In diesem Jahr sind bei uns die Kürbisse etwas kleiner ausgefallen als in den Vorjahren. Es liegt eher an der Sorte als am Wachstum. Aber für Halloween haben meine Söhne doch zwei Kürbisse gefunden, die groß genug sind, um in diese Fratzen zu schneiden. Hier das Ergebnis der Schnitzarbeiten:
Archiv für den Monat: Oktober 2006
… wie ich kotzen möchte!
Der Ausspruch stammt nicht von mir, sondern von dem Maler Max Liebermann und wurde anlässlich einer nationalen Katastrophe geäußert, der Machtergreifung durch Hitler. Die Katastrophe, von der ich hier berichte, ist weitaus kleiner und auf beruflicher Ebene angesiedelt, wenn auch für die Betreffende gleichfalls schwerwiegend. Der Spruch: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“
Um was geht es? Ich arbeite in der IT-Abteilung eines karitativen Verbandes, die recht altmodisch noch die Kürzel „Org/DV“ trägt. Org für Organisation, DV für Datenverarbeitung. Nach einer kaufmännischen Ausbildung kam Frau K. zu uns in die Abteilung und fand im Systemverwalter ihren Mentor, der ihre Fähigkeiten schnell erkannte und förderte. Ob er in Frau K. seine Nachfolgerin sah, mag dahin gestellt sein.
Nach dem Ausscheidung des Systemverwalters durch Altersteilzeit blieb sie bei uns, wenn auch ein Außenstehender die genannte Stelle bekam. Ihr wurden dabei aber zunehmend neue Aufgaben zugeordnet, … die sie zur vollsten Zufriedenheit der Beteiligten erfüllte. So ergab sich auch für mich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit ihr im Bereich Datenbanken. Im Abendstudium erweiterte Frau K. ihre Kenntnisse speziell im Bereich IT und bekam für ihre Diplomarbeit ein „sehr gut“. Das war in diesen Wochen.
Während der über vier Jahre bei uns konnte sich unsere Geschäftstellenleitung leider nicht hinreißen lassen, ihr eine Festanstellung zu beschaffen. So bekam sie immer wieder einen neuen befristeten Arbeitsvertrag, zuletzt für vier Monate, damit sie immerhin ihre Diplomarbeit ohne äußere Zwänge fertig stellen konnte. Immerhin!
Aus meiner Sicht hätte dieser letzte Vertrag arbeitsrechtlich schon eine Festanstellung sein müssen. Egal! Denn Leitung, Personalabteilung und unsere Abteilung einigten sich auf die Ausschreibung einer entsprechenden Stelle, die dann auch sehr bald, spät, aber nicht zu spät, ans Schwarze Brett kam.
Nur gibt es in unserer genannten Abteilung eine Madame, die in Frau K. etwas wie eine Konkurrentin sieht. Die Abteilungsleitung hatte in mehreren Gesprächen versucht, die Bedenken der Madame auszuräumen. Leider ohne Erfolg. So wendete sie sich an den Betriebsrat.
Man muss dabei wissen, dass bereits vor geraumer Zeit zwischen dieser Madame und einer weiteren Mitarbeiterin unsere Abteilung Zwistigkeiten bestanden, die dazu führten, dass das Betriebsklima regelrecht vergiftet wurde. …
…
Hier nun der Knackpunkt: Mir wurden im dienstliche Gespräch mitgeteilt (und diese Aussage wurde mir am gleichen Tag in einem weiteren informellen Gespräch bestätigt): Der Betriebsrat, der zuvor sein Einverständnis für die Ausschreibung der neuen Stelle gegeben hatte, machte aufgrund der Einwendung der Madame eine 180-Grad-Wendung und zog dieses Einverständnis zurück. Da es ohne dieses Zustimmung aber wohl nicht geht, zog die Betriebsleitung die Stellenausschreibung zurück. Damit alles seine scheinbare Richtigkeit hat, wurde das u.a. mit personalpolitischen Gesichtspunkten begründet.
Wie auch immer: ab 1. November steht nun Frau K. auf der Straße.
Das ist alles nur ganz kurz skizziert …
Leidtragende sind neben Frau K. auch der Systemverwalter und ich, denn uns fehlt von heute auf morgen eine kompetente Kollegin. Und damit fehlt überhaupt dem ganzen Haus eine engagierte Mitarbeiterin, die mit viel Eigeninitiative ans Werk ging. Ich habe den Eindruck: mit zu viel Eigeninitiative!
Was kann ich dazu sagen: Auch ohne mir den Magen voll schlagen zu müssen, kommt mir das Essen hoch. Es ist wirklich zum Kotzen!
Nachtrag und Ende: Inzwischen hatte ich ein persönliches Gespräch mit Geschäftsleitung und Personalchef. Wenn einer ein Psychopath ist, dann natürlich ich. Wie konnte ich nämlich so naiv sein zu glauben, mit einer Intervention meinerseits eine Kehrwendung zum Guten zu erreichen? Meine gute Absicht wurde als bösartig interpretiert (Mobbing, Verleumdung und üble Nachrede). Ich habe mich dafür entschuldigt.
Was bleibt ist ein übler Nachgeschmack, denn in den Informationen, die mir angetragen wurden, gibt es einen Widerspruch, der nur eines bedeutet: Die eine oder andere Person hat mich wohlwissendlich belogen. Zumindest weiß ich jetzt nicht, was und wem ich glauben kann. Aber da ich nun einmal der Depp bin: Ich habe sicherlich alles falsch verstanden …
Genug, so hoffe ich. Ich habe mir die Finger verbrannt und werde in Zukunft meine Nase nicht mehr in die Angelegenheiten anderer stecken. Selbst in meinem Alter lernt man nicht aus.
Was ist bloß mit Ian los? Teil 25: Warchild, Mrs. Palmer & Kashmir
Hallo Wilfried,
wie es meine Art ist, komme ich direkt und ohne Umschweife auf Deine letzte mail zu sprechen:
Zu Queen: Diese Gruppe, die nach Deiner Einschätzung meine Lieblingsband ist, hat das kommerzielle Gebaren von JT bei weitem übertroffen. Dazu gehört nicht nur das Queen-Musical; diese Entwicklung setzte bereits viel früher ein: In den 80er Jahren hatte die Gruppe keine Skrupel, auf den Zug der disco-orientierten Popmusik aufzuspringen. Das war unverzeihlich. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, wie der Tod von Freddy Mercury von der hinterbliebenen Band vermarktet worden ist, merkt man sehr deutlich, dass das Musik-Geschäft auch nur ein Geschäft ist. Auch zu Idolen aufgestiegene Rockmusiker sind nicht davor gefeit, um das goldene Kalb zu tanzen. Mit Queen geht es mir übrigens ähnlich wie mit Jethro Tull: Die frühen Werke, mit Ausnahme der ganz Frühen, erachte ich als die Besten. Danach war für mich nichts mehr dabei. Bei beiden Bands sind es jeweils nur eine Handvoll Alben, die die Qualität der Gruppe für mich ausmachen.
Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie Mr. Anderson zu anderen Musikern steht. Einzig den Namen Led Zeppelin erwähnte er hin und wieder in seinen Livekonzerten. Dabei scheint ihn eine Art Hass-Liebe mit dieser Gruppe zu verbinden: Oft verballhornt er den Namen oder einige Lieder von LZ, andererseits hat er in der jüngerer Vergangenheit eine (grauenhafte) Coverversion von Kashmir live zu Gehör gebracht.
Da hast Du’s: Wie von Dir befürchtet, bringe ich wieder negative Attribute mit Mr. Anderson in Verbindung. Es hat den Anschein, als hätten wir uns in unserem kleinen Gedankenaustausch auf unsere Rollen festgelegt: Ich greife Mr. Anderson fast zwangsläufig an und Du verteidigst ihn ebenso automatisch. Advocatus diaboli versus Advocatus Dei. Gleichwohl: Wenn ich Mr. Anderson so negativ einschätzen würde, wie es bei Dir den Anschein hat, würde ich kaum so viel Zeit auf ihn verwenden. Er ist in meinen Augen ein herausragender Musiker, Entertainer (und Geschäftsmann!), aber keine Lichtgestalt. Wenn wir uns auf diese Formel einigen können, müssen wir nicht befürchten, dass uns unsere gemeinsame Basis unter den Füßen zerbröckelt.
Zu Mr(s). Palmer: Auf der Rückseite des Warchild-Covers ist er gar an exponierter Stelle zu sehen. Auf diesem Cover sind etliche Personen (natürlich auch Shona) in Kostümen zu sehen, die einen Bezug zum Album haben. So stellt Mr. Palmer so etwa wie Gottvater dar. Bezeichnenderweise steht er in dieser Rolle gleich neben dem Meister, fast auf gleicher Höhe mit ihm. Aber eben nur fast.
