Archiv für den Tag: 7. August 2006

Freud’sche Fehlleistungen

Das Jahr 2006 ist nicht allein ein Mozart-Jahr. Neben Salzburg, der Mozart-Stadt, ist es Wien, die Stadt, die aus dem Feiern nicht herauskommt. Und neben Mozart ist es Sigmund Freud, dessen 150. Geburtstag man zu feiern hat – eben auch in Wien, wo er 47 Jahre lang lebte und wirkte.

Freud – bis heute umstritten, da sich seine Theorien und Lehren nun einmal mit einem ‚Gegenstand‘ befassen, der alles andere als gegenständlich ist: die menschliche Seele oder – in Abgrenzung zum religiösen Begriff – die Psyche. Immerhin lässt sich von Freud sagen, dass er die alte Psychologie durch die Einbeziehung des Unbewussten und den daraus folgenden neuen Einsichten in die Triebdynamik erweitert hat. Als Haupttrieb menschlichen Verhaltens nahm Freud den Geschlechtstrieb (Libido) an: Da gerade die Entfaltung der geschlechtlichen Triebhaftigkeit durch gesellschaftliche Regeln und Tabus unterdrückt würden, ergäben sich hieraus die Fehlentwicklungen, die zu Neurosen führten, denen auszuweichen lediglich durch Sublimierung, also die Umsetzung in kulturelle Leistungen, möglich sei.

Sigmund Freud

Wenn man es sich genau überlegt, so ist Freud aus unserem Alltagsleben kaum wegzudenken. Ein Begriff ist dabei ‚Fehlleistung‘, der uns besonders als Freud’scher Versprecher täglich über den Weg kommt. Es handelt sich nach Freud um eine sprachliche Fehlleistung, bei der die eigentliche Meinung oder Absicht des Sprechers unfreiwillig zutage tritt. Hierbei wird anstatt des angedachten Wortes oder der Phrase etwas ähnlich Klingendes gesagt, das dem Gedachten dabei eigentlich besser entspricht.

Da mag z.B. etwas zum ‚Vorschwein‘, also zum Vorschein kommen, das mit Schweinereien zu tun hat. Und wenn Herr Kohl vor vielen Jahren noch als Bundeskanzler anlässlich einer Krise der Koalition u.a. sagte: „… wenn wir pfleglich miteinander untergehen …“, dann hat er seinen Empfindungen weniger Abbruch getan, als hätte er nur ‚umgehen‘ gemeint.

Nun, neuere psychologische Studien gehen davon aus, dass es sich bei diesen Versprechern um ‚Beaufsichtigungsfehler‘ handelt. Je besser wir etwas beherrschen, um so ‚unbewusster‘ können wir etwas ablaufen lassen. Gerade bei zur Routine gewordenen, stark automatisierten Handlungen, die fast ‚geistesabwesend‘ ablaufen, treten Fehlleistungen auf. Dabei setzt sich ein längerer automatisierter Handlungsablauf aus Unterprogrammen zusammen. Ihre Verbindungsstellen bilden kritische Punkte, die einer bewussten Aufsicht bedürfen.

Wer ist nicht schon einmal z.B. in den Keller gegangen und wusste dort plötzlich nicht mehr, was er dort eigentlich wollte. Was oft hilft ist, wenn man den Weg zurückgeht, also vorher gehende Unterprogramme bewusst erneut aufruft. Dann wird eventuell der nächste Schritt des Handlungsablaufes deutlich. Ich habe auf jeden Fall noch nicht gehört, dass einer im Keller gewissermaßen verschollen ging. Und wenn, dann wäre sicherlich Sigmund Freud nicht daran Schuld.