit hoch ein, und ich verüble es einem Mann fast bis zum Punkt fanatischer Rache, wenn ich ihm auch nur eine Sekunde meiner Zeit opfern muß. Wenn ich einen ganzen Tag verschwende und nur in meiner Bude hocke und nichts tue, dann ist das meine Sache, aber ich möchte meine eigene Zeit selbst verschwenden.“

aus: Wole Soyinka: Die Ausleger (S. 271 – Walter-Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau, 1983 – Dialog Afrika – Übersetzung von Inge Uffelmann – Original: The interpreters, 1965)

Der Winter-Traum vom Weltenburger Kloster

An dieser Stelle habe ich bereits öfter schon meine Vorliebe für bayerische Biere (KlosterbiereWeitere BockbiereAllgäuer Bier-Bad) bekundet. Das heißt aber nicht, dass ich ein gutes Glas Rotwein verschmähe: Ein edler Tropfen aus roten Reben, trocken und doch mit viel Körper, da sage ich nicht nein. Jedes eben zu seiner Zeit – und natürlich in Maßen (nicht Massen).

Jetzt zur beginnenden Winter- und Weihnachtszeit bieten viele Brauereien eine der Zeit gemäße Bierspezialität an: Winter- bzw. Weihnachtsbiere. Ich habe da natürlich zugeschlagen und gönne mir zz. den Winter-Traum aus der Klosterbrauerei Weltenburg. Das ist ein Bier besonderer Note, wunderschön bernsteinfarben und mit 5,4 % Vol. etwas stärker als normale Biere, aber doch deutlich unter Bockbierniveau. Der Geschmack ist angenehm vollmündig, also süffig, mit ausgesprochen karamelliger Note dank erlesener Spezialmalze. Ich mag es leicht fein-herb und doch malzig. Der Winter-Traum deckt sich da ganz mit meinen Geschmacksvorstellungen.

    Weltenburger Kloster: Winter-Traum
    Quelle: www.weltenburger.de/

Die Klosterbrauerei Weltenburg ist vermutlich die älteste Klosterbrauerei der Welt (seit 1050), wobei die Brauerei Weihenstephan diesen Titel ebenfalls für sich in Anspruch nimmt. Im Klosterhof befindet sich ein großer Biergarten, in dem die Erzeugnisse der Brauerei ausgeschenkt werden. Das Kloster Weltenburg ist eine Benediktinerabtei in Weltenburg, einem Ortsteil von Kelheim an der Donau.

Übrigens: Für mich sind Weine und Biere ein Genussmittel. Zum Dunstlöschen gibt es anderes: Tee, Saft und Mineralwasser. Und zwei Tage in der Woche bleiben für mich alkoholfrei. Dabei ist der Dienstag für mich und meine Lieben Milchtag. Denn an diesem Tag (und am Freitag) bekommen wir von einem Milchbauern, einem Familienbetrieb in der Nähe, die Vorzugsmilch ins Haus geliefert. Seit 1997 vertreibt dieser Milchprodukte aus eigener Herstellung in der Region. Alles allerbeste Ware, ohne Zweifel. Erste Sahne, wie man sagt. Die Milch schmeckt noch nach Milch.

Einigung in letzter Minute

Elf geschlagene Wochen dauerte das Schlichtungsverfahren unter dem Vorsitz des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Professor Georg Milbradt, um die Streithähne metronom Eisenbahngesellschaft mbH (metronom) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) gestern zum Abschluss eines Haustarifvertrag zu bewegen. Außerdem wurde der spätere Beitritt zum Betreiberwechsel-Tarifvertrag geeinigt. Das war ein Abschluss in letzter Sekunde, denn gestern endete auch die Friedenspflicht.