Zurück zur Musik von Mr. Anderson:
Stell‘ Dir vor, Du müsstest jemandem, der JT nicht kennt, ein Lied der Gruppe nennen, das repräsentativ für das musikalische Werk der Gruppe steht. Nur ein Lied. Kein zweites und erst recht kein Album. Welches Lied würdest Du auswählen ?
Das war’s für heute.
Wir bleiben in Verbindung.
Lockwood
21.10.2006
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Hallo Lockwood,
da bin ich wieder. Zu Queen, Kommerz und Musikindustrie will ich mich nicht so ausführlich äußern. Das würde viel zu weit führen. Wie so vieles so wird auch hier global vermarktet, was es zu vermarkten gibt. Und die gute Firma Sony ist für mich da nur eine Art Stellvertreter für all die Firmen, denen es eigentlich nicht um die Musik an und für sich, sondern nur ums Geldscheffeln geht. Damit habe ich eigentlich schon genug gesagt.
Ich habe nichts gegen Queen, auch nichts gegen Led Zeppelin. Es ist richtig, dass Anderson z.B. „Thick as a Brick“ einmal als „Whole lotta Brick“ angekündigt hat (so 1977 im Golders Green Hippodrome zu London). Und beim Tampa Konzert von 1976 ist es wiederum „Thick as a Brick“ als das berühmte Lied von Johnny Cash.
Zur Cover-Version von Led Zeppelins Kashmir: Dein Urteil ist wieder einmal vernichtend: grauenhaft. Ich weiß nicht, woher Du das Stück kennst. Ich denke, es ist die Amateuraufnahme, die im Internet kursiert (www.cupofwonder.com). Allein die Aufnahme ist schon grauenhaft, ein Soundbrei, der nicht unbedingt ein objektives Urteil zulässt. Also um es gleich zu sagen: Mein Lieblingsstück wird das auch nie werden. Und eigentlich ist es eine Solonummer der guten Lucia Micarelli, die von Tull mehr oder weniger gut begleitet wird. Von daher war ich bisher nicht in der Verlegenheit, das Stück mit zu den anderen Tull-Videos auf meine Website zu nehmen. Du magst das Gedudele einfach nicht und damit basta: grauenhaft! Den meisten Zuschauern muss es aber gefallen haben, sonst hätten die nicht so geklatscht. Vielleicht hörte es sich dort im Saal auch wesentlich besser an, als auf der Videoaufnahme … Wenn es Dir nicht gefällt und Du es als grauenhaft einstufst, so ist das Deine Einschätzung. Mir gefällt schon das Stück als solches nicht sonderlich. Da brauche ich also nicht noch eine Tull-Lucia-Coverversion.
Also was ich von der Idolisierung von Musikern usw. halte, habe ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben. Nicht so viel! Daher kann selbst ein Ian Anderson, den ich sehr hoch schätze, nicht so etwas wie eine Lichtgestalt für mich sein. Von daher habe ich auch keine Probleme, wenn Du wieder und wieder Herrn Anderson mit negativen Attributen belegst. Das ist Deine Meinung. Ich habe manchmal eine andere. Ist nun einmal so im Leben.
David/Dee Palmer und War Child: Da bin ich mir nicht so ganz sicher, ob das Palmer ist, der wie Gottvater neben Anderson steht. Gandalf (aus Herr der Ringe) wäre vielleicht passender. Aber er muss es sein, da er wieder einmal für die Orchesterbearbeitung sorgte und so auch namentlich auf dem Cover erwähnt ist. Allerdings finde ich für ihn keinen Songtitel, der seiner Darstellung entsprechen könnte. Oder? Anderson und Palmer, das ist schon ein eigentümlich musikalisches Paar. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Ian Anderson gern etwas andere Musik gemacht hätte, wenn man ihn nur gelassen hätte. Palmer hat das irgendwie kompensiert. Aber Palmer selbst ist nicht so richtig zu fassen. Mit Bart und Pfeife war er/sie eigentlich der typische Mann. Und dann in dem Alter noch an sich herumschnippeln zu lassen: Da gehört schon einiges an Mut zu. Es gibt irgendwie noch eine Aufnahme des Stückes „Elegy“, ziemlich neu – und nur mit Frau Palmer am Keyboard und Anderson an der Querflöte.
Mr. David Palmer | Mrs. Dee Palmer |
Ach, das Kopftuch. Da habe ich doch bei www.youtube.com eine gar nicht so schlechte Coverversion von „Crosseyed Mary“ gefunden – von einem Typ mit den Initialen LC. Und zu Ehren des Meisters trägt der Typ – ein Kopftuch! Sag also nichts: Kopftücher kommen in Mode!
Lass Dich nicht erschüttern.
Wilfried
23.10.2006
Werder Bremen im Vormarsch (9. Spieltag BL 2006/2007)
So langsam kommt Werder Bremen in Fahrt. Nach dem glänzenden, aber unglücklichen 1:1 im Weserstation gegen den FC Barcelona in der Campionsleague hat die Mannschaft jetzt die Spitze der Bundesliga erobert. Nach dem souveränen 3:1-Sieg gegen die Bayern ist der Mainz 05 mit 1:6 unter die Räder gekommen.
Und jetzt trifft auch Miro Klose wieder ins Tor, nachdem er hauptsächlich als wichtiger Vorbereiter gedient hat. Aber über allem schwebt Diego, der gerade einmal 21-jährige brasilianische Neuzugang vom FC Porto, der Johan Micoud längst vergessen gemacht hat.
Wenn sich die jetzige Form des Teams etwas länger konservieren lässt, dann ist Werder Bremen nicht nur deutsche, sondern europäische Spitze und wird ohne Weiteres auch eine Mannschaft wie den FC Barcelona von der Bildfläche verdrängen können. Und Diego übernimmt das Erbe eines Ronaldinho.
Was ist bloß mit Ian los? Teil 24: Von Schubläden und Kritiken
Hallo Wilfried,
Zu den Kritiken:
Schön, dass es auch wohlmeinende Stimmen zu JT gibt. Allerdings habe ich ebenfalls wie Du die Befürchtung, dass die zweite Kritik aus der BRAVO stammt. Wenn ich mich recht erinnere, stand in der BRAVO niemals eine negative Kritik zu den Musikschaffenden. So etwas wäre für die Zielgruppe der Zeitschrift nur sehr bedingt geeignet. Die zweite Kritik, obwohl positiv, macht auf mich keinen sehr kompetenten Eindruck. Möglicherweise tue ich dem Verfasser Unrecht, aber auf mich wirkt es, als hätte er von einer anderen Kritik einige Schlagworte übernommen und sie neu arrangiert. Was soll eigentlich die Formulierung „Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander“ aussagen ? Wie verbindet man musikalische Bestandteile persönlich ? Der Satz klingt gut, lässt aber inhaltlich zu wünschen übrig. Du und ich sind uns einig, dass es nicht die Kritiker sind, die diesen Globus in Bewegung halten. Die von uns gescholtenen Kritiker machen ihre mehr oder minder fundierte Meinung zu einigen Musikstücken einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Hand aufs Herz: Was machen wir in der neuen Rubrik Anderes ? Man kann uns lediglich zu Gute halten, dass wir nicht davon leben müssen, andere durch den Kakao zu ziehen.
Zu den Schubladen des Meisters:
Wenn ich mich als Folk-Fan auf die Alben beschränke, die der Meister als Folk klassifiziert, bleiben mir Perlen wie Thick as a Brick oder Passion Play verborgen. Natürlich bleibt mir auch A oder Roots to Branches erspart. Man könnte nun endlos darüber disputieren, ob das Eine das Andere Wert sei. Die Musikwelt ist sehr kreativ in der Schöpfung neuer Begriffe zur Einordnung der Musikrichtungen: Art-Rock, Progressiv-Rock, Psychodelic-Rock usw.. Diese Skala sollte m.E. um den Begriff der Kopftuch-Musik ergänzt werden.
Die Symphonie-Werke des Mr. Anderson kenne ich alle nicht. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Classic-Rock. Wenn mir der Sinn nach Klassik steht, höre ich Vivaldi, Händel, Brahms, etc. Oder Chöre. Etwas Anderes ist es mit den rein klassischen Werken des Mr. Anderson. Ich meine die Werke, die keine Rock-Basis haben. Das ist schon eine eigene Klasse. Allerdings gefällt mir Deine gesendete Version von Thick as a Brick ganz gut. Erfreut Ohr und Gemüt. Ich hätte allerdings ganz auf die akustische Gitarre verzichtet. So hört es sich an, als hätte Mr. Palmer nicht gewusst, wie man eine Gitarre symphonisch umsetzt und sie deshalb beibehalten hätte. (Es wäre einem Wunder gleichgekommen, wenn ich einmal nichts zu motzen hätte). Welche Rolle hatte Mr(s). Palmer bei JT ? So weit ich weiß, war er mit den Arrangements der Streicher betraut. Hatte er darüber hinaus noch weitere Aufgaben ? War er nicht auch der zweite Keyborder ? Der, den man hinter Mr. Evan kaum erkennen konnte ?
Bis nächste Woche !
Lockwood
14.10.2006
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Hallo Lockwood,
interessant ist Deine Erkenntnis, dass in der BRAVO immer nur positive Kritiken stehen. Das ist gewissermaßen das Erfolgsrezept des Blattes, das andere Zeitschriften wie „Sounds“, „Pop“ usw. alle überlebt hat. Der jugendliche Leser sucht und findet etwas zu seiner Lieblingsgruppe und das ist natürlich ganz und gar positiv. Trotzdem möchte ich dem Kritiker eine völlige Inkompetenz nicht andichten. Warum sollte es 1969 nicht auch bei BRAVO-Mitarbeitern begeisterte Tull-Hörer gegeben haben. Dabei mag man über Formulierungen streiten.
Auch noch kurz etwas zu den Schubläden. Ich sehe das so: Ein Folk-Fan wird, wenn er erst einmal die Folk-Alben von Jethro Tull kennen und auch lieben gelernt hat, nicht Halt machen. Hat er erst einmal Blut geleckt, dann wird er gucken, was gibt es da noch Feines. Und wird irgendwann zwangsläufig auf die Konzeptalben stoßen. Das Internet kann hierzu betragen (mithin auch wir).
Art-Rock und Progressive Rock, alles Begriffe, die wohl auch Herrn Anderson nicht schmecken. Auf der DVD „Living with the Past“ äußert sich der Meister entsprechend abwertend nach dem Motto: Und dann machen die auch noch ein Konzeptalbum: KONZEPTALBUM! Bei den ganzen Musikrichtungen und –stilen blickt sowieso fast keiner mehr durch. Was das allein im Bereich des Hard Rocks für Blüten treibt, ist unübersehbar: Heavy Rock, Heavy Metal, Gothic Metal, Power Metal (wird noch lt. Wikipedia zwischen europäischen und US-Power Metal unterschieden – dann gibt es auch noch den Extreme Power Metal), Symphonic Metal und Industrial Metal. Notfalls steigert man das Ganze noch mit weiteren Attributen wie Super oder Mega. Fast jede Band spielt so ihren eigenen Stil. Somit sind es nicht die des Meisters Schubläden, sondern in der Musikbranche weitläufig benutzte Begriffe, auf die er nur zurückgreift.
Ja, die Rolle von Herrn/Frau Palmer ist eigentlich erstaunlich. Welche Band kann von sich behaupten, ihren eigenen Chefarrangeur für alles Klassische zu haben. Geht es um die Untermalung eines Liedes mit Streichern. Dave richtete es. Und so ist die symphonische Umsetzung Tull’scher Musik aus dem Jahre 1985 wohl hauptsächlich auf den Mist von David/Dee Palmer gewachsen. Für Herrn Anderson, dem Geschäftstüchtigen, ein durchaus lukratives Zusatzgeschäft. Immerhin erinnere ich mich daran, dass für diese Platte in Zeitschriften (und nicht nur Musikzeitschriften) reichlich Werbung gemacht wurde. Was Deine Lieblingsband „Queen“ betrifft, so haben die sich diesen Mammon auch nicht entgehen lassen und kassieren sicherlich reichlich Tantiemen für das Musical.
Aber David Palmer hat ja auch Mitte bis Ende der 70-er Jahre längere Zeit mit auf der Bühne gestanden. Vielleicht im Schatten von John Evan, aber doch präsent. John Evan spielte alles Klavierähnliche, Palmer die kleine handliche Bühnenorgel. Ich muss einmal gucken, ob ich da einige gute Aufnahmen finde. Auf zwei Stücken finden wir ihn im Smoking: Velvet Green vom Konzert im Goldiers Green Hippodrome und im Clip Heavy Horses. Und auf dem Tullavision-Mitschnitt von 1976 sehen wir ihn ganz leger. Da nuckelt er für kurze Zeit auch an einem Saxophon herum. Wie gesagt: Ich finde es mehr als erstaunlich, dass zwei so anscheinend unterschiedliche Musiker auf so lange Zeit zusammengearbeitet haben. Auch wenn Du jetzt dagegen an stänkern und ein Haar in der Suppe finden wirst: Es beweist mir nur, welche Qualitäten unserer Meister sein eigen nennen darf.
Man liest sich weiterhin
Wilfried
17.10.2006
Ian Anderson/Dee Palmer: Elegy
Dee Palmer, als sie noch ein Er war, nämlich David Palmer (mit 66 Jahren unterzog er sich einer Geschlechtsumwandlung), war einige Jahre Mitglied der Gruppe Jethro Tull – auch öffentlich in Konzerten. Die Zusammenarbeit mit Ian Anderson, dem Kopf der Gruppe, geht aber bis in die Anfangszeit zurück. So arrangierte und dirigierte Palmer bereits für das 2. Album „Stand Up“ die Streichersätze auf dem Stück „Reasons for Waiting“. Eine musikalische Ausbildung genoss der/die 1937 geborene Palmer an der Royal Military School of Music in England und studierte Komposition an der Royal Academy of Music.
Auf dem 1979 erschienenen Tull-Album „Stormwatch“ ist am Schluss die Palmer-Komposition „Elegy“ enthalten, ein klassisches Musikstück, das Palmer zum Tode seines Vaters schrieb. Es muss wohl im Jahre 2002 gewesen sein, da trat noch-David mit Ian Anderson (es war wohl eine der inzwischen zahlreichen Tull-Convention) auf, um gemeinsam dieses Stück vorzutragen.
Was ist bloß mit Ian los? Teil 23: London Symphony Orchestra
Hallo Wilfried,
Den Kommentar von Stefan habe ich gelesen. Er schreibt etwas sehr Wichtiges: JT – Alben muss man häufiger hören, damit ihre Qualität offenbar wird. Es ist keine leichte Kost. Ich erinnere mich, dass ich anfangs von Thick as a Brick enttäuscht war. Mittlerweile zähle ich dieses Album zu den Besten.
Die JT-Skins finde ich stark ! Ist es Zufall, dass die Designer Bilder des Meisters gewählt haben, die ihn während seiner besten Zeit zeigen ? Sie hätten genau so gut Kopftuch-Bilder verwenden können. Rein theoretisch.
Meine Desktop-Hintergrundbilder wechseln sehr häufig. Meist sind es Fotos von meinen Kindern. Entweder Originalfotos oder bearbeitete. Hin und wieder ist auch ein Bild von Mr. Anderson zu sehen.
Ich wünsche Euch allen schöne Ferien und einen goldenen Oktober !
Lockwood
12.10.2006
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Hallo Lockwood,
Jethro Tull – AQUALUNG – Chrysalis ILPS 9145
Auf diesem Album gibt Ian Anderson in neun Thesen seine (nicht sehr originelle) Meinung zum Thema Gott zum besten. AQUALUNG ist die Bezeichnung für lesser men, die unterprivilegierten Menschen. Die Texte der elf Songs zu diesem Thema sind auf dem Innenumschlag abgedruckt.
Während bisher die Musik Jethro Tull’s meines Erachtens von Platte zu Platte bedeutungsloser wurde, scheint mir AQUALUNG ziemlich gut gelungen zu sein. Das Auffälligste: Anderson gebraucht die Flöte nur noch sparsam bei einzelnen Stücken. Allgemein ist die Musik leiser geworden. Mehrere Stücke werden mit akustischer Gitarre und Tabla an Stelle des Schlagzeugs vorgetragen. Zwei Stücke haben Streicherarrangements. Neu dabei ist Bassist Jeffrey Hammond-Hammond.
Aus: Sounds – Michael Wallossek
Also den Kritikern wollen wir hier wirklich kein Denkmal bauen. In dem erwähnten Buch mit Plattenkritiken aus der Zeitschrift „Sounds“ – immerhin über 1500 Seiten und über 1800 Kritiken stark – findet sich keine Kritik zu „Thick as a Brick“ oder „A Passion Play“. „Aqualung“ findet sich (siehe oben), auch „War Child“, von den beiden Konzeptalben aber schlechthin keine Spur. Zur Blütezeit von Jethro Tull hatte ich mir regelmäßig Musik-Zeitschriften gekauft. Und so habe ich immerhin aus der Zeitschrift „Pop“ Kritiken zu „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ in meinem kleinen Tull-Archiv vorliegen (dazu später mehr).