Damit geht ein Streik zu Ende, der im Februar begann. Bis zuletzt war nicht ersichtlich, wie das Schlichtungsverfahren ausgeht. Ende gut, alles gut! Bis zum nächsten Mal …

Nachtrag: Ende gut, alles gut? „Auf uns ist Verlass!“ heißt es beim Metronom. Mit kommt es vor, dass man verlassen ist, wenn man sich verlässt … Kaum haben sich Gewerkschaft und Bahnunternehmen tariflich geeinigt, da sind die Metronom-Züge verspätet wie schon lange nicht mehr. Dabei ist der Winterfahrplan noch gar nicht in Kraft, der bekanntlich erst einmal zu satten Verspätungen führt.

Herman van Veen: Hofnarr und Moralist

„Herman, Ich erkenne in dir
die Weisheit des Hofnarren,
die Brutalität des Moralisten,
während du vorgibst,
nur das Ziel zu verfolgen,
uns zu unterhalten.“

Georges Moustaki über Herman van Veen

Ich weiß es eigentlich auch nicht, weshalb ich ein solches Faible für niederländische Musiker habe. So oft war ich bisher noch nicht in Holland. Es muss eine Art Seelenverwandtschaft sein, die bekanntlich keine Grenzen kennt. Neben Bots, den Gruppen Focus und Flairck ist es besonders einer, der mich auf verschiedene Weise beeindruckt hat: Herman van Veen. Es ist zu einem der Sänger mit dieser warmen Stimme: „Ich hab ein zärtliches Gefühl“, 1973 die erste Plattenveröffentlichung auch in deutscher Sprache. 1972 war er von Alfred Biolek und Thomas Woitkewitsch für das deutsche Publikum entdeckt worden. Woitkewitsch übersetzte die niederländischen Lieder ins Deutsche. Das ist es sicherlich der Clown oder wie die Niederländer sagen, der Harlekijn, der auf der Bühne seine Späße treibt.

Herman van Veen

Es ist aber auch ganz einfach der Mensch Herman van Veen, der ein großes Herz für die Kleinsten unter uns hat, den Kindern. Alfred J. Kwak, die kleine Ente aus Büchern und Zeichentrickfilmen, ist sein geistiges Kind. Und die Herman Van Veen Stiftung nimmt sich den Kindern an, die geistig oder körperlich benachteiligt sind oder eine psychische Extremsituation durchleben mussten.

Eines der schönsten Lieder findet sich auf dem ersten deutschsprachigem Album „Inzwischen alles Gute“ aus dem Jahre 1973. Ich habe es von der Original-LP digitalisiert – viel Besinnlichkeit beim Hören:

Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für jeden Nichtsnutz, jeden Kerl,
der frei herumzieht ohne Ziel,
der niemands Knecht ist, niemands Herr.

Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für den, der seinen Mund auftut,
der Gesten gegenüber kühl,
und brüllt, wenn ’s ihm danach zumut.

Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für den, der sich zu träumen traut,
der, wenn sein Traum die Wahrheit trifft,
noch lachen kann – wenn auch zu laut.

Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl
für jede Frau, für jeden Mann,
für jeden Menschen, wenn er nur
vollkommen wehrlos lieben kann.

Erik van der Wurff – Orgel, elektrisches Piano, Akkordeon
Harry Sacksioni – Gitarre, elektrische Gitarre
Hans Koppes – Tuba, Euphonium
Herman van Veen – Geige und Gesang


Herman van Veen: Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl (1973)

Bei Youtube habe ich das folgende kleine Video gefunden. Es zeigt Herman van Veen in einer Parodie als Konzertpianisten. Ich finde es einfach köstlich … Fast ebenso witzig finde ich den Kommentar, den jemand hierzu abgegeben hat. Herman van Veen dürfte sich amüsieren:

He stole this piece from my little brother and my mother, he MUST have!! He just copied what I always heard when my brother improvised on the piano and my mother cleaned it afterwards… 😉

Aus dem Werk von Herman van Veen

siehe auch als einstimmung auf das kommende Weihnachtsfest: Herman van Veen: Adeste fidelis