Nun was soll man zu der Kritik zu Aqualung sagen. Dem Autor scheint (warum scheint?) das Album ziemlich gut gelungen zu sein. Und was heißt ziemlich? Ich habe einmal im Internet nach weiteren Werken eines Herrn Wallossek gesucht und bin eigentlich überrascht: Es gibt zwei Bücher, die er mit dem Dalai Lama verfasst hat (Das Herz der Liebe, Inneren Frieden finden). Hoffen wir, dass er seinen inneren Frieden gefunden hat.
Ich habe den Eindruck, dass viele Kritiker (und nicht nur die) mit der Tull-Musik nicht viel anfangen können. Oder sie erkennen sehr schnell der ‚Kern’ – und sind begeistert. Ich habe da z.B. eine Kritik zum 2. Album Stand up und da heißt es u.a.:
Jethro Tull ist endlich mal wieder eine Gruppe mit ganz eigenem Stil und Sound. … Es praktisch gibt nichts, was es in der Musik der Jethro Tull nicht gibt. Sie verwenden Elemente des Beat und des Rock ‚n’ Roll, des Bossa Nova und des Jazz, der afrikanischen und der orientalischen Folklore … Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander. … Jethro Tull ist seit langem das Beste, was auf der Pop-Szene passierte!
Leider habe ich mir nicht vermerkt, aus welchem Blättchen diese Kritik stammt. Ich ‚fürchte’ es war die Bravo. Aber ist ja auch egal. Der Kritiker hat von Musik (und zwar von Musik insgesamt) mehr Ahnung als diese Schreiberlinge, die sich von morgens bis abends voll dröhnen lassen. Und wenn sie auf ungewohnte Klänge stoßen, meinen, diese niedermachen zu müssen. Musik von Jethro Tull ist, wie Du sagst, keine leichte Kost. Genug für heute von uralten Kritiken.
Zu den Schubläden, die uns der Meister öffnet: Für den, der sich für die Musik von Herrn Anderson und seinen Jungs interessiert, aber noch nicht vieles von der Gruppe kennt, ist diese Zuordnung schon sehr hilfreich. Wer seinen Schwerpunkt auf Folk setzt, wird so davon abgehalten, sich zunächst ein Album wie z.B. „Under Wraps“ zu kaufen. Natürlich hat dieses Schubladendenken immer seine Haken. „Thick as a Brick“ ist sicherlich zunächst ein Konzeptalbum und lässt sich dem Progressive oder Art-Rock zuordnen. Aber es ist am Ende doch etwas mehr.
Kennst Du eigentlich das Album mit dem London Symphony Orchestra von 1985? Bemerkenswert ist u.a. daran, dass David Palmer alle Stücke nicht nur arrangiert hat, sondern das Orchester auch dirigiert. Eine kleine Anekdote hierzu am Rande: Meine Frau suchte ein Geschenk für ihre Freundin. Nun wusste ich, dass diese ganz gern Musik von Symphonieorchestern hört, die z.B. Soundtracks von Filmen usw. nachspielen. So kam an Ende die gute Freundin zu einer Scheibe mit der Musik von Herrn Anderson. Sie fand die Musik übrigens ganz gut.
Nun, das Album habe ich noch als alte Vinyl-Scheibe. Inzwischen bin ich wenigstens an MP3-Dateien gelangt. Daher im Anhang eine kleine Hörprobe: Thick as a Brick.
Schönes Wochenende noch.
Wilfried
14.10.2006
Sieben Tage lang – Das Lied vom Apfelwein
Es ist fast eine Hymne, das Lied „Sieben Tage lang“, das ich in der deutschen Fassung von der holländische Gruppe „Bots“ kenne und das Anfang der 80-er Jahre auf dem Album „Aufstehn“ erschienen ist. Die Gruppe wirkte in der Friedensbewegung und so ist auch das Lied eng mit der Friedensbewegung der 80-er Jahre verbunden. Es muss in der Nähe von Bremerhaven gewesen sein, ich erinnere mich nur dunkel daran, da sah ich die Gruppe und hörte natürlich auch das Lied. Der deutsche Text ist übrigens eine Übersetzung von Lerryn/Günter Wallraff („Lerryn“ ist der Künstlername des Liedermachers Dieter Dehm, der als Stasi-IM „Dieter“ Wolf Biermann bespitzelte, dessen Manager er war – so holt uns so nebenbei noch die deutsche Geschichte ein). Die Musik selbst ist das bretonische Volkslied „Son ar Chistr“, das Lied vom Cidre, also vom Apfelwein.
Sieben Tage lang
Was wollen wir trinken, sieben Tage lang,
was wollen wir trinken, so ein Durst.
Es wird genug für alle sein,
wir trinken zusammen,
roll das Fass mal rein,
wir trinken zusammen, nicht allein.
Erst müssen wir schaffen, sieben Tage lang,
erst müssen wir schaffen, komm fass an.
Und das wird keine Plackerei, wir schaffen zusammen,
keiner schafft allein,
wir schaffen zusammen, nicht allein.
Dann müssen wir streiten, keiner weiß wie lang,
ja, für ein Leben ohne Zwang.
Dann kriegt der Frust uns nicht mehr klein.
Wir streiten zusammen, keiner kämpft allein,
wir gehen zusammen, nicht allein.
Dann wollen wir trinken, sieben Tage lang,
was wollen wir trinken, so ein Durst.
Hier habe ich eine Fassung in holländischer Sprache vorliegen, die ich etwas gekürzt habe: Zeven dagen lang!
Ev‘ chistr ‚ta Laou rak chistr ‚zo mat, lonla,
Ev‘ chistr ‚ta Laou rak chistr ‚zo mat.
Ev‘ chistr ‚ta Laou rak chistr ‚zo mat,
Ur blank ur blank ar chopinad, lonla,
Ur blank ur blank ar chopinad.
Ar chistr ‚zo graet e’it bout evet, lonla,
Ar chistr ‚zo graet e’it bout evet.
Ar chistr ‚zo graet e’it bout evet,
Hag ar merc’hed e’it bout karet, lonla,
Hag ar merc’hed e’it bout karet.
Wenn ich davon spreche, dass das Lied gewissermaßen eine Hyme ist, dann wohl deshalb, weil ich inzwischen auf unterschiedlichste Versionen gestoßen bin. Es muss Anfang der 70-er Jahre gewesen sein, da hat es der Harfenspieler Alan Stivell ausgegraben. Es gibt eine Fassung mit der schottischen Ballade ‚Willie’s Lady’. Der Text stammt aus einer Sammlung von englischen und schottischen Balladen, die der Amerikaner Francis James Child [1825-1896] zusammen getragen hat, unten ein Ausschnitt des Liedes (von Ray Fisher gespielt und gesungen).
WILLIE’S LADY
O Willie’s ta’en ower the raging faem
He’s woo’d a wife & he’s bocht her hame
He’s woo’d her for her lang yellow hair
But his mother wrocht her muckle care
And muckle dolour gar’d her dree
For light o‘ bairn his lady canna be
For light o‘ bairn she canna be
And aye she lies in her bower wi‘ pain
And Willie mourns his lady a‘ in vain
And Willie mourns her a‘ in vain
So Willie’s tae his wicked mither gane
The vilest witch o‘ womenkind
And says, „My lady has a bonnie cup
Wi‘ gowd & silver set aboot“
Forscht man lang genug im Internet, so findet sich u.a. eine Fassung der tschechischen Gruppe „Dick O‘ Brass“. Und lauscht man in das Lied „Gulliver“ von Angelo Branduardi, dann hört man sehr schnell, auch hier wurde die Musik des bretonischen Volkslieds „Son ar Chistr“ verwendet.
Aber auch damit nicht genug: Ich habe eine Fassung einer aus Russland stammenden Folkgruppe: Mervent. Und auch die bekannte irische Gruppe Chieftains hat das Lied eingespielt.
Das Lied ist wirklich ein europäischer Klassiker! Hier nun die unterschiedlichen Versionen:
Bots: Zeven dagen lang! |
Alan Stivell: Son ar Chistr (Ausschnitt) |
Ray Fisher: Willie’s Lady (Ausschnitt) |
Dick O‘ Brass: Son ar Chistr (Ausschnitt) |
Mervent: Son ar Chistr |
Chieftains: Son ar Chistr |
Angelo Branduardi: Gulliver |
Was ist bloß mit Ian los? Teil 22: Player mit Anderson-Design
Hallo Wilfried,
für die Übersetzung des Weihnachtsliedes gilt das Gleiche wie für die letzte Übersetzung: Ich bin (natürlich) nicht 100% mit dem deutschen Text einverstanden, bekäme es aber selber nicht besser hin. Für die JT-Fansite reicht es allemal. Sollen sich alle Nörgler um mich scharen, dann können wir versuchen, es besser zu machen.
Noch einmal kurz zu den Kritikern:
Ein Kritiker, der alles toll findet, gräbt sich selber das Wasser ab. Er entzieht seinem Beruf die Grundlage. Indem er herumkrittelt, suggeriert er dem Leser, dass er es eigentlich viel besser könnte als der kritisierte Künstler. Dadurch steht er als toller Bursche da und ist jeden Cent seines Honorars wert. Klappern gehört zum Handwerk. Ich persönlich kann mit der Meinung eines Kritikers nichts anfangen und kenne auch niemanden, der das kann. Es ist im Grunde ein vollkommen überflüssiger Berufsstand. Selbst wenn alle Kritiker sich einig wären, dass Modern Talking und Michael Jackson tolle Musik machen, so würde ich doch nie ein Album dieser Leute kaufen. Und andersherum: Wenn alle Kritiker Minstrel in the Gallery verreißen würden, so wäre es für mich immer noch eines der besten Alben aller Zeiten. Also, liebe Kritiker, betreibt Euer Geschäft weiterhin schön emsig, aber erwartet nicht, dass die Welt Euch allzu ernst nimmt.
Zu Theo:
Ich habe seinen Zeilen schon entnommen, dass er ein großer JT – Fan ist und dass er wenig am Meister auszusetzen hat. Damit will ich nicht sagen, dass Theo zu unkritisch an die Sache herangeht; er ist einfach besser in der Lage, sich in Mr. Anderson hineinzuversetzen, als ich es bin. An dieser Stelle möchte auch ich mich bei Theo bedanken, dass er sich die Mühe macht, unseren Gedankenaustausch durch seine Kommentare zu honorieren.
Zu den Schubladen:
Es erstaunt mich, dass Mr. Anderson, der nach eigenem und neuerdings auch nach meinem Verständnis sich der Musik schlechthin verschrieben hat, seine Alben in Klischees presst. Soll das eine Entscheidungshilfe für potentielle Plattenkäufer sein ? Zu den Kategorien, die Mr. Anderson gewählt hat, kann ich nur soviel sagen: Zu Heavy Metall gehört m.E. kein einziges Tull – Album. Unter Heavy Metall verstehe ich Metallica oder Deep Purple. Die Begriffe „Prog / Art“ halte ich für sehr schwammig. Hier passt vieles hinein. Auch Genesis trugen in ihren frühen Jahren das Attribut „Progressiv Rock“. Jedoch kann ich keinen gemeinsamen Nenner für Genesis und JT erkennen.
Überhaupt kommen mir manche Einstufungen des Meisters spanisch vor (hier sind wir wieder bei der Weltmusik). Ich komme bei meiner persönlichen Einteilung der JT – Alben mit vier Kategorien aus:
· Hervorragend
· Gut
· Geht so
· Grottenschlecht
Ich erwarte allerdings nicht, dass Mr. Anderson diese Einteilung auf seiner Homepage übernimmt.
Zur Jugendkultur:
Ich bin nicht als Fast-Popper zur Welt gekommen und werde sie nicht als solcher verlassen. Während meiner Realschulzeit trug ich, wie es sich damals gehörte, Jeans von Wrangler, Levi’s oder Lois und dazu T-Shirts oder Pulli. Und natürlich den Parka. Ich kann mich erinnern, dass unser Rektor sich einmal über den „Mao-ähnlichen“ Einheitslook seiner Schüler beklagte. Nach der Popper-Phase kam die Zeit des Cowboy-Looks: Stiefel, John-Wayne-Hemd, Lammfell-Jacke. Danach hatte ich beruflich bedingt eine Zeit der Stoffhosen, Hemden und Krawatten. Seit einigen Jahren hat es sich wieder in Richtung Jeans und Pulli normalisiert. Das ist nicht zuletzt ein Zugeständnis an meine Frau; Pullis und Polohemden sind leichter zu bügeln als Oberhemden…
Zum typisch Britischem:
Die Globalisierung macht leider auch vor Merry old England nicht halt. Bobbys, Taxen, Busse, Telefonzellen werden moderner und damit kompatibler, verwechselbarer, uninteressanter. Wieder geht ein schönes Stück Tradition den Bach runter. Ich schreibe es hinter vorgehaltener Hand: Wäre ich Engländer, ich wäre Royalist. Genau wie Du kann ich nicht sagen, was bei mir zuerst da war: Die Liebe zum Britischen oder zu JT. Aber an eines kann ich mich erinnern: 1982 sah ich im ZDF die gute alte „Drehscheibe“, Du wirst Dich sicher daran erinnern. In dieser Sendung gab es zum Schluss einen musikalischen Beitrag. An einem denkwürdigen Tag in 1982 bestand dieser Beitrag aus einem Auftritt von JT mit ihrer damals aktuellen Singleauskopplung Broadsword. Am nächsten Tag zog ich los, um mir ein Barett zu kaufen, wie der Meister es trug. Das Barett existiert noch, aber leider passt es nicht mehr. Anscheinend wächst mein Kopf noch.
Dass der Meister einen Bruder hat, war mir vollkommen neu. Die Musik zu „Water’s Edge“ finde ich ansprechend, aber zu klassischem Ballet fehlt mir jedweder Bezug.
Die Nähe der Waterboys zu Dylan hätte ich nie bemerkt. Um ehrlich zu sein, ich bemerke sie jetzt noch nicht. Das Schaffen Dylan’s ist irgendwie an mir vorbeigegangen. Das Einzige, worum ich ihn beneidete, war Joan Baez, aber lassen wir das.
Wo wir gerade bei großen Stimmen sind: Ist Dir damals aufgefallen, wie phantastisch Agnetha Fältskog von ABBA singen konnte ? Ich weiß, ich weiß, schwedische Popmusik passt thematisch überhaupt nicht hierher, aber die Stimme war schon klasse !
So, jetzt ab in die Heia.
Bis demnächst an diesem Bildschirm
Lockwood
08.10.2006
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Hallo Lockwood,
Entschuldige, wenn ich jetzt doch mehrere Tage habe verstreichen lassen. Aber irgendwie kommt das eine zum anderen und plötzlich hat man auch privat mehr um die Ohren, als einem (mir) lieb ist. Deshalb heute auch nicht so viel; damit Du siehst, ich lebe noch und habe Dich nicht vergessen (wie sollte ich). Ach ja, da hat sich jetzt auch ein Stefan zu einem Kommentar aufgerafft. Ist doch schön, wenn man so nach und nach etwas Resonanz erfährt.
Einmal etwas anderes, etwas Halbtechnisches. Für Audio-Dateien (MP3, WMA u.ä.) habe ich den Winamp-Player, der inzwischen auch Videos abspielt. Diesen Player bekommt man wie so vieles auch kostenlos im Internet heruntergeladen. Ich finde ihn ganz handlich. Weshalb ich das schreibe? Nun, wie für fast jeden Player so kann man auch beim Winamp-Player so genannte Skins einstellen (beim Windows Media Player heißt das Design). Und für Winamp gibt es vier Skins, die unseren Herrn Meister Anderson in ihre Oberfläche integriert haben. Man muss dabei aber nicht unbedingt Tull-Titel abspielen. Macht doch etwas her, oder? So hat man Herrn Anderson immer auf seinem Bildschirm, wenn man nebenbei Musik hört. Man kann übrigens auch selbst solche Skins erstellen. Ist aber etwas aufwändig.
Tull-Skin für den WinAmp-Player 1 | Tull-Skin für den WinAmp-Player 2 |
Tull-Skin für den WinAmp-Player 3 | Tull-Skin für den WinAmp-Player 4 |
Wer an den Skins interessiert ist, der kann sie sich hier herunterladen. Der Winamp-Player wird in der Regel unter c:\programme\winamp installiert. Dort gibt es ein Unterverzeichnis \skin\. In dieses Verzeichnis werden die WSZ-Dateien einfach abgespeichert. Skins im Player wechselt man über den Symbolknopf (ganz oben links) -> Skins -> Auswahl.
Download Tullamp-Skins (mit rechter Maustaste auf den entsprechenden Link klicken – „Ziel speichern unter …“ osä., je nach Webbrowser):
Tullamp Skin 1
Tullamp Skin 2
Tullamp Skin 3
Tullamp Skin 4
Wenn wir schon bei solchen Spielchen sind: Welches Bildchen hast Du eigentlich auf Deinem Desktop, also als Hintergrundbild auf Deinem Bildschirm? Ich gönne mir da auch einen Anderson: Das Cover von „Broadsword and the Beast“. Das sieht dann so aus (mit Winamp); alles schön geordnet, gelt?
Noch ein kleiner Tipp für Grafik-Fans (wenn sie es längst nicht schon wissen): Was auf dem Bildschirm angezeigt wird, kann man auch als Grafik weiterverarbeiten. Es gibt ja z.B. einige Internetseiten, die ihre Bilder sperren. Mit diesem kleinen Trick kommt man eigentlich an alle Bildchen heran: Einfach die Taste „Druck / S-Abf“ auf der Tastatur oben rechts drücken. Dann im Grafikprogramm mit STRG+V einfügen (oder entsprechenden Befehl aus der Menüleiste). Genug des (halb-)technischen Exkurses.
Und auch genug für heute.
Das Wochenende naht. Und unsere Kinder haben dann die nächsten zwei Wochen Ferien. Da werde ich mir auch einige freie Tage gönnen. Deine Kinder sind dann ja bereits mit den Herbstferien durch, oder?
Bis bald
Wilfried
11.10.2006
Jethro Tull: Water ’s Edge Ballet
Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Rockmusiker an einem klassischen Ballett mitwirkt. Wie bereits in dem Betrag „Was ist bloß mit Ian los? Teil 21: Ian und das klassische Ballett“ erwähnt hat Ian Anderson von der Gruppe Jethro Tull zusammen mit seinen jahrelangen Mitstreitern David Palmer und Martin Barre die Musik zu dem Ballett „Water ’s Edge“ verfasst. Die Choreographie stammt von Robert North. Die Premiere fand am 7. März 1979 im Theatre Royal, Glasgow, statt und wurde vom Scottish Ballet in der Leitung des Ballettdirektors Robin Anderson, dem Bruder von Ian Anderson, aufgeführt.
Zum Inhalt:
Ein junger Mann, der am Rande des Wassers entlang wandert, begegnet Mary Mackenzie, die ihm seltsame und erstaunliche Geschichten über die See, deren Launen, und den schottischen Mythen und Legenden erzählt: Vom Wasserpferd Kelpie, das mit Jungfrauen davon reitet und in den Wellen verschwindet; den Selkies, Seehunden, die sich zu Menschen verwandeln, wenn sie des Nachts ihre Häute ablegen und dann tanzen und seltsame Muster am Ufer weben; und den Wassernixen, den Töchtern des „Flossenvolks“, halb Fisch, halb Frauen, bekannt für ihren Sirenengesang und ihrer überirdischen Schönheit.
Ian Anderson: Water ’s Edge Ballet (Ausschnitt)
Was ist bloß mit Ian los? Teil 21: Ian und das klassische Ballett
Hallo Wilfried,
da bin ich wieder.
Zunächst möchte ich auf das Schreiben von Theo eingehen:
Theo ist in der glücklichen Lage, das fast 40jährige Schaffen des Mr. Anderson mit großer Freude und Begeisterung anzunehmen. Von der Ersten bis zur letzten Platte. Das vermag ich leider nicht. Die frühen und späten Werke von JT verkörpern nicht die Musik, die ich hören möchte. Das ist weder meine Schuld noch die von Mr. Anderson, es ist einfach so. Ich bedauere lediglich, dass Mr. Anderson nicht 40 Jahre lang Folk-Alben gemacht hat. Aber, wie Du an früherer Stelle schon treffend bemerkt hast, versteht Mr. Anderson sich als Musiker (nicht als Folk-Musiker). Für ihn ist das Spektrum der Musik zu breit, um sich auf eine Richtung zu beschränken. Wer mehr Folkmusik hören möchte, kann sich bei anderen Bands umschauen. Mr. Anderson hat dieses Kapitel abgehakt. Diese Lektion habe ich während unseres Gedankenaustauschs gelernt.
Zu den Kritikern:
Irgend einer dieser Zunft warf JT vor, dass sich ihre Musik nicht entwickeln würde, dass sie seit Jahrzehnten mehr oder minder das Gleiche produzieren. Wovon, frage ich Dich, redet dieser Mann ? Er kann doch unmöglich die Gruppe JT meinen, die anfangs Blues, dann Konzeptalben, dann Folkrock und später Weltmusik produzierten und zwischendurch mit Synthesizern experimentierten ! Bei manchen Kritiken habe ich den Eindruck, dass der Verfasser fertige Vordrucke in der Schublade liegen hat und nur noch den Namen des zu kritisierenden Künstlers eintragen muss. Dann kann es schon mal passieren, dass eine Kritik nicht zum Künstler passt. Ähnliches vermute ich mit der Kritik in Deiner letzten mail. Hier sieht es so aus, als ob der Kritiker mit einigen Fachausdrücken um sich wirft (z.B. Tonarten, Inspiration) um Fachkompetenz zu suggerieren. Ob diese Fachausdrücke den Kern der Sache treffen, ist ebensächlich. Ich kann Dich nur dazu ermutigen, Dich von solchen Pamphleten nicht verärgern zu lassen. Wann hat man jemals einem Kritiker ein Denkmal gesetzt ?
Zur Übersetzung von ‚Bungle in the Jungle‘:
Es ist das erste Mal, dass ich Kontakt mit dem Text habe. Der Song hat mir nie gefallen, da war der Text für mich ebenfalls uninteressant. Jetzt sehe ich, dass Mr. Anderson wieder Themen aufgreift wie Kritik an Gesellschaft und göttlicher Einflussnahme. Diese Themen hat er in seinen Liedern häufiger angesprochen als ich anfangs dachte. Er ist eben ein Denker, unser Mr. Anderson. Mehr Poet als Fußballspieler. Die vorliegende Übersetzung macht wieder deutlich, wie schwer es ist, einen Text zu übersetzen ohne die Intention des Autors zu verraten und sich gleichzeitig einer flüssigen Ausdrucksweise zu bedienen. Der vorliegende deutsche Text gefällt mir nicht, obwohl ich es selber nicht besser machen könnte; ich bekäme es nicht halb so gut hin. Ich weiß, es ist leicht, rumzumosern ohne es besser zu machen, aber mit dieser Übersetzung werde ich nicht warm. Der Kern des Original ist m.E. getroffen, allerdings scheint mir die Wortwahl ein zu großes Gewicht auf die Umgangssprache zu legen. Sicher, das macht Mr. Anderson auch hin und wieder, vor Ausdrücken wie Sperma und Rotze hat er keine Angst. Aber der Jungle-Übersetzer hat in meinen Augen etwas übertrieben.
Zu der bürgerlichen Herkunft der Musiker:
Ich denke, die Musik von JT würde mir nicht besser gefallen, wenn Clive Bunker Latein könnte oder Mick Abrahams Philosophie studiert hätte. Allerdings lese ich gerne, dass auch ‚gebildete‘ Leute die Musik machen, die ich gerne höre. Andersherum ist es aber auch in Ordnung. Mir fällt gerade Bruce Springsteen ein, dessen Musik ich ebenfalls schätze. Er hat bekanntermaßen ein Problem mit der Bildung. Trotzdem hat er seinen Weg gemacht. Und wie !
Zu Poppern und Punks:
Ich war weder das eine noch das andere. Allerdings tendierte ich ganz leicht in Richtung Popper. Das lag daran, dass ich mich damals gerne chic (so empfand ich es jedenfalls) angezogen habe und dass ich meinen gescheitelten Pony bis tief ins Gesicht trug. An dieser Stelle lege ich Wert auf die Feststellung, dass ich diese Allüren schon lange vor der Popper-Bewegung hatte. Karotten-Hosen und Kaschmir-Pullover hatte ich nie. Ich habe auch die Musik der Popper nicht gehört. Damals wie heute hörte ich Rockmusik. Allerdings muss ich einräumen, dass ich ähnlich wie die Popper nie besonders rebellisch war. Man könnte mich als angepasst bezeichnen. Das liest sich ein einer Biographie nicht besonders spannend, aber wir wissen spätestens seit Darwin, dass nur der Angepasste überlebt.
Zu JT und der Salvation Army:
Unbestreitbar sind beides sehr britische Institutionen. Du wunderst Dich, dass eine so britische Gruppe wie JT auf dem Kontinent ihr Publikum findet. Ich denke, auf dem Festland geht es vielen Tull-Fans wie mir lange Jahre: Ihnen gefällt die Musik, ohne auf Texte zu achten. Ich habe erst vor wenigen Jahren bemerkt, dass JT – Texte es in sich haben. Bis dahin habe ich einfach die Musik genossen. Ich habe auch schon bereut, einen Text übersetzt zu haben: Die Musik erzeugte in mir Bilder von Wäldern, Zauberern, Feen usw. und bei der Übersetzung musste ich feststellen, dass das Lied von Arbeitslosigkeit oder Verdauungsstörungen handelt. Nur so als Beispiel, bitte nicht wörtlich nehmen.
Ich habe ein Faible für alles Britische: Für die keltische Folklore, Miss-Marple-Filme, überhaupt für alle Darstellungen des British Way of Life: Der Doktor und das liebe Vieh, Task Force Police und wie die englischen Serien alle heißen. Ich kenne mich in der englischen Geschichte besser aus als in der Deutschen. Ich war dreimal in London, aber noch nie in Berlin. Ich habe mehr Schuhe von Lloyd als von Salamander. Mir gefallen uralte schwarze Taxen besser als moderne gelbe Mercedes. Rote hölzerne Telefonzellen besser als die Edelstahlgerippe der Telekom. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Ich habe es oben bereits angedeutet: Im Pantheon der Folkmusik tummeln sich noch andere Größen als Mr. Anderson. In youtube entdeckte ich einen, wie ich finde, sehr sehenswerten Liveauftritt der Waterboys aus 1986. Also, wenn es Dich interessiert: „The Waterboys Fisherman’s Blues Live 1986“.
So long
Lockwood
05.10.2006
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Hallo Lockwood,
Bis Weihnachten ist es noch etwas hin, aber zur ersten Vervollständigung eine weitere Übersetzung eines Anderson’schen Textes (nach weiteren suche ich noch im Netz):
Jethro Tull – Another Christmas Song
Hope everybody’s ringing on their own bell, this fine morning. Hope everyone’s connected to that long distance phone. Old man, he’s a mountain. Old man, he’s an island. Old man, he’s a-walking says: „I’m going to call, call all my children home“. |
Hoffentlich läutet ihr alle eure Glocken heute. Und hoffentlich ruft ihr alle eure Freunde an. Der alte Mann – er ist so was wie „ne Insel, oder besser: ein Berg – der alte Mann wacht auf und sagt sich: “Heute sollen alle meine Kinder kommen.“ |
Hope everybody’s dancing to their own drum this fine morning: the beat of distant Africa or a Polish factory town. Old man, he’s calling for his supper. Calling for his whisky. Calling for his sons and daughters, yeah calling, calling all his children round. |
Hoffentlich tanzt ihr heute alle schön brav, egal wo ihr grade seid: in Afrika oder in irgendeiner polnischen Fabrikstadt. Der alte Mann ruft nach seinem Abendessen, nach seinem Whiskey. Er ruft nach seinen Kindern, seinen Söhnen und seinen Töchtern. |
Sharp ears are tuned in to the drones and chanters warming. Mist blowing round some headland, somewhere in your memory. Everyone is from somewhere even if you’ve never been there. So take a minute to remember the part of you that might be the old man calling me. |
Ihr hört heute nur eure Musik, Dudelsäcke hört ihr. Aber irgendwo in eurem Hirn seht ihr eine Insel im Nebel. Jeder kommt von irgendwo her, selbst wenn er niemals mehr dort war. Also hört mal kurz auf und denkt daran, dass ihr irgend wann mal nach euren Kindern ruft. |
How many wars you’re fighting out there, this winter’s morning? Maybe it’s always time for another Christmas song. Old man he’s asleep now. He’s got appointments to keep now. Dreaming of his sons and daughters, yeah, proving, proving that the blood is strong. |
Wie viele Kriege führt ihr eigentlich da draußen, an diesem Wintermorgen? Vielleicht ist es mal wieder Zeit für ein Weihnachtslied wie dieses hier. Der alte Mann ist schlafen gegangen. Schließlich hat er ja morgen eine Verabredung. Er träumt von seinen Töchtern und Söhnen, und davon, dass das Band noch nicht zerrissen ist. |
Zu “Bungle in the Jungle” geht es mir ähnlich wie Dir. Das Lied war zwar als eines der wenigen in den Top Ten vertreten, aber ähnlich wie „Locomotive Breath“ ist es reichlich flach und nicht das, was Jethro Tull ausmacht. Aber gerade mit solchen Liedern ist die Gruppe in der Öffentlichkeit bekannt. Als mein Sohn Jan noch ganz klein war, da hatte ich ihm es vorgespielt und erzählt, dass es vom „Dschungel“ handelt und den Tieren dort. Er fand es ganz lustig.
Die Texte sind wirklich sehr umgangssprachlich übersetzt. Bei dem Lied mag es noch passen, wenn auch die Feinheiten flöten gehen. Bei anderen wäre es fehl am Platze. Es ist aber eben nicht leicht, einen Text zu übersetzen (wenn dann auch noch der Sprachrhythmus, also das Versmaß, stimmen soll). Und gerade Übersetzungen englischer Texte ins Deutsche führen dazu, dass die deutsche Übersetzung viel zu lang wird. Dem wurde beim Dschungel-Lied durchs Umgangssprachliche „nachgeholfen“ (ist eben kürzer zu verfassen)…
Zu den Kritikern: Ich habe weitere Kritiken aus alter Zeit gelesen und konnte eigentlich nur lachen. Plötzlich war da „Stand up“ das beste Album, innovativ usw. und alles Neue steril und nur ein erneuter Aufguss. Es lohnt sich nicht, den Sermon hier zu veröffentlichen. Vielleicht später als kleine Zusammenfassung einmal. Allerdings sind die Kritiken zu anderen Bands meist nicht viel besser. Es muss an der Zeit (70-er und 80-er Jahre) gelegen haben. Da wollte man wohl besonders kritisch sein und kam sich schlau vor, wenn man alles möglichst in kleine Schnipsel verriss. Von Ärger bei mir keine Spur. Es ist eher zum Lachen.
Kurz zu Theo: Ich denke, er ist kein „reiner“ Tull-Fan. Und ob er alles, was Anderson und Co. abgeliefert hat, begeistert angenommen hat, bezweifle ich. Ich bin wie erwähnt nicht erst mit den Folk-Alben Tull-Fan geworden. Gerade das „Stand up“-Album hatte es mir damals (als Du noch in der Sandkiste gespielt hast 😉 ) angetan. Die gute Vinyl-Scheibe dürfte nicht mehr abspielbar sein und hat höchstens noch Sammlerwert, so oft drehte sie sich auf dem Plattenteller. Eine der ersten CDs, ich mir später kaufte, war dann „Stand up“: Endlich einmal wieder vollen (fast schon unbekannter) Hörgenuss! Und so habe ich mich dann von Scheibe zu Scheibe durchgehangelt. Erst spät kamen die Folk-Alben … Aber auch bei mir gibt es dann Alben, die mich alles andere als vom Hocker rissen. Der Höhepunkt: „Under Wraps“ mit diesen monotonen Drums aus der Retorte. Und neben echten Höhepunkten hatte fast jede folgende Platte auch Scheußlichkeiten, die man am CD-Player (oder Rechner) mit einem Tastendruck (oder Mausklick) überspringen kann. Also von Anbetung oder so kann keine Rede sein.
In diesem Zusammenhang. Hast Du Dir schon einmal Gedanken gemacht, wie man die einzelnen Alben von Jethro Tull bestimmten Musikstilen zuordnen könnte (Mehrfachnennungen sind zulässig)? Du weiß, diese netten Schublädchen … Auf der Tull-Website habe ich eine solche Zuordnung gefunden. Ist witzig: “Here’s a quick guide organizing the albums by their dominant musical style.”
Blues / Jazz
This Was (1968), Stand Up (1969), Catfish Rising (1991)
Folk or Acoustical Rock
Stand Up (1969), Aqualung (1971), Minstrel in the Gallery (1975), Songs from the Wood (1976), Heavy Horses (1978), Stormwatch (1979), J-Tull Dot Com (1999); The Jethro Tull Christmas Album (2003).
Prog / Art / „Concept“ Rock
Aqualung (1971), Thick as a Brick (1972), A Passion Play (1973), Too Old to Rock and Roll: Too Young to Die (1976)
Heavy (more like medium [sic]) Rock
Benefit (1970), Aqualung (1971), Too Old to Rock and Roll: Too Young to Die (1976), Crest of a Knave (1987), Rock Island (1989), Catfish Rising (1991)
Elizabethan / Medieval / Classical
War Child (1974), Minstrel in the Gallery (1975)
Electronic Keyboards / Synthesizers
A (1980), The Broadsword and the Beast (1982), Under Wraps (1984)
Far East / Asian Influences
Roots to Branches (1995), J-Tull Dot Com (1999)
Ist doch interessant, wo der Meister seine Musik selbst ansiedelt. Dass mit dem Heavy Rock ist gewissermaßen ein Entgegenkommen gegenüber den Juroren, die seinerzeit (1988) die Scheibe „Crest of a Knave“ mit einem Grammy für das beste Hard Rock Album auszeichneten („Metallica“ zum Verdruss).
Jugendkultur: Ich schrieb es bereits. Im Gegensatz zu Dir war ich ein Vertreter des Lumpenlooks (Popper und Punks pupsten noch in ihre Windeln – ich weiß, dass es kein Vorrecht ist, Dir gegenüber so viel früher geboren zu sein). Als Spät-68-er trug ich einen Parka, einen ausgelatschten dunkelblauen Pullover ohne Kragen, Jeans und meist halbhohe Stiefel. Ich muss gestehen, auch heute nicht allzu sehr auf mein Äußeres zu achten. Ich trage meine Klamotten auf bis zum Verfall, gehe zum Friseur, erst wenn es lästig wird, die Haare dauernd aus dem Gesicht zu streichen. Und: nur zwischenzeitlich gab es Interesse von meinem großen Sohn Jan (in seiner Punkphase) an alten Jeans von mir, die selbst ich nicht mehr tragen wollte. Immerhin waren die Löcher in diesen durch natürlichen Verschleiß entstanden und nicht künstlich unter Zurhilfenahme einer Schere. Überhaupt Jugendkult. Mit meinem Großen sind wir damit mittendrin. Du und Deine Frau haben da noch einiges vor Euch … Viel Spaß! Aber nicht verzweifeln. Immer schön locker bleiben und daran denken, dass die lieben Kleinen sich später nicht mehr so ‚austoben’ können (und denk auch an Deine Jugendzeit und – als Negativbeispiel – an Deinen alten Schulfreund).
Mit Deinen Anmerkungen zum typisch Britischen hast Du bei mir Erinnerungen geweckt: Klar doch, am Sonntagnachmittag gab es „Der Doktor und das liebe Vieh“, montags bei uns auf NDR3 nach der Tagesschau „Task Force Police“. Was gibt es Herrlicheres als diese skurrilen britischen Typen. Aber auch das nimmt nach und nach ein Ende. Bobbies laufen zunehmend ohne diese schwarzen Helme herum (den letzten Polizisten mit Bobbyhelm habe ich vor 6, 7 Jahren in Gibraltar gesehen). Die Taxen haben sich ein moderneres Outfit zugelegt. Und auch die roten Telefonzellen verschwinden im Zeitalter des Handys mehr und mehr oder werden durch Konservenbüchsen anderer Telefongesellschaften abgelöst. Die voll schönste Telefonzelle habe ich auf der Isle of Skye gesehen: Irgendwo in dem Pampa mit herrlichen Blick auf eine Bucht. Leider waren wir (ich und meine Lieben) mit einem Bus unterwegs und konnten auf die Schnelle kein Foto machen.
Das typisch Britische übt auf viele Deutsche, überhaupt Nicht-Briten, einen gewissen exotischen Reiz aus. Das fängt mit den Essensgewohnheiten an. Wo gibt es grausameres Essen als auf der Insel (vielleicht in skandinavischen Ländern noch). Und doch kommt man nicht ohnehin, einmal davon zu kosten. Sicherlich heißt es, dass man am Morgen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettelmann speisen soll. Aber was sich da manche Briten schon morgens in die Wampe hauen, ist einfach zu viel. Und es zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen lieben Tag: Briten sind anders als die anderen! Sie leben anders, essen, trinken, arbeiten anders. Wahrscheinlich lieben sie sich auch anders. Und das findet sich dann auch bei Ian Anderson, seinen Jungs und seiner Musik wieder. Du hast recht: Hört man z.B. das Lied „Broadford Bazaar“, so tauchen vor dem inneren Auge schöne Landschaften auf. Aber der Text handelt von Touristen, die die Insel (Isle of Skye) bevölkern und von den Problemen der Leute. Das können nur Briten unter einen Hut bringen.
Das klingt nach Klischees. Aber wenn man durch eine Stadt selbst wie Edinburgh geht, erlebt man es am eigenem Leibe, dass hier die Uhren anders gehen. Da outet man sich als Deutscher und ist doch herzlich willkommen. Schottland vor einem Jahr hat auch meinen Jungs viel Spaß gemacht. Selbst der Kleine, Lukas, der meist schon nach drei Tagen ‚in der Fremde’ am liebsten wieder nach Hause möchte, hat es dort genossen und wäre länger geblieben.
Aber mit meiner Begeisterung schreibe ich mich jetzt in einen Rausch hinein. Jethro Tull ist eben very british. Und ich weiß gar nicht, ob ich Jethro Tull aus díesem Grund liebe oder das Britische, weil ich ein Fan dieser Gruppe bin. Es ist wie mit der Henne und dem Ei. Ist aber auch egal: ich mag beides.
Ich schrieb ja, dass ich beim Aufräumen altes Material von und über Jethro Tull gefunden habe. Hier ein Artikel aus dem Jahre 1978, der sich u.a. mit den weiteren Plänen von Herrn Anderson befasst. Höchst interessant, wenn man gedenkt, was am Schluss dabei herausgekommen ist.
aus: Musikexpress vom Mai 1978 (S. 12) Jethro Tull – Ian Anderson wechselt die Pferde
Nach „Songs From The Wood“ hatte Ian angekündigt, sein nächstes Album würde wieder schärfer ausfallen. Nun entstand mit „Heavy Horses“ aber wieder eine akustisch und traditionell orientierte LP. „Im nächsten Jahr muß ich endgültig etwas anderes machen“, erklärt Ian, „aber in diesem Jahr konnte ich noch mal ein ähnliches Album wie „Songs From The Wood“ herausbringen. 1979 werde ich dafür drei LP’s machen: eine Rock’n’Roll-LP, ein Album mit ruhigen, akustischen Titeln und eines mit klassischer Ballettmusik für ein 50köpfiges Orchester. Das halte ich für besser, als alle Spielarten immer in eine einzige Schallplatte hineinzupferchen.“ Die Ballettmusik schreibt Ian für ein schottisches Theater. Dies wird die erste Zusammenarbeit mit seinem Bruder, der als Ballettdirektor in Schottland arbeitet. Im März 1979 soll das Opus fertig sein. 1978 wird wohl noch ein Jethro Tull-Album erscheinen, das man jetzt während der Tournee mitschneidet.
Das Album mit den akustischen Songs wird Ian nicht unter dem Namen Jethro Tull veröffentlichen. „Es könnte die Leute enttäuschen, die von uns eine rockigere LP erwarten.“ Aber als Solo-LP will er es auch nicht deklariert wissen. „Ich nehme es ja nicht allein auf, sondern arbeite noch mit anderen Musikern zusammen.“ Von Tull wird keiner dabei sein, und die anderen sind unbekannte Studiomusiker.
Das Live-Album ist dann ja wohl „Bursting Out“. Das Ballett hat es dann auch wirklich gegeben habe: Water’s Edge Ballet (ein Ausschnitt gibt es auf der bereits erwähnten DVD Jethro Tull – Lively Arts, der BBC-Dokumentation zur USA-Tour von Tull 1979 – hierzu gibt es wiederum einige Ausschnitte bei youtube.com). Und irgendwo hatte ich dazu auch einiges zum Lesen gefunden, u.a. bei tullpress.com. Danach wurde (holprig übersetzt) DER RAND DES WASSERS zuerst durch das schottische Ballett am 7. März 1979 durchgeführt, am königlichen Theater, Glasgow. Als Komponisten werden David Palmer und Ian Anderson, auch Martin Barre genannt.
Ians Bruder heißt übrigens Robin – siehe auch einen Artikel im Melody Maker hierzu. Eigentlich eine spannende Sache, die aber irgendwie im Sande verlief. Ich habe Dir den Ausschnitt als Real-Media-Datei im Anhang beigelegt.
Jetzt aber genug. Sonst geht mir das Material noch vor Jahresende zur Neige.
Man liest voneinander.
Bis dann – und noch ein schönes Wochenende Dir und Deinen Lieben.
Wilfried
P.S. Auch so das Waterboys-Video. Ich hab’ s gefunden und muss gestehen, dass ich darauf nicht ganz so abfahre. Klingt für mich auch etwas wie Bob Dylan in alten Zeiten (Blowing in the Wind und so), was ja nicht schlecht war.
07.10.2006